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Osterliche Sonntage
von Wilhelm Thomas

LeerMan kann den Sonntag als ein Heide, oder jüdisch, oder aber als ein Christ begehen. Heiden widmen die einzelnen Tage den verschiedenen göttlichen Mächten in der Natur, und begehen sie entweder mit rauschenden Festen oder mit strengen Enthaltungen. Jüdisch ist der Sabbath, der Tag, der die Woche mit gesetzlicher Arbeitsruhe abschließt. Dahin ist auch der Sonntag oft umgefälscht worden, als wäre die Arbeitsruhe, die an sich nur der christlichen Sonntagsfeier Raum schaffen soll, Selbstzweck. Der Sonntag der Christen hat einen anderen Anlaß und einen anderen Inhalt als alle anderen religiösen Einrichtungen der Völker. Er ist das Fest der Auferstehung Christi zu Anfang der Woche. Die abendländische Christenheit hat das im Laufe des Mittelalters fast vergessen - auch Luther hatte darüber nur eine Vermutung - und erst ganz allmählich dringt es wieder in unser Bewußtsein, und noch langsamer wirkt es sich auf die Gestaltung unsers Sonntags aus. Die Christenheit des Ostens begeht noch heute keinen Sonntag ohne die Lesung des Osterevangeliums, aber auch die Kirchen des Westens hielten es in der Völkerwanderung so, - nur Röm hat bei der Vereinheitlichung der Bräuche des Abendlandes über der Ausprägung der Mannigfaltigkeit des Kirchenjahrs diese Grundlage aller christlichen Zeitordnung aus den Augen verloren und damit, soweit wir sehen können, diese Unklarheit verschuldet. (Anm. 1)

LeerIn der österlichen Zeit des Kirchenjahres sollten wir nun Jahr für Jahr versuchen, das eigentliche Gepräge des christlichen Sonntags, den Glanz vom Licht der Ostersonne, wiederzugewinnen. Zwei Hilfen stehen uns dafür zu Gebote: österliche Lesungen am Sonntagmorgen und die Osterlieder unserer Kirche, deren einige sich für diesen Dienst ganz vorzüglich eignen.

LeerAls „Lob der Auferstehung” können uns folgende Bibelworte dienen, die in den „Pfarrgebeten” (3. A. Kassel 1936) vorgeschlagen werden: vom 1. Adventssonntag an 1. Petr. 1, 3-5; von Septuagesimae an Apg. 10, 36-42; von Ostern an Röm. 6, 8-11; von Exaudi an Phil. 2, 5-11; von Johannis an Kol. 1, 12-18; von Laurentius an Röm. 8, 31-39; von Sonntag vor Michaelis an 1. Kor. 15, 20-25. Wer diese Worte nachschlägt, wird ihre Bedeutung für die christliche Sonntagsfeier erkennen. Nach dieser Lesung ein kurzes Gebet: „Herr Jesu Christe, Sieger über Tod und Hölle, gib die Kraft Deiner Auferstehung auch in mein Leben. Erwecke mir Herz und Sinne; laß mich bereit sein, Dir zu dienen; laß mich wach sein für Dein Gebot. Amen.”

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LeerAn Sonntagsliedern bringen unsere Gesangbücher verschiedene Dichtungen des 17. und 18. Jahrhunderts. Ihnen allen fehlt aber etwas sehr Wesentliches: die eigene Singweise. Einige haben die Osterliedweise „Erschienen ist der herrliche Tag” entlehnt - das ist gewiß nicht verkehrt - , z. B. „Gott Lob, der Sonntag kommt herbei / Die Woche wird nun wieder neu” von Johannes Olearius (Deutsches Evangelisches Gesangbuch Nr. 117). Dies Lied kann dazu dienen, schon dem Sonnabend, dem Vorabend des Sonntags, einen österlichen Klang zu geben und damit aus der „Wochenschlußandacht” eine rechte „Wochenanfangsfeier” zu machen. Eine eigene Weise, die freilich ursprünglich einem mystischen Betrachtungslied entlehnt und nicht sehr wertvoll ist, hat ausschließlich Siegmund von Birkens „Auf, auf mein Herz und du mein ganzer Sinn”, das von der Auferstehungsbotschaft ausgeht, sie im weiteren Verlauf dann freilich mit der alttestamentlichen Anschauung vom siebenten Tag als Ruhetag vermengt. Aufs Ganze gesehen ist es nur ein kleiner Kreis von Gesängen, der sich uns anbietet - und kaum ein Werk eines namhaften Dichters darunter.

LeerIn dieser Lage sollten wir auf den überreichen Schatz der deutschen Ostergesänge zurückgreifen. Als der deutsche Volkstums- und Sprachforscher Albert Freyhe im vorigen Jahrhundert „Blätter für Erkenntnis und Pflege von deutscher Art und Sitte, deutschem Glauben und Recht” unter dem Titel „Christophorus” herausgab (Leipzig 1882), da hat er sich aus dem reichen Schatz des deutschen Liedes gerade die Osterlieder herausgesucht, um sie uns als Urbild deutschen Singens vor die Seele zu stellen, vom mittelalterlichen Latein bis zum 17. Jahrhundert. Unter ihnen darf einen besonderen Platz das alte „Christ ist erstanden / von der Marter alle” einnehmen, eines von den Urliedern des deutschen Volkes und seiner Kirche. Es wird darum mit Recht von uns in der Deutschen Messe an jedem Sonntag angestimmt, als ein Stück der Erfüllung dessen, was der Herr von uns fordert in seinem „Solches tut zu Meinem Gedächtnis”. Es wird richtig sein, dies Lied außerhalb der eigentlichen Osterzeit ganz auf diesen Brauch zu beschränken. Dann aber sollten wir als das regelmäßige Lied der Sonntagsbotschaft Nikolaus Hermans „neu geistlich Lied von der fröhlichen Auferstehung unsers Heilands Jesu Christi für die Jungfräulein in der Mägdleinschule im Jochimsthal” wählen - in der Verkürzung, die in unsere Gesangbücher übergegangen ist:
Erschienen ist der herrliche Tag
dran sich niemand gnug freuen mag:
Christ, unser Herr, heut triumphiert,
all sein Feind er gefangen führt.
Halleluja

Die alte Schlang, die Sünd und Tod,
die Höll, all Jammer, Angst und Not
hat überwunden Jesu Christ,
der heut vom Tod erstanden ist.
Halleluja

Sein Raub der Tod mußt geben her,
das Leben siegt und ward ihm Herr;
zerstöret ist nun all sein Macht,
Christ hat das Leben wiederbracht.
Halleluja

Die Sonn, die Erd, all Kreatur,
alls, was betrübet war zuvor,
das freut sich heut an diesem Tag,
da der Welt Fürst darnieder lag.
Halleluja

Drum wir auch billig fröhlich sein,
singen das Halleluja fein
und loben Dich, Herr Jesu Christ;
zu Trost Du uns erstanden bist.
Halleluja
LeerEs mag manchem schwierig erscheinen, dies Festlied Sonntag für Sonntag zu wiederholen. Allein es ist im Gottesdienst der Kinder jedenfalls Jahr und Tag erprobt und hat dieser Probe standgehalten. Es muß schon die volle Osterbotschaft sein, die Sonntag für Sonntag verkündigt wird. Hier ist sie ausgesprochen. Der Sonntag ist der Tag einer großen Siegesfreude - das muß den beherrschenden Ton der christlichen Sonntagsfeier bilden. Dieser Sieg gilt den Mächten der Vernichtung bis hin zum Tode: nur so ist die Lebensbotschaft des Evangeliums wirklich ein Wort, das uns aus aller Not reißen kann. Die kosmische Weite dieser Botschaft gegenüber aller Kreatur hebt diese weit über die Ichbezogenheit enger Persönlichkeitsfrömmigkeit hinaus und hindert doch nicht, daß sie ganz persönlich als der Trost schlechthin, den wir brauchen, aufgenommen wird.

LeerWer neben Nikolaus Herman noch einem andern das Wort geben möchte, der greife zu dem noch festlicheren „Lied vom Triumph und Auferstehung Christi” von Kaspar Stolzhagen „Heut triumphieret Gottes Sohn”, dessen drei erste Gesätze ähnliches aussprechen wie Nikolaus Herman, oder zu Thomas Hartmanns kurzem Gebetslied, das vor allem als Antwort auf die Sonntagslesung geeignet, übrigens auf Hermans Weise zu singen ist (DEG. Nr. 60):
Wir danken Dir, Herr Jesu Christ,
daß Du vom Tod erstanden bist
und hast dem Tod zerstört ein Macht
und uns das Leben wiederbracht.
Halleluja

Wir bitten Dich durch Deine Gnad:
nimm von uns unsre Missetat
und hilf uns durch die Güte Dein,
daß wir Dein treuen Diener sein.
Halleluja

Gott Vater in dem höchsten Thron
samt seinem eingebornen Sohn,
dem Heilgen Geist in gleicher Weis
in Ewigkeit sei Lob und Preis
Halleluja
LeerEine Singweise unseres Gesangbuches gehört noch in den Osterkreis und damit auch auf den Sonntag, obwohl sie gewöhnlich nach einem anderen Liede benannt wird: „Nun freut euch, liebe Christen gmein”. Paul Speratus hat sie von einem alten Volkslied entlehnt, das etwa so begann: „Freu dich, du werte Christenheit / Christus hat überwunden.” Will man diese alte Osterweise für den Sonntagmorgen anwenden, so empfiehlt sich als Text das Lied von Lorenz Lorenzen: „Wach auf mein Herz, die Nacht ist hin / die Sonn ist aufgegangen” in einer Auswahl seiner schönsten Gesätze. Für den Abschluß des Morgengebetes wähle man mit dem „Gebet der Tageszeiten” Michael Weißes „Nun bitten wir Dich, Jesu Christ” mit der Singweise von Vulpius.

LeerEin andrer kurzer Osterruf ist der von Spangenberg und Keuchenthal überlieferte „Lobgesang von der Auferstehung Jesu Christi”, von dem es allerdings heißt, er solle nach der Predigt oder als Schlußlied (dreimal nacheinander) gesungen werden - er kann aber ebenso gut an andrer Stelle seinen Dienst tun:
Freu dich, du werte Christenheit,
lobe Gott in Ewigkeit.
Der am Kreuz hat gehangen
der ist vom Tod auferstanden
Christ, bitt für uns. Halleluja
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LeerWorauf es uns bei all diesen Vorschlägen ankommt, ist dies: daß wir mithelfen, dem Sonntag im Leben der christlichen Gemeinde seinen ursprünglichen Sinn wiederzugeben. Irgend einem der hier genannten Gesänge sollten wir einen Platz bei der Gestaltung unsers Sonntags einräumen: Sei es als Wecklied am Morgen oder als Morgengesang vor dem Frühstück, sei es im Hauptgottesdienst oder sonst nach einer Auferstehungslesung, sei es im Kinder- oder Jugendgottesdienst, sei es auch am Sonnabend (Samstagabend) oder am Abend des Sonntags. Angefangen muß mit einem solchen Brauch in der österlichen Zeit werden. Die Sonntage von Quasimodogeniti bis Rogate haben den stärksten Anspruch darauf - demnächst vielleicht die Sonntage von Michaelis bis Advent mit ihrem immer stärkeren Ausblick ins ewige Leben. Wir tun mit solchem Brauch nichts Sonderliches, sondern kehren nur zu dem gemeinchristlichen Verständnis des Sonntags zurück, das uns allein vor Verweltlichung und alttestamentlicher Verfälschung des Sonntags bewahren kann.

LeerFreilich ists mit solch einem Brauch allein nicht getan. Das, was die Alten in diesen Liedern bekannt, gesungen und gebetet haben, muß auch uns das Herz abgewinnen. Es mag leichter sein, die Woche mit einem Lied von den Gaben Gottes in der Natur zu beginnen. Aber wie sollen solche Gedanken allein standhalten in Stunden, da das natürliche Leben von tausend Gefahren umdroht ist? Die christliche Botschaft hat die Stunde ihrer Bewährung immer im Angesicht der tiefsten Abgründe von Schuld und Vergänglichkeit. Da aber gilt es, sie zum immer neuen Grundton unseres Lebens zu machen. Keine Zeit kann so ernst und schwer sein, daß wir nicht Zeit und Kraft daran wenden sollten, diesen Klang sieghafter Auferstehungsbotschaft aufs neue in jede Woche hineinzunehmen.
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1: Den geschichtlichen Nachweis glaube ich in der Untersuchung „Der Sonntag im frühen Mittelalter”, Göttingen 1926, erbracht zu haben.

Evangelische Jahresbriefe 1942, S. 30-34

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-14
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