|
von Wilhelm Stählin |
Wir haben den Namen des „Berneuchener Kreises” geändert und reden künftig, wenn wir von uns selber, unserer Arbeit und unserer Aufgabe sprechen, vom „Berneuchener Dienst”. Diese Namensänderung macht sichtbar, welchen Weg wir geführt worden sind und in welcher Richtung wir weiter gehen wollen. Der „Kreis” ist eine in sich selbst geschlossene Gestalt; er grenzt ein Außen und ein Innen von einander ab und schaut mehr nach innen als nach außen. Gewiß bedarf alles Leben, auch alles geistliche Leben, der bergenden Hülle, der Form und der Grenze. Aber wir wollen nicht eine abgesonderte eigene Gestalt innerhalb der Kirche sein; wir wollen nicht ein sich abschließender „Kreis” von Einzelnen sein; sondern wir wollen auch mit dem Besonderen, was uns geschenkt und anvertraut ist, der Kirche, deren Glieder wir sind, einen Dienst leisten und haben den dringenden Wunsch, daß dieser „Berneuchener Dienst” sich in der Gesamtkirche als ein fruchtbarer Keim neuen, lebendigen Wachstums auswirken und bewähren möchte. An einem solchen „Dienst” teilzuhaben ist noch verpflichtender als zu einem „Kreis” zu gehören; nicht nur die verantwortlichen Träger der Arbeit, sondern jeder Einzelne, der aus dieser Arbeit Anregung, Hilfe, Erkenntnis und Erfahrung gewinnt, muß sich fragen, wie er das, was ihm geschenkt ist, bewähren und fruchtbar machen kann in seinem unmittelbaren Lebenskreis, in seiner Gemeinde, in der Kirche, in der er steht. Wir wollen dabei nicht vergessen, daß die ganze Kirche zu einem Dienst an der Welt berufen ist und daß heute sehr viel mehr Menschen, als wir zunächst wissen, nach solchem echtem kirchlichen Dienst fragen und verlangen. Unser Dienst gilt nicht nur unmittelbar der Kirche, sondern er gilt auch unserm Volk und allen Lebenskreisen und Lebensordnungen, in die uns Gott als ein „priesterliches Volk” gestellt hat. Bei alle dem wollen wir jene Wahrheit beherzigen, die in der Ordnung der Evangelischen Michaelsbruderschaft so ausgedrückt ist: Die Kirche kann das Wort der Entscheidung, das sie der Welt schuldet, nur sprechen, wenn sie den priesterlichen Dienst des Gebetes erfüllt.
„Ob es schwer oder nicht schwer ist, ein Christ zu sein, darüber ist schon viel nachgedacht worden. Die Überwindung der „gedanklichen Schwierigkeiten ist jedenfalls wohl geringer, als das Hindurchkämpfen durch Leid und Sünde, ... dessen Bleigewicht täglich uns im „Loben und Danken”, in der Erhebung des Hauptes hindern will. Aber die Verkündigung von Christus ist „Evangelium”, ist Frohbotschaft; wie oft vergessen wir das, wie wenig sieht man das an Gestalt und Gebärde; - ... vielleicht ist sogar in unserm Singen und Beten davon zu wenig zu hören... Ganz sicher muß auch das Kyrie eleison seinen Platz haben, aber ist nicht oft des Sündenbekennens zu viel gegenüber dem Lobpreis und der Freude? ... Mancher Vater empfindet doch, wie sehr ihm... die wichtigsten inneren Fragen der Kinder verloren gehen - und gar zu leicht fühlt er sich dadurch „entlastet”.... Zurückhaltung und Vertrauen sind notwendig.... Vielleicht bleibt uns nur die Möglichkeit, ganz leicht hin und wieder auf die tieferen Quellen, den Gottesodem, auch als Grenze und Gegensatz, hinzuweisen. Überall aber: ernst nehmen! Dann reißt das Band nicht und sie kommen wieder, nachdem sie sich einige Zeit auf eigene Rechnung versucht haben.... ... Für alle Entwicklungsstadien der Heranwachsenden aber wird dies von grundlegender Wichtigkeit sein, daß sie an der älteren Generation sieht, daß Gottesdienst sich von Bruderdienst nicht trennen läßt,...” „Möchte es doch an Lesern und Liebhabern, wie sie der „Parzival” und die „Göttliche Komödie” brauchen, niemals unter uns fehlen! Möchten uns doch, wenn wir schon in Gefahr stehen, unserer großen heiligen Tradition untreu zu werden, solche Werke gerade, in die man nicht ohne Sammlung ohne hingebende Treue und Aufmerksamkeit, ohne Andacht auch zum Kleinsten eindringen kann, wieder zu jenem - solchen Gegenständen allein angemessenen - ehrfürchtigen Stil meditativen Lesens erziehen, der bei unseren Ahnen über der täglichen Lektüre der Heiligen Schrift Brauch geworden war! Ja, wir wollen es einmal ungeschminkt aussprechen: Die Verlegenheit, die der heutige Deutsche (selbst der Gebildetste) gegenüber jedem großen Meisterwerk der Vergangenheit empfindet und die ihn am Eindringen in die Dichtung hindert, hat nicht zuletzt ihren Grund darin, daß wir aufgehört haben, ein bibellesendes Volk zu sein; denn der tägliche Umgang mit der Bibel (und daneben mit dem Gesangbuch) war es, der - nach keines Geringeren als Goethes Eingeständnis - die Lesekultur der Deutschen schuf. Seit wir gelernt haben, die Bibel, dies tiefste aller Bücher, gering zu schätzen, ja zu verachten, liegt ein Unsegen über all unserem Lesen, ist aus unserem Lesen (auch dem der profanen Bücher) buchstäblich die Andacht gewichen, ist es, als wenn ein böser Dämon uns mit Gewalt vom Herzen unserer Ahnen reißen wolle.” Evangelische Jahresbriefe 1938, S. 176-179 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-04-04 Haftungsausschluss |