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von Walter Tappolet |
2. Sie glänzen hell und leuchten klarWenn wir im Neuen Testament die Seiten aufschlagen, in denen von Engeln die Rede ist, dann sind es fast immer Berichte von Jesus. Die Geburt des Heilandes ist es, die den Himmel aufruft, Engel zu den Hirten auf dem Felde auszusenden. Nachdem Jesus der dreifachen Versuchung des Satans widerstanden hat, „traten die Engel zu Ihm und dieneten Ihm”. Am Ostermorgen „geschah ein groß Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Tür und setzte sich drauf”. „Und da Er solches gesagt, ward Er aufgehoben zusehends, und eine Wolke nahm Ihn auf vor ihren Augen weg. Und als sie Ihm nachsahen gen Himmel fahrend, siehe, da stunden bei ihnen zween Männer in weißen Kleidern. ..” Die Engel gehören zu unserem Herrn Christus als Seine Diener und Boten. Aber sie gehören auch zu uns. Bei den Kirchenvätern findet sich die Anschauung, daß bei der Taufe Engel zugegen sind, und daß der Täufling im Moment der Taufhandlung seinen Schutzengel erhält. Der gläubige Mensch erfahrt nicht nur immer wieder die Nähe und den Beistand seines Schutzengels, er kann auch die Sendung eines Engels zum Schutze derer, die ihm anvertraut sind, und zu seiner eigenen Bewahrung erbitten. Und auch diesem Gebet gilt die Verheißung: „Bittet, so wird euch gegeben”. In des Kirchenvaters Origenes Schrift „Gegen Celsus” lesen wir folgendes: „Sollten wir uns eine Vielzahl solcher Wesen wünschen, deren edle Güte wir an uns erfahren möchten, so ist uns bekannt, daß ‚tausendmal tausend neben Ihm standen und zehntausendmal zehntausend Ihm dienten’. Wer ihre Frömmigkeit gegen Gott nachzuahmen sich bemüht, den betrachten sie als ihren Verwandten und Freund. Wer Gott anruft und in rechter Weise zu Ihm betet, um dessen Heil sind sie besorgt. Solchen sind sie nahe und wollen ihnen helfen und wie nach einer Verabredung zu ihnen kommen, auf daß sie Gutes erweisen und Heil bringen denen, die zu Gott beten, zu dem auch sie beten. Denn ‚sie sind alle dienende Geister, ausgesandt zum Dienst an denen, die das Heil erben sollen’”. Laßt uns nicht nur am Michaelistag die „Engellieder” singen, sondern allezeit! Denn neben dem Beten ist das Singen der Gehilfe unseres Glaubens. Uns, die wir so wenig mehr wissen von den Dingen des Glaubens, ist doch so vieles schon zugekommen aus den frommen Liedern der Väter! Gewiß wird auch durch das Singen dieser Lieder unser Ahnen und Wissen um die heiligen Diener und Boten des Allmächtigen und um ihre Gegenwart und Anwesenheit auf unserer Erde vertieft werden. Diese Lieder lassen uns auch spüren, daß wir deshalb den Allerhöchsten mit unserem Singen preisen dürfen, weil die Engel unseren armseligen Gesang aufnehmen und ihn in ihren ewigen Lobpreis einmünden lassen. Denn die Engel sind vornehmlich da zugegen, wo wir in der Erfüllung unseres eigentlichsten Berufes stehen, nämlich im Dienst des Lobpreises unseres Schöpfers. Nochmals möchten wir Origenes zitieren, diesmal aus der Schrift „Vom Gebet”: „Nur natürlich ist es, wenn viele in rechter Weise zum Lobe Christi zusammenkommen, ‚der Engel’ eines jeden ‚dem nahe sein wird, der den Herrn fürchtet’, zur Seite des Menschen, dessen Schutz und Sorge ihm anvertraut ist. Also entsteht bei den versammelten Frommen eine doppelte Gemeinde: die der Menschen und die der Engel. Wenn Raphael schon zu dem einen Tobias sagt, er habe sein und auch der Sara Gebet zum Gedächtnis vor Gott hingetragen, was dürfen wir dann erwarten, wenn eine größere Vielheit ‚in demselben Sinne und in derselben Überzeugung’ zusammenkommt und ‚einen Leib in Christus’ bildet?” Den Text des vorliegenden Liedes „von den heiligen Engeln” hat Paul Eber nach einem lateinischen Lied des Melanchthon gedichtet. Eber wurde 1511 in Kitzingen in Unterfranken geboren, war Schüler und Freund Melanchthons und wirkte als Professor, dann als Stadtpfarrer und Generalsuperintendent in Wittenberg, wo er im Jahre 1569 starb. Von ihm stammen auch die Lieder „Wenn wir in höchsten Nöten sein” und „Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott”. Der Text wurde auf die Melodie zu „Christum wir sollen loben schon” (siehe Weihnachtsbrief 1937) gedichtet. Jetzt wird das Lied gesungen mit der Melodie zum 134. Psalm des Hugenottenpsalters; rhythmisch fehlen in dieser Fassung (Lieder für das Jahr der Kirche) die für die Psalmmelodien so charakteristischen Pausen nach fast jeder Verszeile. Sie ist 1551 in Genf entstanden. In der berühmten Edition Jaqui (Genf 1565) steht sie im Tenor des Goudimelschen Satzes. Diese Weise vereinigt in der unnachahmlichen Selbstverständlichkeit der guten Volksliedmelodie Einfachheit mit Würde und Heiterkeit mit Ernst. Es ist eine schlichte Weise in F-dur. ”Sie (die Engel) gehören zu Gott und Christus und zu dem Heiligen Geist, aber sie gehören auch zu uns. Für uns bedeuten sie eine Möglichkeit unseres Seins, eine Steigerung und Intensivierung unseres Seins - doch niemals die Möglichkeit eines neuen, eines anderen Glaubens. Sie belehren uns über dunkle Tiefen unserer Existenz, in denen es Bewegung und Bewegtheit gibt, die von uns selber vielleicht unabhängig ist, die von uns selber vielleicht niemals als solche erkannt oder gar als Bewegung auf das Engelhafte hin gesehen wird. Eine Bewegung, die vielleicht eben noch als ein Drang zur Reinheit des Herzens empfunden wird, die vielleicht eben noch als Leidenschaft nach Geistesklarheit und einer wahrhaftigen Existenz zum Bewußtsein kommt. Es gibt viele Wege, auf denen der Mensch zum Engel eilt, nicht, als ob er sich eigentlich vornähme, zum Engel zu werden, sondern weil das Sein, das er lebt, nur ein vorläufiges Sein ist und weil noch nicht erschienen ist, was wir sind. Und wenn wir nicht zum Engel eilen, der vor Gott steht, dann eilen wir sicherlich zu jenem Engel, der sich von Gott abgewandt hat, dann nähern wir uns dem Dämon. Denn der Mensch existiert immer nur so, daß er über sich selber hinausgeht und sich somit dem Engel oder dem Dämon nähert. Dieser Mensch, der über sich hinausgeht, weil er nur in dem Übersichhinausgehen da ist, vermag zu steigen und zu steigen, nicht in einem moralischen, sondern in einem metaphysischen Sinne, bis er zum Genossen der Engel und Erzengel wird, bis er zu jener Grenze gelangt, an der auch Cherubim und Seraphim stehen. Dort, wo ihm Halt geboten ist von einer Grenze, die er nicht selber gezogen und die auch kein Erzengel gezogen hat, dort fängt er an, mit den Sphären zu tönen und mit den Erzengeln zu singen”. Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 158-161 |
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