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Diener an der Gestalt der Kirche - 1. Der Baumeister
von Walter Uhsadel

Leer„Sagen Sie mir noch eins”, so fragte mich vor einigen Jahren ein lutherischer Propst aus Dänemark nach einem langen Gespräche, in dem wir mit Freude die tiefe Übereinstimmung unserer Schau der Kirche festgestellt hatten, als er bereits in der Tür stand, „welches ist für Sie das wichtigste Wort der Bibel?” Und als ich etwas zögerte, nahm er mir die Antwort ab: „Für mich ist es: Das Wort ward Fleisch.” Da wunderte ich mich, wie ich hatte zögern können und nicht selber diese Antwort geben. Mein Gast aber erzählte mir, er habe gleich, nachdem er das Amt in seiner Propstei angetreten hatte, alle Kirchenvorsteher zusammengerufen und ihnen einen Vortrag darüber gehalten, wie aus diesem Satz das ganze sichtbare Leben der Kirche bis hinein in die kleinsten und alltäglichsten Dinge und Aufgaben sein Gesetz empfange.

LeerMüssen wir nicht auch den Dienst des Baumeisters an der Gestalt der Kirche von hier aus verstehen?

LeerEhe wir dieser Frage nachgehen, stellen wir neben das Wort des Lutheraners den Satz eines katholischen Christen. Heinrich Hörle beginnt einen Aufsatz über die „Raumordnung im Kirchenbau” mit den Worten: „Der Kirchbau ist Kleid der Gemeinde, Ausdruck ihres Wesens, äußeres Gesicht ihrer inneren Struktur”.(1) Muten diese Worte nicht fast protestantischer an, als die des Lutheraners? Denn, so könnte man meinen, von der  G e m e i n d e  her versteht der Protestant den Kirchbau, vom  A l t a r e  als der Stätte der Menschwerdung Gottes im Sakrament der Katholik. Doch so liegen die Dinge nicht. Denn ist nicht die Gemeinde, deren Kleid der Kirchbau sein soll, der Leib Christi? Sie ist nicht nur eine Versammlung. Wäre sie nur dies, so wäre der Kirchbau kein Problem. Dann könnte man unbeschadet Kirchen  s o  bauen, wie man es in den letzten zweihundert Jahren getan hat! Nun ist aber die Gemeinde der Leib Christi. Wie anders sollte aus einer bloßen Versammlung eine Gemeinde werden, als durch das  W o r t ? Aber nicht durch das geredete Wort! Dies ist das humanistische Mißverständnis, durch das im Protestantismus die Kirche aufgelöst wurde. Sondern durch das Wort, von dem es heißt: „Das Wort ward Fleisch”. Das Wort der christlichen Verkündigung ist eben deshalb mehr, ja etwas ganz anderes als die Weitergabe religiöser Gedanken eines großen Weisen, weil es das Wort des im Sakrament leibhaft gegenwärtigen Christus ist.

LeerWie das Wort der Predigt, so hat auch der Kirchbau seinen Ursprungsort im Sakrament. Wäre es jemals zu dieser Raumgestaltung gekommen, die wir in den alten Basiliken und Domen vor uns haben, wenn es nicht darum gegangen wäre, die Stätte des Sakramentes, den Altar zu umkleiden? Um ein Rednerpult baut man keine Dome! So muß also der Baumeister, der es unternimmt, eine Kirche zu bauen, um das Sakrament wissen, mehr noch: als Glied am Leibe Christi aus ihm leben. Tut er das nicht, kann oder will er es nicht, so wird sein Werk im Tiefsten unwahrhaftig. Gibt es nicht Tausende von Kirchen, denen man es anmerkt, daß sie von Menschen erbaut wurden, die um das Geheimnis des Leibes Christi nichts mehr wußten?

LeerEs ist der Auftrag des Baumeisters, aus dem Glauben an die Fleischwerdung des Wortes und dem Wissen um die Kräfte des Lebens, die die Gemeinde im Work und Sakrament speisen, den schützenden Raum um die Stätte zu bauen, an der das Wunder der Gegenwart Christi von der Gemeinde erfahren wird. Der Kirchbau gibt der Gemeinde die Stille zu solcher Erfahrung. Schirmend legt er sich um sie und die Stätte des Sakramentes. Er spart einen Raum aus in der Welt, einen Raum, in dem das geschieht, was der Welt das Leben gibt.

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LeerWas wir hier meinen, mögen wir im Symbol der Heiligen Nacht, das Rudolf Koch uns geschaffen hat, schauen. (2) Blicken wir flüchtig hin, so meinen wir, eine ganz sparsame Darstellung der Heiligen Nacht zu sehen: Den Stall, die Krippe, die Christus trägt, umgebend, darüber den Stern der Verheißung. Aber laßt uns das Zeichen genauer betrachten! Ist nicht die Krippe die Stätte, an der Gott zur Welt kommt, leibhaft wird? Gleicht sie darin nicht dem Altare? Und ist die Krippe nicht der Ort, an dem die Kreatur ihre Speise empfängt, - ein Gleichnis der Stätte, an der Er, der alle Kreatur speist, sich dem menschlichen Geschlechte als das Brot, das vom Himmel kommt, darbietet? Und erhebt sich darüber nicht bergend der Stall wie der Kirchraum über dem Altare? Freilich der Stall - ein armes Menschenwerk, und gar morsch und zerfallen; dennoch ergreifend mit seiner schützenden Gebärde.

LeerHier schauen wir das Werk und den Auftrag des Baumeisters.(3) Er weiß, daß er nichts Vollkommenes und Endgültiges zu schaffen hat und zu schaffen vermag. Sein Werk wird immer dem zerfallenen Stalle gleichen, wie ihn die alten Meister so eindrucksvoll malten. Er kann nicht vergessen: vollkommen ist nur, was Gott unter dieser armen Hülle geschehen läßt. Aber mit Lob und Dank tut er sein unzureichendes Menschenwerk. Er baut an der Hütte Gottes bei den Menschen. Wohl trutzig können die Mauern um die geheiligte Stätte sich erheben, die Unbill der Welt abzuwehren. Doch der Baumeister läßt sie gen Osten offen sein, eine Erinnerung daran, daß auch die Gemeinde nicht von der Welt entnommen ist. Doch auch daran ein Gemahnen, und das recht eigentlich, daß alles Menschliche offen bleiben muß zu dem hin, der das Licht aus der Finsternis hervorgehen läßt. Das Licht aber auf dem Altare vermählt sich dem Lichte, das vom Aufgange des neuen Tages in den menschlichen Raum hineinflutet.

LeerSo ist das Werk des Baumeisters ein weihnachtlicher Dienst. Er richtet dem Worte, das gekommen ist, unter uns zu „zelten”, wie es im griechischen Texte heißt, das Zelt und weiß wie Paul Gerhardt:
Zwar soll ich denken, wie gering
ich dich bewirten werde;
du bist der Schöpfer aller Ding,
ich bin nur Staub und Erde.
Doch bist du ein so frommer Gast,
daß du noch nicht verschmähet hast,
den, der dich gerne siehet.
LeerDarum vertraut er auch, daß über seinem geringen Werke der Stern der Verheißung leuchtet und das ewige Gut seine Einkehr hält.

LeerDie Gemeinde aber könnte wohl allezeit, wenn die Pforte ihrer Kirche aufgetan wird, beten:
Heut schleußt er wieder auf die Tür
zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott sei Lob, Ehr und Preis!
LeerWer aber die Schwelle des Hauses, das der Baumeister dem ewigen Gut und seiner Gemeinde geschaffen hat, überschreitet, der bete: Wie heilig ist diese Stätte. Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.

Anmerkungen:
(1) Gottesdienst, ein Zeitbuch, herausg. von Rudolf Schwarz, Würzburg 1937, S. 64
(2) Die Titelzeichnung dieses Weihnachtsbriefes
(3) Steht nicht das Gleiche in der Bildbeilage dieses Weihnachtsbriefes vor uns?

Ev. Jahresbriefe 1941, S. 8-11

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-17
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