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von Wilhelm Stählin |
Ein Teil der Arbeit, die dem Leiter des Berneuchener Kreises obliegt, besteht darin, für die äußere Ordnung zu sorgen, die Mitgliederkartei zu führen und auf dem Laufenden zu halten, die Verbindung mit den Vertrauensleuten in den einzelnen Bezirken und womöglich mit den einzelnen Mitgliedern zu pflegen. Einige äußere Angaben müssen darum auch diesem Bericht voranstehen. Der Berneuchener Kreis ist in seinem Mitgliederbestand, sowohl hinsichtlich der Zahl, wie hinsichtlich der Zusammensetzung (etwa 60 % Männer, 40 % Frauen) ziemlich konstant geblieben; sowohl die Zahl der Neuanmeldungen, als auch (noch mehr) die Zahl der Austritte ist gesunken; d. h.: der Kreis ist in einen Zustand der Stetigkeit und Beharrung gekommen, der ein starkes Wachstum vermissen läßt und der dazu verpflichtet, mit einer energischen Werbung zugleich die innere Arbeit an dem Kreis der Mitglieder klar zu erkennen und entschieden anzugreifen.
Diese Arbeit des Berneuchener Kreises geschieht in drei Formen: 1. Das sichtbarste Zeugnis dieser Arbeit, das jedes einzelne Mitglied erreicht, ist unser Schrifttum (meist im Johannes Stauda-Verlag, Kassel). Unser Jahrbuch, das G o t t e s j a h r hat sich in den letzten Jahrgängen ganz der Bibelarbeit zugewendet; es bemüht sich, seinen Lesern ein umfassenderes und tieferes Verständnis dessen zu erschließen, was eigentlich in der Bibel steht, und die unheimliche Aktualität der Heiligen Schrift, die uns zugleich erschrecken und sehr gelassen machen kann, spüren zu lassen. Wir sind besonders dankbar, gerade dabei die Hilfe nichttheologischer Mitarbeiter empfangen zu dürfen, und hoffen, daß es uns gelingt, die entscheidenden Dinge in einer guten, lebendigen und verständlichen Sprache zu sagen. Vielleicht gibt uns die weitere Entwicklung der Jahresbriefe die Möglichkeit, im Gottesjahr auch einmal längere Abhandlungen zu bringen, die bestimmte Einzelthemen umfassend und gründlich erörtern. Unsere J a h r e s b r i e f e haben unter der Schriftleitung von Walter Uhsadel noch mehr als bisher es als ihre Aufgabe ergriffen, einen sehr gegenwartsnahen „Religionsunterricht für Erwachsene” zu geben; es ist ihre besondere Eigenart, daß diese Unterweisung nicht begrifflich systematisch aufgebaut ist, sondern sich aufs engste an die Ordnung des Kirchenjahres bindet. Der Wegfall der Bibellese in ihrer bisherigen Form wird Raum dafür geben, diese Aufgabe noch umfassender und vielseitiger, als es bisher möglich war, zu erfüllen. Wie im letzten Jahrgang wird auch in den Heften des Jahrgangs 1936/37 eine Bibelarbeit voranstehen, die in die großen Gedankengruppen und Zusammenhänge biblischer Bücher einführen will; wir möchten damit auch ganz praktisch zeigen, daß wir die Notwendigkeit und Bedeutung solcher „Bibelarbeit” neben der gottesdienstlichen Lesung für den einzelnen Tag durchaus sehen und bejahen. Die Besinnung über einzelne Lieder wird fortgeführt werden, und dazu soll von jetzt an auch eine Bildbetrachtung treten; beides soll dazu dienen, die Formenwelt der kirchlichen Gestaltung, es sei die Dichtung oder die Musik oder die bildende Kunst, als Ausdruck des Glaubens, als Form des kirchlichen Bekenntnisses selbst zu betrachten und zu verstehen. Die Unterweisung, die die Jahresbriefe ihren Lesern übermitteln wollen, sollen eine Hilfe dazu sein, mit der Kirche zu denken, zu singen, zu beten, zu leben. Eine literarische Arbeit ganz anderer Art ist unsere Schriftenreihe „K i r c h e i m A u f b a u” , von der bisher vier Hefte erschienen sind; sie sollen in einer Reihe größerer Einzeldarstellungen die Grundlegung unserer ganzen Arbeit bieten. Drei Fragengruppen sind darin eingeschlossen und jede von ihnen ist unter den bisher erschienenen Heften beispielhaft vertreten: Beiträge zum Verständnis der Heiligen Schrift, Fragen der christlichen Erkenntnis und des christlichen Denkens im engeren Sinn, Gesichtspunkte, Forderungen und Vorschläge für die kirchliche Gestaltung. Aus der Werbedrucksache für diese Schriftenreihe, die dem Michaelisbrief beilag, ist zu sehen, welche Hefte in den nächsten Monaten zu erwarten sind. Schließlich ist es für den gesamten Berneuchener Kreis wichtig, daß unsere Arbeit an der Gestaltung rechter evangelischer Gottesdienstordnungen („D e r D e u t s c h e D o m”) weitergeht. Im Lauf des letzten Jahres ist die große Ordnung der B e i c h t e , daneben kleine Ausgaben für die Hand der Gemeinde erschienen; von der Ordnung der S a k r a m e n t s f e i e r liegt die kleine Ausgabe für die Hand der Gemeinde vor und macht dem Zustand peinlicher Unsicherheit und unschöner Behelfe, unter dem wir selbst mehrere Jahre gelitten haben, ein Ende; die große Ausgabe ist im Druck. Unsere jahrelangen Überlegungen über die Ordnung der Taufe, der Trauung, der Bestattung stehen vor dem Abschluß, und wir hoffen, auch diese Ordnungen bald zum Druck geben zu können. Die „Pfarrgebete” erscheinen in einer völlig neuen Bearbeitung als G e b e t e f ü r d e n e i n z e l n e n C h r i s t e n und werden in dieser Form für viele unserer Freunde noch unmittelbarer in Betracht kommen, als das „Gebet der Tageszeiten”. Auch die für den liturgischen Gebrauch eingerichtete Ausgabe des P s a l t e r s wird bald in einer neuen Auflage vorliegen. Neben der großen Abendmahlsagende am wichtigsten ist die „L e s u n g f ü r d a s J a h r d e r K i r c h e” , die jetzt, nach mehr als zehnjähriger Vorarbeit in Buchform erscheint, und deren erstes Teilbändchen in diesen Tagen ausgegeben wurde. Sie ist die erste streng an das Kirchenjahr gebundene Leseordnung, die es in der evangelischen Kirche überhaupt gibt, und sie wird, wie wir hoffen, in Verbindung mit unseren Gebetssammlungen das tägliche Andachtsbuch weit über die Grenzen unseres Kreises hinaus sein werden. Für den Gebrauch in größeren Kreisen und Gemeinden, für die die Anschaffung des Lesungsbuches zu teuer ist, erscheint die „Evangelische Bibellese” als kleines, billiges Jahresheft ohne Betrachtungen. a. Der Kreis derer, die an dieser literarischen Arbeit unmittelbar beteiligt sind, kann immer nur ein begrenzter sein; aber wir können diese Arbeit nur tun, wenn wir selbst getragen sind von der Mitverantwortung und Hilfe eines größeren Freundeskreises. Wir sind auf ständige Mitarbeit durch Fragen, Hinweise, Anregungen angewiesen. Insonderheit versucht der „Brief” des Herausgebers in den Jahresbriefen eine solche Verbindung mit den Lesern zu knüpfen und zu pflegen. b. Wir sehen es als selbstverständlich an, daß die Mitglieder des Berneuchener Kreises sich mit diesen aus unserer gemeinsamen Arbeit erwachsenen Schriften vertraut machen; aber sie sind ihrem Wesen nach nicht für einen geschlossenen Kreis bestimmt, sondern sie wollen ein Dienst an der Gesamtkirche sein. Darum müssen wir unsere Freunde bitten: sorgt dafür, daß unsere Schriften denen bekannt werden, für die sie geschrieben sind; verlangt, daß sie in den Buchhandlungen vorrätig gehalten und ausgestellt werden; wirkt dazu mit, daß sie in kirchlichen und möglichst auch in anderen Blättern angezeigt und besprochen werden! Möge sich jeder Einzelne überlegen, was er in dieser Richtung tun kann! c. Wir möchten den örtlichen Kreisen, in denen sich Berneuchener treffen, vor allem die Aufgabe zuweisen, unser Schrifttum durchzuarbeiten und zu besprechen; ja wir glauben, daß auch da, wo gar keine organisierten „Kreise” mit regelmäßigen Zusammenkünften bestehen, sich ein paar Freunde zusammenfinden könnten und sollten, um sich an Hand unserer Schriften, an Hand einzelner Aufsätze, gegenseifig zu vertiefen und einen Schatz gemeinsamer Erkenntnisse zu gewinnen. 2. Neben der literarischen Arbeit stehen unsere F r e i z e i t e n , und immer wieder müssen wir uns und andere daran erinnern, daß sich das, was uns eigentlich am Herzen liegt, nicht durch Bücher oder Zeitschriften, sondern nur in solchen Tagen gemeinsamen Lebens vermitteln und weitergeben läßt. Unsere Freizeiten sind ein Versuch, beispielhaft zu verwirklichen, was Kirche ist. Was uns nottut, sind nicht literarische Programme, sondern Verwirklichung; und wenn kürzlich ein nicht zu unserem Kreis gehöriger Pfarrer uns geschrieben hat, er habe noch nie in seinem Leben die Heiligkeit der Kirche Jesu Christi so sehr als eine ihn tragende und verpflichtende Wirklichkeit verspürt wie auf einer unserer Freizeiten, so drückt er eben das aus, was als Aufgabe und Hoffnung über unserer gesamten Freizeiten-Arbeit steht. Wir haben in sehr verschiedenen Teilen Deutschlands Freizeiten gehalten; eine genaue Zahl läßt sich nicht angeben, zumal ich leider nicht von allen Freizeiten die erbetenen Berichte bekomme. Mit verschwindenden Ausnahmen haben unsere Freizeiten durch die nun schon selbst verständlich gewordene Ordnung der Tage, durch das unlösliche Ineinander von Vorträgen und Gottesdiensten, Predigt und Sakramentsfeier, Aussprache, Singen und - Schweigen sich als eine ganz starke Hilfe bewährt; zu unserer Freude durften wir da und dort auch in Neuland vorstoßen und dabei wieder erfahren, wie bereitwillig, mit unmittelbarem Verständnis und Dank gerade junge Menschen unsere Ordnungen aufgenommen haben. Es wird alle unsere Freunde interessieren, zu welchen Erkenntnissen und Plänen uns die Erfahrungen der letzten Jahre geführt haben: Während manche unserer Kritiker immer noch meinen und behaupten, daß uns nur die Gestaltung schöner Gottesdienste, aber nicht das Verständnis der Heiligen Schrift am Herzen liege, haben wir seit einer Reihe von Jahren eine große Anzahl von Freizeiten ganz auf die Einführung in bestimmte biblische Bücher verwendet; wir werden auf diesem Wege fortfahren, weil ein umfassendes Verständnis der Heiligen Schrift immer Voraussetzung und Form echter kirchlicher Erneuerung ist. Damit verbindet sich freilich für uns stets die Einführung in die Lebensformen der Kirche, in ihr Lied, in ihr Gebetsleben, in die Ordnung des Kirchenjahres und vor allem in ihr Sakrament. Solange es in unseren Gemeinden noch nicht möglich ist, die Begehung der Karwoche und des Heiligen Osterfestes in ihrem ganzen Reichtum wiederzugewinnen, wird es eine besondere Aufgabe kultischer Freizeiten sein, gerade diese heiligen Tage in gemeinsamer Besinnung und Feier zu begehen. Wir haben in diesem Jahr zum erstenmal den Versuch gemacht, eine Freizeit nur für solche abzuhalten, die schon mit dem Leben und der Ordnung solcher Freizeiten vertraut sind; dieser Versuch hat an der Überzahl der Teilnehmer gelitten, die sich gerade zu dieser Woche gemeldet hatten. Wir sehen es als eine dringende Ausgabe an, künftig mehr als bisher Wochen mit einer ganz strengen Form und solche, die einer ersten Einführung dienen, von einander zu unterscheiden; daneben werden auch religionspädagogische Wochen im engeren Sinn, Wochen kirchlicher Unterweisung für Jugendliche, vielleicht auch eigene Konfirmandenwochen nötig werden. Eine Überfülle von Aufgaben, die wir als Verpflichtung vor uns sehen, und von denen wir noch nicht wissen, woher wir die Zeit und die Kraft nehmen sollen, dem allen, was da geschehen müßte, gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang muß ein Wort über „g e i s t l i c h e Ü b u n g e n” auf unseren Freizeiten gesagt werden. Während viele Besucher unserer Freizeiten dankbar bekennen, daß sie gerade aus diesen Übungen eine entscheidende Hilfe empfangen haben, sind andrerseits gerade gegen diese „Meditationen” besonders viele und entschieden kritische Bedenken laut geworben. Sie kommen allerdings zumeist von solchen, die nie irgend etwas solcher Art miterlebt haben und die vielleicht Grund genug haben, eine Form geistlicher Übung zu scheuen, die uns einen so unerbittlichen Einblick in den wahren Zustand unseres inneren Lebens erschließt. Wir sind freilich im Laufe der letzten Jahre immer mehr dazu gekommen, die verschiedenen Formen und Aufgaben geistlicher Übungen strenger zu unterscheiden. Auf unseren Freizeiten müssen wir uns im allgemeinen beschränken auf meditative Betrachtung einzelner Bibelworte. In den englischen retreats (was etwa der strengeren Form unserer Freizeiten entspricht) sind eine Fülle von Erfahrungen und Anweisungen für solche bible meditation ausgebildet; wir hoffen, auch daraus manches lernen und weitergeben zu können. In Deutschland hat der Furche-Verlag das große Verdienst, daß er mit einer Reihe von Veröffentlichungen in dieses ganze Gebiet vorzudringen wagt. Daneben gibt es, zumal in unseren Bruderschaften, sowohl der Michaelsbruderschaft als der Jungbruderschaft, eine Reihe von geistlichen Übungen, die zur Vorbereitung auf ganz bestimmte kirchliche Aufgaben und Dienste gehören. So glauben wir z. B., daß das liturgische Lesen nicht nur nach bestimmten Regeln technisch zu erlernen ist, sondern daß hier eine gewisse Bereitung heilsam ist. Alle Übungen, die zu diesem Weg gehören, stehen immer in engster Beziehung zu einem solchen konkreten kirchlichen Dienst und dürfen nicht davon losgelöst werden. - Schließlich gibt es Meditationen im engeren Sinn, Betrachtungen, in denen wir uns in bestimmte Zeichen oder in bestimmte Lebensvorgänge versenken. Wir sehen heute ein, daß solche Meditationen nicht ohne Gefahren in größeren und sehr zufällig zusammengesetzten Kreisen gemacht werden können, sondern daß sie im allgemeinen der persönlichen Seelsorge vorbehalten bleiben sollten, hier freilich sowohl der Selbsterkenntnis wie dem Wachstum des geistlichen Lebens eine unschätzbare Hilfe leisten können. 3. Welche A u f g a b e n hat der Berneuchener Kreis und welche Hilfe leistet er seinen Mitgliedern über unser Schrifttum und über unsere Freizeitenarbeit hinaus? Daß unser Werbeblatt seit fast 2 Jahren vergriffen ist und seine neue Form noch nicht gefunden hat, ist vielleicht kein Zufall, sondern vielmehr ein Ausdruck einer gewissen inneren Unsicherheit, wie diese Aufgabe unseres Kreises zu beschreiben ist. Heute ist diese Entwicklung in gewissem Maß abgeschlossen und drängt uns dazu, die Aufgaben dieser ganz inneren Führung des Kreises entschiedener als bisher anzugreifen. Wer dem Berneuchener Kreis beitritt, will mehr und will etwas anderes als bloß die äußere Verbindung mit unserer Arbeit. Darum rufen wir unsere Mitglieder zu regelmäßigen ö r t l i c h e n T r e f f e n zusammen, und bei diesen Treffen wird sich immer - auch wenn es nur ein paar Stunden gemeinsamen Lebens sein können - zweierlei miteinander verbinden: die kirchliche Schulung, sei es mehr lehrhafter, sei es mehr liturgischer Art, und die gemeinsame gottesdienstliche Feier, wo es sein kann, auch die gemeinsame Feier des heiligen Mahles. Die Gauältesten der Michaelsbruderschaft sind dafür verantwortlich, daß in den einzelnen Gegenden und Städten Vertrauensleute aufgestellt werden, die für solche regelmäßigen Zusammenkünste sorgen und dafür, daß diese so gestaltet werden, wie es dieser doppelten Aufgabe unseres Kreises entspricht. Diese Vertrauensleute müssen auch dafür sorgen, daß zu diesen Treffen solche Menschen eingeladen werden, denen damit ein besonderer Dienst geschehen kann; sehr oft werden es Menschen sein, die nicht aus der kirchlichen Tradition herkommen und nicht in der Kirche, wie sie heute ist, ohne weiteres ein freudiges Heimatgefühl haben können; an diesen Menschen, die am Rande der Kirche stehen, glauben wir eine besondere Aufgabe zu haben, wie das ja der ganzen Herkunft und Geschichte unserer Berneuchener Arbeit entspricht. Wenn gerade Menschen dieser Art unsere Berneuchener Treffen als einen Ort echter kirchlicher Verwirklichung empfinden und liebgewinnen sollen, dann müssen diese Zusammenkünfte auch in ihrem ganzen Stil etwas anderes sein als gesellige Zusammenkünfte religiös angeregter, netter, lieber Menschen, etwas anderes als jene verhängnisvolle Mischung von bürgerlicher (oder kleinbürgerlicher!) Geselligkeit mit gewissen geistlichen Formen. Die Menschen, die zu uns kommen, suchen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, die menschliche Wärme einer schönen Geselligkeit und einer interessanten Diskussion, sondern Wirklichkeit und Gestalt kirchlicher Gemeinschaft. Darum sollte immer klar und entschieden das gemeinsame gottesdienstliche Handeln im Mittelpunkt unserer Zusammenkünfte stehen. Daneben sucht eine immer größere Zahl von Mitgliedern des Berneuchener Kreises ganz persönliche s e e l s o r g e r l i c h e B e r a t u n g u n d H i l f e . Ein ständig wachsender Briefwechsel und sehr viele persönliche Unterredungen versuchen, dieser Aufgabe gerecht zu werden und dieser großen Not kirchlicher Vereinsamung und Ratlosigkeit zu steuern. Für sehr sehr viele unserer Mitglieder bedeutet es die entscheidende Hilfe, daß sie sich verpflichtet fühlen oder ausdrücklich verpflichten dürfen, die Ordnungen des täglichen Gebets und der täglichen Schriftlesung, wie sie unsere Veröffentlichungen darbieten, treu und regelmäßig zu halten. Auf eine Einzelheit muß in diesem Zusammenhang noch hingewiesen werden. In manchen unserer Kreise haben die Frauen mit großer Freude die Aufgabe ergriffen, „Paramente”, das ist Behänge und Decken verschiedener Art für den kirchlichen Dienst zu sticken; eine in Jahrhunderten bewährte Form kirchlichen Frauendienstes. Die Leitung des Berneuchener Kreises ist gern bereit, bei solchen Versuchen zu beraten. Das alles, was hier als Aufgaben des Berneuchener Kreises im engeren Sinn aufgezählt ist, soll der rechten kirchlichen Verwirklichung und der Eingliederung in die wirkliche Kirche dienen; und wir wollten nichts lieber, als daß diese Arbeit überall in engster Verbindung mit der Kirchengemeinde, als ein Stück ihres -reich gegliederten Werkes erscheinen dürfte. Unsere Freunde sollten sich gerade als Mitglieder des Berneuchener Kreises in erster Linie verpflichtet fühlen, an dem Leben ihrer Kirchengemeinde teilzunehmen und sich hier als an dem ihnen gewiesenen Ort zu einem persönlichen Dienst bereitzuhalten. Wenn leider nicht ganz selten statt dessen das Leben unseres Berneuchener Kreises neben der offiziellen Kirche hergeht und von vielen seiner Glieder als ein Ersatz für die schmerzlich vermißte kirchliche Heimat empfunden wird, so ist daran gewiß nicht unsere eigene Freude an sektenhafter Absonderung schuld, sondern der schlimme Zustand solcher Kirch-Gemeinden, die eben nicht ein Ort wahrhaft geistlicher und christlicher Verwirklichung, sondern eher ein Ort des äußeren Betriebs oder - des gehässigen Kampfes sind. Wir wissen, daß wir Berneuchener auch in diesen Fällen einen Dienst an der Gesamtkirche zu leisten berufen sind, einen Dienst stellvertretender Verwirklichung. Wir sind keineswegs schon so weit, daß wir sagen dürften, das sei der Dienst, den unser Berneuchener Kreis tut und leistet; aber wir sind unterwegs dazu, und wir fordern die Glieder unseres Kreises auf, bewußt und entschieden auf diesem Weg weiterzugehen. Die Bildung solcher Gemeinschaften, in denen sich rechtes und umfassendes Verständnis der Heiligen Schrift, sichere Erfahrung kultischen Lebens, geistliche Übung und Ordnung des eigenen Gebetslebens, Bereitschaft, seelsorgerlichen Dienst zu leisten und zu empfangen, miteinander durchdringen, ist der einzige Weg, auf dem die heillose Verweltlichung unserer Kirche und ihre Selbstzerstörung in theologischer Rechthaberei und lieblosen Urteilen von innen her überwunden werden kann. Mit der Klarheit, mit der diese Aufgabe erkannt, und mit der Treue, mit der sie erfüllt wird, steht und fällt das Daseinsrecht des Berneuchener Kreises. Ein Theologenheim, in dem jüngere Theologen, vielleicht auch Pfarrer in streng geformter Lebensgemeinschaft, in liturgischer Schulung, in geistlicher Übung für ihren kirchlichen Dienst ausgerüstet werden;Dieses Heim würde dann zugleich ein Ort der Begegnung und des Austausches zwischen Menschen der verschiedensten Berufe sein können; wir hoffen, daß Künstler, Ärzte, Naturforscher, Kaufleute gern dorthin kommen, nicht um dort eine Art beruflicher Schulung zu empfangen, sondern um sich dort miteinander auf ihre christliche Verantwortung zu besinnen und im wechselseitigen Austausch ihren Beitrag zu einer christlichen Gestaltung unseres persönlichen und unseres gemeinschaftlichen Lebens zu leisten. Endlich würde ein solches Haus die rechte Heimstätte für ökumenische Treffen und Aussprachen darbieten, als der rechte Rahmen für den lebendigen persönlichen, kirchlichen und theologischen Austausch zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen, in dem wir Berneuchener eine besondere Mitverantwortung zu haben glauben. Wir haben von viel geleisteter Arbeit zu berichten, mehr noch von Aufgaben, die vor uns liegen. Wir haben sie uns nicht leichtfertig gesucht oder eigenmächtig an uns gerissen; es sind Aufgaben, die wir als dringende Notwendigkeiten für den Zukunftsweg der Kirche, für den Dienst an den Menschen unserer Tage erkennen, und zu denen wir uns gerufen wissen. Daß für die Fülle dieser Aufgaben keiner von uns wirklich frei ist, daß wir alles neben unserer täglichen Berufsarbeit tun müssen, lastet oft schwer auf uns; aber nie hat uns die Gewißheit verlassen, daß wir auf einem rechten und notwendigen Wege sind, und zu dem, was notwendig ist, wird Gott auch Kraft und Gelingen schenken. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1937, S. 28-35 |
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