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von Walter Tappolet |
Die alte Schlang, die Sünd und Tod,Es gibt kaum alte Osterlieder ohne das jubelnde Halleluja; in vielen Gesängen wird es sogar innerhalb ein und derselben Strophe gehäuft; dies kann so weit gehen, daß die Halleluja beinahe den halben Text jeder Strophe ausmachen wie im Liede „Erstanden ist der heilig Christ”. In der alten Kirche war das Feiern an Ostern auf diesen Grundklang des Halleluja gestimmt. Im Halleluja-Singen gipfelt aller Lobpreis der Gläubigen „in der Anwesenheit Gottes und Seiner Engel” (Calvin). Halleluja heißt „Lobet den Herrn”. Es ist vielsagend, daß es in der ganzen Liturgiegeschichte nie vorgekommen ist, daß man dieses Wort zu übersetzen gewagt hätte, wie etwa Kyrie eleison oder Amen. Eine sehr tiefsinnige Erklärung für diese auffallende Tatsache der Unantastbarkeit der Lautverbindung Halleluja geben die Kirchenväter; sie sagen, Halleluja sei ein Wort der Engelsprache und der Ausdruck des ewigen Lobgesanges der Engel vor dem Thron des Allerhöchsten. Wem dies zuteil geworden ist, daß er wie die alte Kirche, eine ganze Woche lang hat Ostern feiern und in der Gemeinde Christi in den Jubelton des österlichen Halleluja hat mit einstimmen dürfen, der versteht über das Seltsame hinweg den wahren und tiefen Sinn jenes alten Brauches, am Sonntag Septuagesimae, dem ersten Sonntag der Fastenzeit, an welchem das Halleluja verstummen muß, schwarze Täfelchen, auf denen Halleluja steht, in feierlicher Prozession voranzutragen und unter Klagegesängen auf dem Gottesacker zu begraben. Noch ergreifender ist ein altfranzösischer Brauch, nach welchem die Tafeln Gipsfiguren umgehängt und diese „Halleluja-Männer” von der Empore in das Kirchenschiff herabgestürzt werden, als entsprechender Ausdruck für das große Unglück, daß nun eine Zeit lang nicht mehr Halleluja gesungen werden darf! Denn in den alten Liturgien erklingt das österliche Halleluja an allen Sonntagen zur Erinnerung an den einen Sonntag, an dem Christus die Macht des Todes bezwungen hat. Die Kirche des Ostens hat diese innere Verknüpfung des Sonntages mit Ostern bewahrt und da dort das Ostergeschehen der tragende Grundpfeiler des ganzen Glaubenslebens ist, sagt die russische Sprache für „Sonntag” kurzerhand „Auferstehung”. In einem Gebet der Zürcher Agende ist ein Nachklang dieser früheren Verbindung von Ostern mit allen Sonntagen des Jahres erhalten: „... Dieser Tag ist dein Tag; da bist du auferstanden und hast dich den Deinen geoffenbart...” Die Osterlieder holen nach, daß in der Fastenzeit das Halleluja verstummen muß. Das Halleluja ist der Grundklang aller Lieder der Osterzeit. Das Frohlocken über den Sieg des Herren Christus und der dankende Lobpreis des Höchsten sind darin vereint. „Ein new Geistlich Lied, von der frölichen ufferstehung unsers Heilands Jhesu Christi, für die Jungfrewlein in der Megdlein schul im Joachimsthal”, nennt Nikolaus Herman (um 1480-1561), der Joachimsthaler Kantor das oben abgedruckte Lied. Wie ein Siegesmarsch schreitet es wuchtig einher, von großer Kühnheit und Angriffslust gleich der Anfang der dorischen Weise, die auch von Herman stammt: das Klopfen des drei Mal wiederholten Grundtones und dann der unerwartete Sprung in die Quinte. Dem Text und der Weise kongenial ist der vierstimmige Satz (1) von Gotthard Erythraeus, 1608. Das Deutsche Evangelische Gesangbuch bringt das Lied in der üblichen Kürzung auf die wichtigsten Strophen 1, 2, 9, 13 und 14. Im Minden-Ravensberger Gesangbuch (1919) steht das ganze Lied; doch ist dort die Textfassung nicht einwandfrei. Auf die zwei ersten Strophen folgt eine kurze „Osterhistorie”, welche die Berichte der verschiedenen Evangelien verwertet. „Und da der Sabbath vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, des Jakobus Mutter und Salome Spezerei, auf daß sie kämen und salbeten ihn. Und sie kamen zum Grabe am ersten Tage der Woche sehr frühe, da die Sonn aufging”. So wie die Verkündigung der Geburt des Heilandes zuerst den Hirten und nicht den Mächtigen und Priestern zuteil wurde, so erfahren das Wunder der Auferstehung zuerst die Frauen, die ihrem Herrn gefolgt sind und in stummem Mitleiden ausgeharrt haben. Ihr Herzeleid macht sie nicht stumpf und träge; frühmorgens kommen sie, um dem Leichnam ihres Meisters die letzte Pflege angedeihen zu lassen. Das Grab gähnt öde Leere. „Da traten zu ihnen zween Männer mit glänzenden Kleidern”. In dem andern Bericht saß der eine Engel auf dem weggewälzten Stein; „und seine Gestalt war wie der Blitz, und sein Kleid weiß als der Schnee”. „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?” Jesus, der Christus, ist auferstanden. „Und das Schweißtuch, das Jesu um das Haupt gebunden war”, war „nicht zu den Leinen gelegt, sondern beiseite, zusammengewickelt” und an einem „besonderen Ort”. „Und sie gingen schnell heraus und flohen vor dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen ankommen; und sagten niemand nichts; denn sie fürchteten sich”. Wie die Hirten vor dem Strahlenglanz der Engel zusammenfuhren, so erschraken die Frauen über der Engel Kunde. Wo die Welt Gottes unverhüllt in unsern Lebensbereich einbricht, da gibt es „Furcht Zittern”, und zwar gerade in der Haltung des Gläubigen, des offen Empfangenden. Auch bei den Jüngern war die Furcht das erste. Sobald sie aber „den Herrn sahen”, ihn nicht nur, nachdem „ihre Augen geöffnet worden waren”, in der Wirklichkeit des Gegenwärtigseins erkannten, sondern in seine Gemeinschaft traten, da durchströmte sie eine Freude, wie sie sie nie zuvor gekannt hatten. Es folgen nun die Strophen, die Parallelen zum alten Testament aufzeigen. Wie der junge Simson den brüllenden Löwen „bei den Weinbergen zu Thimnath” zerrissen hat, so hat Christus den Teufel und sein Höllenreich überwältigt. Daß Christus am dritten Tag auferstand, ist die Erfüllung seiner Antwort an die Pharisäer: „Die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen; und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleich wie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein”. Der Tod hatte sich unrechtmäßig des Christus bemächtigt. Der Sohn Gottes, das wahre Leben, zerschlägt die Gewalt des Todes. Dir sei Dank, o Christe, der du uns das Leben gebracht hast! „Kein Sauerteig soll bei uns sein, daß wir leben von Sünden rein”. Ich glaube, wir dürfen diese Stelle wie auch Gottes Gebot an das Volk Israel vor dem Auszug als Fastenanweisung verstehen. Früher hatte auch die evangelische Kirche Wissen und Erfahrung darüber, daß die Reinigung des Leibes (Vermeiden von gesäuertem Brot, d. h. von Speisen, die Elemente der Gärung enthalten) eine Zubereitung sein kann für das tiefere Erfassen geistlichen Geschehens. Der Herr hatte durch Mose und Aaron dem Volk Israel geboten, mit dem Blut des Lammes die Türpfosten und die Schwelle der Häuser zu bestreichen, damit der Würgengel, der um Mitternacht das Gottesgericht an „aller Erstgeburt in Ägyptenland von dem ersten Sohn Pharaos an, bis auf den ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis und aller Erstgeburt des Viehs” zu vollziehen hatte, die Häuser der Israeliten zu verschonen wisse. Christi Blut ist es, das kraft des Sieges über den Tod in der Auferstehung uns behütet, nicht vor dem Gericht, aber vor der Verdammnis. Als der Auserwählte Gottes, der einzige, der von keiner Sünde wußte, die Schmach des bittersten Todes erleiden mußte, da verdunkelte sich die Sonne, die Erde erbebte und die Felsen zerrissen; der ganze Kosmos leidet die Qualen und den Tod des Erlösers mit. Heute aber, am Ostertag, freut sich auch der ganze Kosmos mit über den Sieg Christi über das Reich des Widersachers, des „Fürsten der Welt”. Das ist echt biblisch, auch wenn man es in der Kirche lange vergessen hatte, daß nicht nur die Menschheit, sondern die ganze Schöpfung auf Christus hin angelegt ist und in ihm ihre Erlösung und ihre Erfüllung, ihre letzte Sinngebung findet. Diese „Naturstrophe” ist nicht zu verwechseln mit den Naturschilderungen in den „Osterchorälen” der Aufklärung, die Ostern umdeuten in ein Fest völlig begreifbaren Naturerwachens und allgemeiner Verjüngung. Sollten da nicht auch wir fröhlich sein und in tiefster Dankbarkeit einstimmen in den ewigen Lobgesang aller Kreaturen, denen im Glauben das neue Leben geschenkt ist durch das Leiden, den Tod und die sieghafte Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi? (1): „Christ ist erstanden”, Bärenreiter-Ausgabe 136 Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 85-90 |
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