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Nachwort zu „Die Mächte des Lebens und ihr Herr”
von Ludwig Heitmann

LeerDie kühnen Gedankengänge dieses Aufsatzes rühren an die innersten Fragen des Menschen der Gegenwart, der sich ganz tief hineingebunden weiß in die ihn umklammernden Lebensmächte, aber in dieser Umklammerung sucht nach einem das Ganze durchleuchtenden und überstrahlenden Sinn, nach dem Bleibenden in der Erscheinungen Flucht, nach dem Überwinder der Vergänglichkeit und des Todes. Dieser übergreifende und erlösende Sinn kann nur in der Form bezeugt werden, daß die Mächte selber durch ihn angesprochen und in eine höhere Wirklichkeit hinaufgehoben werden. Gerade weil-die Sinnfrage des Lebens heute wieder so ernst gestellt ist, kann die Antwort nicht in einer fremden Form- und Bild-Sprache gegeben werden. Sie muß den zu überwindenden Mächten selber angemessen sein. Wir erkennen heute wieder, daß das Dogma der Kirche diese Aufgabe zu erfüllen bestimmt war und ist. Das Dogma ist Wegweiser zur Wahrheit, es ist die Hülle des Geheimnisses; das es so zu verkündigen gilt, daß es mitten in der Welt dem Glauben lebendig aufleuchtet.

LeerHier wird nun der Versuch gewagt, dem inmitten der neuzeitlichen Lebensmächte stehenden Menschen die ihm gemäße Antwort zu geben in den Formen und Bildern, durch die er sich angesprochen sieht. Was Tod und Auferstehung, Himmel- und Höllenfahrt und das Geschenk des Lebensgeistes dem Menschen innerhalb seiner Todesverhaftung zu sagen haben, wird in den Anschauungen der Gegenwart auszusprechen versucht. Überraschend ist, daß in diesem Zusammenhange nicht nur der gottbegnadete Künstler, sondern auch das Weltbild des modernen Physikers erscheint. Wir sind dankbar für die Entschlossenheit, mit der diese wesentliche Aufgabe für den Gegenwartsmenschen angegriffen wird. Es bleiben freilich dieser Betrachtung gegenüber noch Fragezeichen, die im Folgenden angedeutet sein mögen.

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LeerVom modernen physikalischen Weltbilde her ist zu sagen, daß an dem Punkte, an dem der kompakte Substanzbegriff der älteren Physik sich zu lockern beginnt, also da, wo in der Atomphysik die moderne Relativitäts-, Wellen- und Quantentheorie einsetzt, sich nirgends Formulierungen finden, wie die hier gegebenen: „Entstehung der Materie aus den Strahlen des Lichtes”, „Die Erde, die aus Licht verdichtete Materie”. Vielmehr wird gerade hier die Physik völlig unanschaulich und bewegt sich in sehr komplizierten und abstrakten mathematischen Formeln. Es bleibt doch vorerst noch sehr schwierig, die künstlerische Schau Matthias Grünewalds im Zusammenhang zu sehen mit den exakten Experimenten und Berechnungen des modernen Präzisionslaboratoriums. Der Weg, von hier aus zu angemessenen Gleichnissen des göttlichen Geheimnisses zu kommen, für das, was der Glaube unter der Wandlung meint, scheint uns doch weiter zu sein, als hier angenommen wird. Wir stehen immer noch vor der uns bedrängenden Frage, ob überhaupt das Geheimnis des Glaubens durch die Formen und die Sprache einer ganz und gar durchrationalisierten Welt ausgedrückt werden könne, ob wir nicht doch immer wieder zurückgeworfen werden auf die Formen und Bilder, die eine in lebendiger Anschaulichkeit und organischem Denken stehende Zeit uns überliefert hat. Gibt es überhaupt einen Weg von der überspitzten ratio zu dem hintergründigen Lebensgeheimnis?

LeerHier setzt nun auch von der andern Seite das theologische Bedenken ein. Können Formulierungen wie diese: „Der Leib des Herrn verwest nicht. Er lockert sich unmittelbar zum Licht. Er formt sich wieder zur Gestalt des Menschen” dem wunderbaren Geheimnis gerecht werden, das in der Auferstehung des Herrn uns verkündigt wird? Wenn wir etwa die Bilder des Apostels 1. Kor. 15 auf uns wirken lasten, so bleibt der Eindruck, daß das Geheimnis der Auferstehung nur im großen Abstand durch Gleichnisse angedeutet werden kann. Trotzdem muß der hier mutig eingeschlagene Weg entschlossen weitergegangen werden. Es bleibt der tiefe Dank für die Fülle der Gedanken und Bilder, durch die das Dogma hineinleuchtet in den Lebenskampf des modernen Menschen.

Ev. Jahresbriefe 1941, S. 79-80

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-17
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