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Heilige Verschwendung
von Walter Lotz

LeerDer Gottesdienst ist nicht dazu da, Menschen zu verherrlichen, sondern Gott allein die Ehre zu geben. Soll man darum allen äußerlichen Schmuck meiden, das Gotteshaus schlicht mit weißer Farbe tünchen, den Altar mit schwarzem Tuch verhüllen und den Gottesdienst so einfach feiern als nur irgend möglich? Ist das alles Verschwendung, was an Farben und Formen, an Musik und Gesang, an Schmuck und Zier herzugetragen wird? Ist es störende Ablenkung von dem Eigentlichen, was allein not ist? Ist nicht viel wichtiger noch als der Gottesdienst im Gotteshaus der Gottesdienst der praktischen Tat im Leben, die christliche Nächstenliebe und Opferbereitschaft? So hat einst der Verräter Jesu gefragt.

LeerAls Maria Magdalena eine ganze Flasche voll kostbarsten Duftwassers über Jesus goß, so daß das ganze Haus voll süßen Geruches ward, da murrte Judas und sprach: wäre es nicht besser gewesen, man hätte dieses kostbare Wasser um teures Geld verkauft und das Geld den Armen gegeben? Wozu diese Verschwendung? Jesus wies ihn zurück. Er ließ sich diese Verschwendung gefallen. Ja, er sagte von dieser Frau, was er sonst von keinem Menschen gesagt hat: solange dies Evangelium in der ganzen Welt verkündigt wird, soll man auch ihrer gedenken und dessen, was sie getan hat! Heilige Verschwendung der einfältigen Maria Magdalena, wie bist du so selten geworden unter uns! Wie hat dich der Geist des Judas verdrängt, der nüchtern rechnet und immer nach dem Zweck fragt. Kinder spielen ohne Zweck und Ziel und geben sich der Freude ihres Spiels hin. So ihr nicht werdet wie die Kinder...

LeerIm Zeitalter der Maschinen und der Fünfjahrespläne muß alles seinen Zweck haben. Wir lassen uns hineinziehen in die unheilige Hast und das Jagen nach Zielen. Wir werden selber zu Maschinen, die nüchtern und pünktlich funktionieren, bis sie verbraucht sind. Unser Schlaf ist die Ruhe der Erschlaffung, unsere Fröhlichkeit dient dem Kitzel der Nerven. Wo wir uns sammeln sollten, zerstreuen wir uns. Wo wir Freude haben könnten, suchen wir das Vergnügen. Wo wir im Spiel Entspannung finden könnten, lassen wir uns vom Sport und Kino aufpeitschen. Wir können nicht mehr sein wie die Kinder, die ihr Spiel ganz ernst nehmen, darin ganz aufgehen und doch damit keinen Zweck verfolgen. Darum wissen wir so wenig von den schönen Gottesdiensten im Hause des Herrn, die wie ein heiliges Spiel ganz ernst genommen werden wollen, in denen man ganz aufgehen muß in heiliger Verschwendung und Hingabe, ohne doch einen ganz bestimmten Zweck damit zu verfolgen.

LeerIn der Heiligen Schrift wird uns immer wieder solche verschwenderische Hingabe im heiligen Dienst geschildert. So etwa in dem Kapitel, aus dem der Choral von Leuthen „Nun danket alle Gott” stammt. Da berichtet der Erzähler mit kindlicher Freude am Beschreiben und Ausmalen, wie nach der Zeit der Verwüstung als Erstes und Wichtigstes der Tempel wieder gebaut und die schönen Gottesdienste wieder erneuert wurden:

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Leer„Simon, der Sohn Onias, der Hohepriester, der zu seiner Zeit um das Haus Gänge baute, und Pfeiler daran setzte, und den Grund noch einmal so hoch aufführte und oben den Umgang am Tempel wieder zurichtete; zu seiner Zeit war der Brunnen verfallen, den faßte er mit Kupfer.

LeerEr sorgte für den Schaden seines Volkes, und machte die Stadt fest wider die Feinde. Er tat ein löbliches Werk, daß er das Volk wieder zur rechten Ordnung brachte.

LeerWenn er aus dem Vorhang hervorging, so leuchtete er wie der Morgenstern durch die Wolken, wie der volle Mond. Wie die Sonne scheinet aus den Tempel des Höchsten, wie der Regenbogen mit seinen schönen Farben. Wie eine schöne Rose im Lenz, wie die Lilien am Wasser, wie der Weihrauchbaum im Lenz. Wie ein angezündeter Weihrauch im Rauchfaß, wie ein Kelch von getriebenem Golde mit allerlei Edelsteinen geziert. Wie ein fruchtbarer Ölbaum, und wie der höchste Zypressenbaum. Wenn er den schönen langen Rock anlegte, und den ganzen Schmuck anzog, und zum heiligen Altar trat, so zierte er das ganze Heiligtum umher.

LeerWenn er aber aus der Priester Händen die Opferstücke nahm, und bei dem Feuer stand, so auf dem Altar brannte, so standen seine Brüder rings um ihn her, wie die Zedern auf dem Libanon gepflanzt, und umringten ihn wie Palmzweige. Und er richtete sein Amt aus auf dem Altar, und tat also dem Höchsten, dem Allmächtigen, ein feines Opfer. Er reckte seine Hand aus mit dem Trankopfer, und opferte roten Wein, und goß es an den Boden des Altars zum süßen Geruch dem Höchsten, der aller König ist. Da fiel sobald alles Volk miteinander zur Erde auf ihr Angesicht, und beteten zum Herrn, ihrem allmächtigen, höchsten Gott. Und die Sänger lobten Ihn mit Psalmen, und das ganze Haus erscholl von dem süßen Getöne.

LeerUnd das Volk betete zum Herrn, dem Höchsten, daß er gnädig sein wolle, bis der Gottesdienst aus war, und sie ihr Amt vollendet hatten.

LeerWenn er nun wieder herabging, so reckte er seine Hand aus über die ganze Gemeinde der Kinder Israel, und gab ihnen den Segen des Herrn mit seinem Munde, und wünschte ihnen Heil in Seinem Namen. Da beteten sie abermals und nahmen den Segen an von dem Höchsten. Und sprachen: „Nun danket alle Gott, der große Dinge tut an allen Enden, der uns von Mutterleibe an lebendig erhält, und tut uns alles Gutes. Er gebe uns ein fröhliches Herz, und verleihe immerdar Frieden zu unserer Zeit, und daß Seine Gnade stets bei uns bleibe, und erlöse uns, so lange wir leben” (Sir. 50,1 -14.16.17.19 - 26).

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LeerAuch im Neuen Testament stehen solche Schilderungen, vor allem in der Offenbarung Johannis, wo der himmlische Gottesdienst mit den Bildern des irdischen Gottesdienstes geschildert wird. Welche Pracht der Farben, welche Mannigfaltigkeit der Handlungen und Zeremonien, welche Hingabe an das heilige Schauspiel, in dem das Werk der Erlösung vergegenwärtigt wird in kindlicher Hingabe und froher Ernsthaftigkeit. Den Teufel kann man sich nicht so kindlich spielerisch vorstellen. Er herzt nicht die Kinder und freut sich nicht an den Lilien auf dem Felde; er ist vielmehr düster und ernst, schwarz und grimmig, hastig und geizig. Ihm widerstrebt die heilige kindliche Verschwendung. Und eben diese Verschwendung müssen wir wieder lernen. Daß unsere Gottesdienste zum rechten Ganzopfer werden und darin das Opfer unseres ganzen Lebens seinen Höhepunkt und seine Erfüllung finde. „Wer Dank opfert, der preiset mich; und da ist der Weg, daß Ich ihm zeige das Heil Gottes” (Ps. 50).

LeerSchmücken wir unsere Gotteshäuser bis an die Stufen des Altars, und lassen wir auf dem Altar das Kreuz des erhöhten Herrn von Lichtern und Blumen als mit einem heiligen Schmuck umgeben sein. Scheuen wir uns nicht, auch köstliche Düfte zu verschwenden, wie es Maria Magdalena tat, daß der äußere Weihrauch, der am Altar aufsteigt, unsere innersten Gebete hinauftrage vor Gottes Thron, wie es Johannes in der Offenbarung beschreibt. Ziehen wir das hochzeitliche Gewand der Freude an, das der Gastgeber beim himmlischen Mahl der Gemeinschaft der Heiligen erwartet. Lassen wir alles Düstere und Traurige, alles Dunkle und Engherzige draußen und tragen wir herzu, was wir an Gutem und Schönem finden können. Die ganze Welt der Formen und Farben, der Töne und der Gebärden ist mit geheiligt und erlöst durch die Menschwerdung Gottes und durch seinen Opfertod am Kreuz. Ihm gehört alles, bringen wir es Ihm dar!

LeerNicht in der Meinung, damit etwas Eigenes zu leisten. Er hat ja alles geleistet und dargebracht. Wir brauchen uns nun nur in Sein Opfer mit hineinzustellen, mit allem, was wir sind und haben. Verschwenden wir uns selbst mit allem, was uns lieb ist, an den Gottesdienst, daß es ein kindlicher Dienst der Hingabe vor dem Höchsten werde. Hier kann niemand genug oder gar zu viel tun. Hier kann nichts zu gut oder zu schön sein. Denn auch das Beste und Schönste bleibt nur ein armseliges Gewand Seiner Herrlichkeit, aber eben doch ein Gewand, das in der Armut die Seligkeit birgt, weil es Ihm gefallen hat und gefüllt, in solcher Armut unter uns gegenwärtig zu sein. Dienet dem Herrn mit Freuden!

Evangelische Jahresbriefe 1948, S. 75-77

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-05-02
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