Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1938
Jahrgänge
Autoren
Suchen

Erschienen ist der herrlich Tag
von Walter Tappolet

Erschienen ist der herrlich Tag

Die alte Schlang, die Sünd und Tod,
Die Höll, all Jammer, Angst und Not,
Hat überwunden Jesus Christ,
Der heut vom Tod erstanden ist.
Halleluja.

Am Sabbath früh mit Spezerei
Kamen zum Grab Marien drei,
Daß sie salbten Marien Sohn,
Der vom Tod war erstanden schon.
Halleluja.

„Wen sucht ihr da?” der Engel sprach,
„Christ ist erstanden, die hie lag:
Hier seht ihr sein Schweißtüchelein,
Geht hin, sagts bald den Jüngern sein.”
Halleluja.

Der Jünger Furcht und Herzeleid
Heut wird verkehrt in eitel Freud:
Sobald sie nur den Herren sahn,
Verschwand ihr Trauern, Furcht und Zag'n.
Halleluja.

Der Herr hielt sehr ein freundlich Gspräch
Mit zweien Jüngern auf dem Weg;
Vor Freud das Herz im Leib ihn brannt,
Im Brotbrechen er wurd erkannt.
Halleluja.

Unser Simson, der treue Held,
Christus, den starken Löwen fällt.
Der Höllen Pforten er hinträgt,
Dem Teufel all sein Gwalt er legt.
Halleluja.

Jonas im Walfisch war drei Tag,
So lang Christus im Grab auch lag,
Denn länger ihn der Tod kein Stund
In seinm Nachen behalten konnt!
Halleluja.

Sein'n Raub der Tod mußt' geben her,
Das Leben siegt und ward ihm Herr.
Zerstöret ist nun all sein Macht,
Christ hat das Leben wiederbracht.
Halleluja.

Heut gehn wir aus Agyptenland,
Aus Pharaonis Dienst und Band,
Und das recht Osterlämmelein
Wir essen heut im Brot und Wein.
Halleluja.
Auch essen wir die süßen Brot,
Die Moses Gottes Volk gebot;
Kein Sauerteig soll bei uns sein,
Daß wir leben von Sünden rein.
Halleluja.

Der schlagend Eng'l vorübergeht,
Kein Erstgeburt er bei uns schlägt:
Unser Türschwell'n hat Christi Blut
Bestrichen, das hält uns in Hut.
Halleluja.

Die Sonn, die Erd, all Kreatur,
Alls, was betrübet war zuvor,
Das freut sich heut an diesem Tag,
Da der Welt Fürst darniederlag.
Halleluja.

Drum wir auch billig fröhlich sein,
Singen das Halleluja fein,
Und loben dich, Herr Jesu Christ,
Zu Trost du uns erstanden bist.
Halleluja.
LeerEs gibt kaum alte Osterlieder ohne das jubelnde Halleluja; in vielen Gesängen wird es sogar innerhalb ein und derselben Strophe gehäuft; dies kann so weit gehen, daß die Halleluja beinahe den halben Text jeder Strophe ausmachen wie im Liede „Erstanden ist der heilig Christ”. In der alten Kirche war das Feiern an Ostern auf diesen Grundklang des Halleluja gestimmt. Im Halleluja-Singen gipfelt aller Lobpreis der Gläubigen „in der Anwesenheit Gottes und Seiner Engel” (Calvin). Halleluja heißt „Lobet den Herrn”. Es ist vielsagend, daß es in der ganzen Liturgiegeschichte nie vorgekommen ist, daß man dieses Wort zu übersetzen gewagt hätte, wie etwa Kyrie eleison oder Amen. Eine sehr tiefsinnige Erklärung für diese auffallende Tatsache der Unantastbarkeit der Lautverbindung Halleluja geben die Kirchenväter; sie sagen, Halleluja sei ein Wort der Engelsprache und der Ausdruck des ewigen Lobgesanges der Engel vor dem Thron des Allerhöchsten.

LeerWem dies zuteil geworden ist, daß er wie die alte Kirche, eine ganze Woche lang hat Ostern feiern und in der Gemeinde Christi in den Jubelton des österlichen Halleluja hat mit einstimmen dürfen, der versteht über das Seltsame hinweg den wahren und tiefen Sinn jenes alten Brauches, am Sonntag Septuagesimae, dem ersten Sonntag der Fastenzeit, an welchem das Halleluja verstummen muß, schwarze Täfelchen, auf denen Halleluja steht, in feierlicher Prozession voranzutragen und unter Klagegesängen auf dem Gottesacker zu begraben. Noch ergreifender ist ein altfranzösischer Brauch, nach welchem die Tafeln Gipsfiguren umgehängt und diese „Halleluja-Männer” von der Empore in das Kirchenschiff herabgestürzt werden, als entsprechender Ausdruck für das große Unglück, daß nun eine Zeit lang nicht mehr Halleluja gesungen werden darf! Denn in den alten Liturgien erklingt das österliche Halleluja an allen Sonntagen zur Erinnerung an den einen Sonntag, an dem Christus die Macht des Todes bezwungen hat. Die Kirche des Ostens hat diese innere Verknüpfung des Sonntages mit Ostern bewahrt und da dort das Ostergeschehen der tragende Grundpfeiler des ganzen Glaubenslebens ist, sagt die russische Sprache für „Sonntag” kurzerhand „Auferstehung”. In einem Gebet der Zürcher Agende ist ein Nachklang dieser früheren Verbindung von Ostern mit allen Sonntagen des Jahres erhalten: „... Dieser Tag ist dein Tag; da bist du auferstanden und hast dich den Deinen geoffenbart...”

LeerDie Osterlieder holen nach, daß in der Fastenzeit das Halleluja verstummen muß. Das Halleluja ist der Grundklang aller Lieder der Osterzeit. Das Frohlocken über den Sieg des Herren Christus und der dankende Lobpreis des Höchsten sind darin vereint.

Linie

LeerKann man sich etwas Überwältigenderes vorstellen als die Erscheinung des Auferstandenen vor den Frauen und den Jüngern? Jesus, ihr Meister, „welcher war ein Prophet, mächtig von Taten und Worten vor Gott und den Menschen”, „haben die Hohenpriester und Obersten überantwortet zur Verdammnis des Todes und gekreuzigt”. „Des lebendigen Gottes Sohn” war in die tiefste Schmach gegeben worden, und alle Mächte der Finsternis hatten am Karfreitag über ihn „gesiegt”. War das nun das Ende dessen, von dem sie hofften, „er solle Israel erlösen”? In diese trostlose Trauer hinein tritt der Auferstandene. „Sie erschraken aber und fürchteten sich, meineten, sie sähen einen Geist”. Sie erkannten ihn als wirklich gegenwärtig dadurch, daß er die von ihnen gereichte Speise zu sich nahm. Die Ostergeschichten sind Geschichten sakramentaler Speisung. „Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen”. Und als er sie in Bethanien gesegnet hatte, „beteten sie ihn an und kehreten wieder gen Jerusalem mit großer Freude; und waren allewege im Tempel, priesen und lobeten Gott”.

Linie

LeerWenn wir unsern Herrn und Heiland Jesus Christus auf seinem Leidensweg begleiten, dann ist für uns das Ostergeschehen nicht weniger wunderbar wie für die ersten Jünger und die Frauen um Jesus. So war es auch für die Dichter und Sänger der alten Osterlieder; ihr Jubel vermag kaum die richtigen Worte und Töne zu finden.

Leer„Ein new Geistlich Lied, von der frölichen ufferstehung unsers Heilands Jhesu Christi, für die Jungfrewlein in der Megdlein schul im Joachimsthal”, nennt Nikolaus Herman (um 1480-1561), der Joachimsthaler Kantor das oben abgedruckte Lied. Wie ein Siegesmarsch schreitet es wuchtig einher, von großer Kühnheit und Angriffslust gleich der Anfang der dorischen Weise, die auch von Herman stammt: das Klopfen des drei Mal wiederholten Grundtones und dann der unerwartete Sprung in die Quinte. Dem Text und der Weise kongenial ist der vierstimmige Satz (1) von Gotthard Erythraeus, 1608. Das Deutsche Evangelische Gesangbuch bringt das Lied in der üblichen Kürzung auf die wichtigsten Strophen 1, 2, 9, 13 und 14. Im Minden-Ravensberger Gesangbuch (1919) steht das ganze Lied; doch ist dort die Textfassung nicht einwandfrei.

Linie

LeerDie Auferstehung des Herrn ist der endgültige Sieg über alle Mächte der Finsternis und alle Gewalten des Widersachers. Über diesen Triumph kann unser Frohlocken nie zu Ende gehen.

LeerAuf die zwei ersten Strophen folgt eine kurze „Osterhistorie”, welche die Berichte der verschiedenen Evangelien verwertet. „Und da der Sabbath vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, des Jakobus Mutter und Salome Spezerei, auf daß sie kämen und salbeten ihn. Und sie kamen zum Grabe am ersten Tage der Woche sehr frühe, da die Sonn aufging”. So wie die Verkündigung der Geburt des Heilandes zuerst den Hirten und nicht den Mächtigen und Priestern zuteil wurde, so erfahren das Wunder der Auferstehung zuerst die Frauen, die ihrem Herrn gefolgt sind und in stummem Mitleiden ausgeharrt haben. Ihr Herzeleid macht sie nicht stumpf und träge; frühmorgens kommen sie, um dem Leichnam ihres Meisters die letzte Pflege angedeihen zu lassen.

LeerDas Grab gähnt öde Leere. „Da traten zu ihnen zween Männer mit glänzenden Kleidern”. In dem andern Bericht saß der eine Engel auf dem weggewälzten Stein; „und seine Gestalt war wie der Blitz, und sein Kleid weiß als der Schnee”. „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?” Jesus, der Christus, ist auferstanden. „Und das Schweißtuch, das Jesu um das Haupt gebunden war”, war „nicht zu den Leinen gelegt, sondern beiseite, zusammengewickelt” und an einem „besonderen Ort”.

Leer„Und sie gingen schnell heraus und flohen vor dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen ankommen; und sagten niemand nichts; denn sie fürchteten sich”. Wie die Hirten vor dem Strahlenglanz der Engel zusammenfuhren, so erschraken die Frauen über der Engel Kunde. Wo die Welt Gottes unverhüllt in unsern Lebensbereich einbricht, da gibt es „Furcht Zittern”, und zwar gerade in der Haltung des Gläubigen, des offen Empfangenden. Auch bei den Jüngern war die Furcht das erste. Sobald sie aber „den Herrn sahen”, ihn nicht nur, nachdem „ihre Augen geöffnet worden waren”, in der Wirklichkeit des Gegenwärtigseins erkannten, sondern in seine Gemeinschaft traten, da durchströmte sie eine Freude, wie sie sie nie zuvor gekannt hatten.

LeerEs folgen nun die Strophen, die Parallelen zum alten Testament aufzeigen. Wie der junge Simson den brüllenden Löwen „bei den Weinbergen zu Thimnath” zerrissen hat, so hat Christus den Teufel und sein Höllenreich überwältigt.

LeerDaß Christus am dritten Tag auferstand, ist die Erfüllung seiner Antwort an die Pharisäer: „Die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen; und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleich wie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein”.

LeerDer Tod hatte sich unrechtmäßig des Christus bemächtigt. Der Sohn Gottes, das wahre Leben, zerschlägt die Gewalt des Todes. Dir sei Dank, o Christe, der du uns das Leben gebracht hast!

Linie

LeerSo wie die Israeliten das Passahmahl halten zur Erinnerung daran, daß der Herr sie aus Ägypten, „aus dem Diensthause” geführt hat in die Freiheit des Landes, „da Milch und Honig fließt”, so ist uns im Heiligen Mahle Erlösung und Gemeinschaft geschenkt, kraft der Auferstehung Jesu Christi. „Also gedenken wir, o Gott, und Deine ganze Kirche / des segensvollen Leidens und Sterbens Deines lieben Sohnes / Jesu Christi, unseres Herrn / und bekennen Seine sieghafte Auferstehung von den Toten / und Seine Auffahrt zu Deiner Rechten / bis daß Er kommt. Christum verkündigen wir als ein reines, heiliges, unbeflecktes Opfer / als das heilige Brot des ewigen Lebens / als den Kelch unseres immerwährenden Heils / mit Ihm loben wir Dich, Vater im Himmel / in Ihm rühmen wir Dich / durch Ihn beten wir Dich an. Halleluja.”

Leer„Kein Sauerteig soll bei uns sein, daß wir leben von Sünden rein”. Ich glaube, wir dürfen diese Stelle wie auch Gottes Gebot an das Volk Israel vor dem Auszug als Fastenanweisung verstehen. Früher hatte auch die evangelische Kirche Wissen und Erfahrung darüber, daß die Reinigung des Leibes (Vermeiden von gesäuertem Brot, d. h. von Speisen, die Elemente der Gärung enthalten) eine Zubereitung sein kann für das tiefere Erfassen geistlichen Geschehens.

LeerDer Herr hatte durch Mose und Aaron dem Volk Israel geboten, mit dem Blut des Lammes die Türpfosten und die Schwelle der Häuser zu bestreichen, damit der Würgengel, der um Mitternacht das Gottesgericht an „aller Erstgeburt in Ägyptenland von dem ersten Sohn Pharaos an, bis auf den ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis und aller Erstgeburt des Viehs” zu vollziehen hatte, die Häuser der Israeliten zu verschonen wisse. Christi Blut ist es, das kraft des Sieges über den Tod in der Auferstehung uns behütet, nicht vor dem Gericht, aber vor der Verdammnis.

LeerAls der Auserwählte Gottes, der einzige, der von keiner Sünde wußte, die Schmach des bittersten Todes erleiden mußte, da verdunkelte sich die Sonne, die Erde erbebte und die Felsen zerrissen; der ganze Kosmos leidet die Qualen und den Tod des Erlösers mit. Heute aber, am Ostertag, freut sich auch der ganze Kosmos mit über den Sieg Christi über das Reich des Widersachers, des „Fürsten der Welt”. Das ist echt biblisch, auch wenn man es in der Kirche lange vergessen hatte, daß nicht nur die Menschheit, sondern die ganze Schöpfung auf Christus hin angelegt ist und in ihm ihre Erlösung und ihre Erfüllung, ihre letzte Sinngebung findet. Diese „Naturstrophe” ist nicht zu verwechseln mit den Naturschilderungen in den „Osterchorälen” der Aufklärung, die Ostern umdeuten in ein Fest völlig begreifbaren Naturerwachens und allgemeiner Verjüngung.

LeerSollten da nicht auch wir fröhlich sein und in tiefster Dankbarkeit einstimmen in den ewigen Lobgesang aller Kreaturen, denen im Glauben das neue Leben geschenkt ist durch das Leiden, den Tod und die sieghafte Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi?

(1): „Christ ist erstanden”, Bärenreiter-Ausgabe 136

Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 85-90

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-24
Haftungsausschluss
TOP