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Dreifaltigkeit
von Bernhard Martin

LeerÜber das Verhältnis des göttlichen Sohnes zum göttlichen Vater und zum göttlichen Geiste sind im Verlaufe der christlichen Geschichte so viele Lehren ausgestellt worden, daß ihre genaue Kenntnis einer Kenntnis der Geschichte des Christentumes selbst nahekommt. Man kann jedoch den Eindruck haben, daß das Lehrgut und das Wesen (oder die Wesen), dem es gilt, nicht voll und schlicht übereinstimmen, daß suchende menschliche Bemühung für ein Unfaßliches, Unausdrückbares nach Fassung und Ausdruck gesucht hat, daß die Dreifaltigkeit selbst nicht in die Fassungen und Ausdrücke eingegangen ist.

LeerChristus selbst hat gesagt: „Ich und der Vater sind Eins” und „Wer mich sieht, der sieht den Vater” . Andererseits hat er sich dem Vater untergeordnet, hat den Vater angeredet, zu ihm gebetet und ausgesprochen: „Der Vater ist größer als ich.” „Ich gehe hin zu dem, der mich gesandt hat.” „Es ist euch gut, daß ich hingehe, denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden.” „Der Tröster, der heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.”

LeerEs läßt sich verstehen, daß so viel menschlicher Scharfsinn aufgewendet worden ist, um über die göttlichen Wesensgründe Eindeutiges und Verständliches auszusagen. Auch kann man eine Ahnung über das Verhältnis von Vater, Sohn und Geist besitzen und trotzdem oder sogar deswegen bezweifeln, daß sich durch das Menschenwort Gültiges, Treffendes, Anschauliches darüber aussagen lasse. Zwar ist Christus das „Wort” . Das menschliche Wort aber ist, wie alles Menschliche, beschränkt. Wie über Vieles aus dem göttlichen Bereich, so läßt sich auch über die Dreifaltigkeit nur im Bild und Gleichnis reden: Manches vermag die bildende Kunst auszusagen, was niemals in die menschliche Rede eingehen könnte...

LeerDreifaltigkeitIm Dom zu Fritzlar befindet sich eine plastische Darstellung der Dreifaltigkeit, an der man mehr lernen und von deren Anblick man mehr haben kann als von unzähligen Gedanken oder Gedichten, die aus fleißiger Bemühung oder auch inniger Hingabe zum Ruhme des Vaters, des Sohnes und des Geistes entstanden sind. Man sieht auf kaum bemerklichem Throne Gott-Vater sitzen. Er ist mit einem schlichten, faltenwerfenden Gewande angetan, hat das Haupt leicht nach rechts geneigt, trägt den kreisrunden, kreuzgeschmückten Heiligenschein und hält in beiden, etwas über Knie-Höhe ausgebreiteten Händen die Querbalken des Kreuzes Christi.

LeerDas Kreuz selbst, an das Christus geheftet ist, wächst von unten, zwischen den Füßen des Vaters beginnend, empor und ragt bis zum Herzen Gottes hinan. „INRI” ist nicht bloß die Ausschrift auf dem Christuskreuz, sondern zugleich Aufschrift auf der Brust des Vaters. Auch Christus, dessen Haupt ebenfalls nach rechts geneigt ist, trägt den kreuzgezeichneten Heiligenschein. Aber während der Vater mild in den Raum hinausschaut, sind die Augen des Erlösers geschlossen. Sodann sitzt auf dem rechten Kreuzesbalken (von der Gottheit aus rechts) eine große Taube als Bild des göttlichen Geistes, und auch an ihr bemerkt man den Heiligenschein mit Kreuz.

LeerEs ist nun tatsächlich mit Worten gar nicht zu erschöpfen, was in diesem Kunstwerk mit seinen verhältnismäßig doch wenigen Zügen sich ausspricht. Nur Andeutungen lassen sich darüber machen:

LeerDas Kreuz steht im Mittelpunkt des Werkes. Sein Querbalken ist in der halben Höhe des Ganzen. Aber der Leib Christi wie auch die Gestalt der Taube treten vor der Majestät des Vaters zurück.

LeerDieser hält den Kreuzesbalken, hält die Hände des Sohnes. Dies ist von ebenso rührender wie erhabener Eindringlichkeit. Diese Hände, die in keinem Lehrsatz über die Dreifaltigkeit je vorgekommen sind, hat Christus angerufen: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.” Diese Hände halten alle Kreuze auf Erden, nicht nur jenes eine, einzige, größte.

LeerDie drei göttlichen „Personen” tragen alle drei den nämlichen kreuzgeschmückten Heiligenschein, der eigentlich und ursprünglich Christus allein zusteht und ihm meistens auch allein beigegeben wird. Auch so wird etwas über die „Dreifaltigkeit” ausgesagt.

LeerSicherlich nicht unbedacht oder zufällig befindet sich die Taube auf der rechten Seite. Man denke sie sich links, und das ganze Bild würde anders wirken. Ein Tätiges, Kräftiges, Wirkendes kündigt sich auf diese Art an.

LeerUnd das Größenverhältnis von Vater und Sohn, Sohn und Geist, Geist und Vater!
„Dem sinne nach, und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir - das Leben!”
LeerDaß auch der Vater einen Menschenleib hat wie der Sohn! Daß er mit offnem Auge hinausschaut! Daß er dem Sohne ähnlich ist! Es ist überhaupt „dasselbe” Gesicht, das wir an dem Gekreuzigten und an dem Vater gewahren, das eine mal wie tot mit geschlossenen Augen, das andere mal mit unbeschreiblicher Güte blickend. „Wer mich sieht, der sieht den Vater” ... Man könnte geradezu, wüßte man nichts von der Dreifaltigkeit, der Meinung fein, Christus selbst halte das Kreuz, an dem er hängt: „Ich und der Vater sind Eins” .

LeerDas ganze Werk gipfelt in dem Haupt des christusgleichen, göttlichen Vaters. Ob man nun die sanfte Neigung seines Hauptes mit der stärkeren des Sohnes vergleicht oder sich in die kräftige Wachheit seines milden Blickes vertieft, der Sprache der riesigen Rundung über dem Haupte nachgeht oder dem Zeichen auf seiner Stirn, man wird auf alle Fälle in den Bannkreis des Erhabenen geladen. Und von da aus steigt man ab, der Mantel-Linie folgend zu den Händen, zu dem Kreuz, zu Christus, zum Geist und wieder zurück zum Vater. Sie sind ja wirklich eine Einheit wie der menschliche Leib, das menschliche Wort und der menschliche Gedanke, von denen man auch keinen fortdenken kann ohne die andern mit fortzudenken.

LeerUnd wie im Menschen Leib, Wort und Gedanke miteinander und durcheinander leben, so auch hier. Wie sollte es anders sein? Und obwohl aus einem vollkommenen Kunstwerk keine Einzelheiten herausgegriffen und besonders „gelobt” werden sollen, möchte man im Hinblick der Fritzlarer Dreifaltigkeit doch dieses als ihr Herrlichstes ansprechen, daß sie die „Gleichheit” und „Verschiedenheit” zwischen Christus und dem Vater auf die einfachste, aber mit nichts zu übertreffende Art zur Darstellung bringt.
O hochwürdige Dreifaltigkeit!
O ehrwürdige Einigkeit! - -
Durch dich sind wir geschaffen,
Vater der Ewigkeit! - -
Durch dich sind wir erlöset,
Christ unser Seligkeit! - -
Schütz alle Christen, o heiliger Geist,
stärk unsern Glauben, rein'ge uns zu aller Zeit! - -
Wir rufen dich an in aller Not,
Lob Ehr und Preis sei dir gesagt, du höchster Gott,
von nun an bis in Ewigkeit.
Alleluja!
Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 131-133

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-04
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