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Kirchenkonzert
von Wolfram Osterroth

LeerDer nachstehende Beitrag weist uns auf einen Sachverhalt hin, der noch von vielen, denen der liturgische Dienst der Musik wichtig geworden ist, nicht durchschaut wird, So hoffen wir, daß er zu klarerer Unterscheidung beiträgt. Über das Amt der Musik im Gottesdienst wäre im besonderen zu reden.
Der Herausgeber


LeerWir sind heute schon fast gewohnt, den Begriff „Kirchenkonzert” mit einem Fragezeichen zu versehen, um auszudrücken, daß hier für unser Gefühl etwas nicht in Ordnung ist.

LeerDie Begriffsbildung stammt aus einer vergangenen Zeit, die es liebte, Dinge zusammenzufügen, die sich aus ihrer inneren Struktur heraus gar nicht zusammenfügen lassen, da sie in der Tiefe wesentlich verschieden sind.

LeerIn der Kirche gab es zwar von jeher Musik als Bestandteil des Gottesdienstes, und ganz besonders die Schöpfungen der evangelischen Kirchenmusik sind es, die auch den heutigen Menschen innerlich anrühren und bewegen. Aber auch in der Welt gab es von jeher Musik als Ausdruck der Lebensfreude und Sinnenlust, die, als sie nicht mehr zugleich Lob und Preis des Schöpfers sein konnte, auch Schmerz und Klage umfaßte und so alles auszudrücken schien, was ein Menschenherz bewegen konnte.

LeerSo wurde der Konzertsaal zu einem menschlichen Tempel, der in einen Gegensatz zum Gotteshause trat, das durch ihn von der Weltöffentlichkeit abgedrängt wurde. Der Gegensatz war ungewollt, der Riß lag unter der Schwelle des Bewußtseins.

LeerMan verstand viel von Musik, aber man erlebte ihren Inhalt nicht mehr. Man bewunderte ein kunstvolles Gerippe und vergaß, daß es nur dazu bestimmt war, einen lebendigen Leib zu tragen.

LeerSo wurde es unwesentlich, ob z. B. eine Passion in der Kirche oder im Konzertsaal zur Darstellung kam, und wir finden auch noch heute viele musikalische Menschen, die den Saal z. B. aus akustischen Gründen bevorzugen, zu schweigen von denen, die der überstrahlende Zeitruhm berühmter Künstler blendet, deren Person auch zu sehen ihnen nicht unwichtig ist.

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LeerAber ein Rest echten Gefühls blieb und wurde im Konzertsaal trotz allen ästhetischen Genusses störend empfunden. Man machte diesem Gefühl das Zugeständnis der Unterdrückung des lauten Beifalls und beruhigte es vollends durch die Erfindung des „Kirchenkonzertes”. Der Riß, der in den Wachstumsschichten des Unterbewußten eingetreten war, wurde durch das Pflaster dieses Kompromißbegriffes überklebt.

LeerDas Pflaster hat wohl eine Weile gehalten, aber eine Heilung nur verzögert. Ob diese überhaupt möglich ist und wie und wann sie eintreten könnte, das wissen wir nicht. Aber wenn wir uns dem unerforschlichen Ratschluß Gottes unterwerfen und seiner Güte als Christen vertrauen, dann bleibt uns die Freudigkeit des Tätigseinkönnens, des Schaffens mit demütigen Herzen.

LeerIch durfte es vor Jahren schon erleben, daß eine Schar junger Menschen sich auf einer Jugendburg zum Wochenende traf, dort fröhlich und fleißig sang und musizierte und dann am Sonntag in der Dämmerung über Land wanderte, um in einer Dorfkirche vor versammelter Gemeinde das erarbeitete Gut darzustellen, sich und anderen zur Freude, und Gott zur Ehre!

LeerUnd viele musikalische Metten und Vespern (die Bezeichnung Kirchenkonzert wird mehr und mehr gemieden) sind heute Orte der persönlichen Andacht, der Befriedigung, nicht mehr eines ästhetischen, sondern eines religiösen Gefühls. Auch wenn sie sich als Gäste und nicht als Glieder einer Gemeinde fühlen, sind die Hörer von der Kirchenmusik oft ergriffen; entrückt und erhoben von den Tönen, die vergangene Geschlechter zum Lobe Gottes und zu seiner Verherrlichung fanden, und die einen Raum erfüllen, den vergangene Geschlechter zur Ehre Gottes errichtet haben.

LeerEin großer Glanz von innen tut sich auf, wie eine Abendröte unerhörter Schönheit und Süße.

LeerMehr noch nicht.

Ev. Jahresbriefe 1941, S. 92-93

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-17
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