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Die Verwandlung, die wir Auferstehung nennen
von Wilhelm Stählin

LeerVor einem Zeitalter hat uns Anna Schieber in Vorträgen und Aufsätzen über den „Erlösungsgedanken im deutschen Volksmärchen” den Blick dafür geschärft, wie sehr viele dieser geliebten Geschichten von Hänsel und Gretel, von Brüderchen und Schwesterchen, von Jorinde und Joringel, von dem allertreuesten Johannes, ja auch vom König Drosselbart, von Aschenputtel und Schneewittchen und wie sie alle heißen, in der dem Traum verwandten Gestalt des Märchens um jenes letzte Geheimnis kreisen, das über unserem Leben waltet, dem Geheimnis der Verwandlung. Wer in den tiefen Schächten des Märchens nach den Goldadern einer uralten und geheimnisvollen Weisheit sucht, der will damit keineswegs den frommen Glauben auf die Stufe der Märchenpoesie herabdrücken und damit seiner Wahrheitsgeltung berauben, sondern er will umgekehrt sich daran freuen, wie das Volk, indem es Märchen dichtet und erzählt, gleichsam träumt von dem, wovor es sich fürchtet und worauf es hoffend vertraut.

LeerDenn gerne redet das Märchen von einer zwiefachen Verwandlung, einer bösen Verzauberung, durch welche das wahre Wesen des Menschen in die Vermummung eines untermenschlichen Wesens gebannt wird, in die Tiergestalt des Rehes, des Frosches, des im Käfig gefangenen Vogels, gefangen in dem Schloß des Zauberers, in tiefen Schlaf versenkt hinter der dornigen Hecke, oder selbst erstarrt zu Stein; und dann bedarf es zumeist eines Opfergangs, eines Leidensweges geduldiger Liebe, und wäre es nur der schwere Dienst jahrelangen Schweigens, um den Zauber zu brechen, den Bann zu lösen und den grausam verwandelten Menschen zu befreien zu seiner wahren Gestalt, den gläsernen Sarg zu öffnen, die Todesstarre zu lösen und den strahlenden Ritter, den Königssohn, die Prinzessin voller Anmut sichtbar zu machen, die in der armseligen Gänsemagd, in dem gefangenen Tierlein, in dem gräßlichen Frosch, oder was es sonst sein mag, verborgen waren und ohnmächtig auf ihre Erlösung warteten.

LeerZu dieser ganzen Märchenwelt werden diejenigen am schwersten Zugang finden, die die Gestalt und Lebensform, in der wir Menschen uns vorfinden, für normal und endgültig halten und glauben, daß wir mit Verstand und Willen unseres eigenen Lebens mächtig seien, solange nicht widrige Schicksale die Gestalt unseres Lebens zerschlagen, oder der Tod diesem allem ein Ende macht. Das Märchen sieht den Menschen in tieferen und geheimnisvollen Zusammenhängen. Es weiß, das „etwas dazwischen gekommen” ist, ein Unheimliches und Unabwendbares, das alles Glück zerstört, alle Freude vergällt und das Leben verdirbt. Denn die bösen Hexen und Zauberer, Trolle und Drachen, die gütigen Feen und freundlichen Zwerge sind ja doch gewiß nichts anderes als die Märchengestalt jener bedrohlichen und hilfreichen Mächte, von denen wir ständig umgeben sind, die uns Böses antun und den Schaden zu heilen vermögen, und die im Guten wie im Bösen menschliche Tücke und menschliche Liebes- und Opferkraft in den Dienst ihres Wirkens stellen. Der Mensch als Kampfplatz und Kampfpreis dieser widerstreitenden Mächte und die zwiefache Verwandlung, die an ihm geschehen kann, Verzauberung und Erlösung: Dieses ist das große Thema und zugleich der durch alle krause Märchenphantasie hindurchleuchtende Wahrheitsgehalt des Märchens.

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LeerEs gibt Märchen, in denen ein „mythischer” Ursprung und Hintergrund noch zu erkennen ist, wie wahrscheinlich das Märchen vom Dornröschen und manche andere, und auch die sorgsamste Analyse wird die Grenzlinie nicht überall sichtbar ausziehen können. Doch ist ein grundsätzlicher Unterschied zu erkennen. Es gehört zum Wesen des Mythos, daß er im Bereich des naturhaften Geschehens, und also des kreisförmigen „immer wieder” bleibt, in dem alle naturhaften Prozesse schwingen. Im Wechselspiel von Licht und Finsternis, im Auf und Ab der Jahreszeiten gibt es kein Ende und kein Ziel; der heute mit enthusiastischem Jubel besungene Sieg des Lichtes und des Lebens wird sich morgen in den Untergang und in den Triumph der feindseligen Gewalten verkehren. Jeder Prozeß ist umkehrbar, und es lastet darum eine abgründige Traurigkeit über allem Mythos, weil hinter jedem Sieg der „tragische” Untergang lauert.

LeerDaß die Märchen, von denen wir sprechen, schon im Lichtkreis des christlichen Glaubens ihre Form gefunden haben, anders ausgedrückt, daß die hier träumende Seele selbst schon von dem christlichen Glauben an Verwandlung und Erlösung geformt war, wird nirgends so sichtbar wie darin, daß hier Verzauberung und Erlösung nirgends als ein umkehrbarer Kreislauf erscheinen, sondern - mit verschwindenden Ausnahmen - der böse Zauber gebrochen, durch Liebe und Leiden das Werk der Erlösung vollbracht und der schlimme Feind wenn nicht vernichtet, so doch entmächtigt wird, so daß er nicht mehr zu fürchten ist. Nicht die schwer lastende Weltschmerzlichkeit des Mythos, der ohne Trost und ohne Hoffnung ist, sondern die überwundene Angst, die Glückseligkeit des Befreiten, der nicht vergeblich gewartet, geduldet, geschwiegen und gelitten hat, ist die Lebensluft der Verwandlung, von der das Märchen in seiner Sprache erzählt.

LeerMit anderen Worten: Dieses Märchen, das in solcher Weise um die Gefahr der Verzauberung und um die Hoffnung einer erlösenden Verwandlung weiß, ist selbst die Frucht einer wundersamen Verwandlung, die nicht denkbar wäre ohne das, was in der Verwandlung Christi selbst, in seinem Tod und seiner Auferstehung geschehen ist. Denn durch ein zwiefaches Band ist das Geheimnis unserer eigenen Verwandlung mit Karfreitag und Ostern doppelt verknüpft. Nicht das, was alle Jahre wieder, immer und überall im „ewigen” Kreislauf naturhaften Wechsels geschieht, sondern das, was einmal und ein für allemal geschehen ist, ist das Urbild unserer eigenen Hoffnung in der tödlichen Bedrohung unseres Menschseins.

LeerMythos und Märchen heben an: „Es war einmal” - und es wäre sinnlos zu fragen, wann dieses „einmal” war, wann Brüderchen und Schwesterchen miteinander in den Wald gingen, und wann der Königstochter die goldene Kugel in den Brunnen fiel, oder wann Siegfried sich in dem Blut des erschlagenen Drachen badete; die heilige Geschichte aber schlägt einen anderen Ton an: Es begab sich zu der Zeit..., und es ist nicht nur erlaubt, sondern geboten zu fragen, welche Zeit das gewesen, und was zu eben jener Zeit im Raum der Geschichte geschehen ist. Aber auf der anderen Seite bleibt dieses Geschehen nicht in der Isoliertheit eines historischen Faktums, sondern es wird zum „Anfang” oder zum „Urbild” dessen, was nun - „nun” - an uns sich ereignen will, und indem wir an jenes Geschehen „glauben”, das heißt uns ihm ergeben und anvertrauen, werden wir hineingezogen in eben jenes Mysterium der Wandlung, das dort für uns alle und grundsätzlich schon an uns allen geschehen ist.

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LeerNichts ist darum so sehr ein unterscheidendes Kennzeichen des christlichen Glaubens, als daß er sich gebunden weiß, das Mysterium der Wandlung in der Betrachtung des Todes und der Auferstehung Jesu Christi anzuschauen, und eben darin das Urbild dessen zu betrachten, was an ihm selber geschehen soll. Dabei liegt in dem Begriff der Verwandlung immer ein Doppeltes; zunächst dieses, daß ein bisheriger Zustand, eine Form wirklich zu ihrem Ende kommt, und daß der Versuch, sie zu bewahren, sinnwidrig und aussichtslos wäre; aber ebenso das andere, daß die neue Gestalt eben doch eine Gestalt desselben zerstörten lebendigen Wesens ist; so wie im Märchen nicht etwa der häßliche Zwerg, der garstige Frosch, der versteinerte treue Johannes einfach verschwinden und an ihrer Stelle jählings ein anderer auftaucht, sondern der lebendige Mensch bleibt auch in seiner schrecklichen Verzauberung der, der er gewesen, und er selbst, kein anderer, wird aus der Leidensgestalt, in die er gebannt ist, zu seinem eigentlichen und wahren Sein verwandelt. Eben dieses will der Glaube, indem er Karfreitag und Ostern begeht, in der Wandlung des Herrn, in seinem wirklichen Sterben und in seiner leiblichen Auferstehung betrachten.

LeerDie Betrachtung des Todes Christi ist der notwendige erste Schritt auf dem Weg dieser inneren Anschauung. Denn nur wenn der Tod, dieser Tod, ganz und ohne jeden Vorbehalt ernst genommen wird, enthüllt das Wort von der Verwandlung seine tröstliche Gewalt. Das gilt in vierfacher Beziehung. Es ist zunächst das physische Sterben mit aller entsetzlichen Qual des Körpers und der Seele. So gewiß eine isolierte Passionsmystik sich in eine schwärmerische Verherrlichung der heiligen fünf Wunden und des ganzen Kreuzesleidens verlieren konnte, so sehr würde doch der Glaube an die Verwandlung zu einem allgemeinen und unbegründeten Lebensoptimismus entarten, wenn er sich diesem Bild des Grauens und der Qual entziehen wollte; anders ausgedrückt: Wer den Menschen sehen will auf dem Wege zu seiner Vollendung, darf nicht daran vorübergehen, daß Pilatus auf den zum Tode Ermatteten, von Geißelhieben Blutenden, Zerschundenen und wehrlos Verspotteten deutet: Siehe da, der Mensch.

LeerZum anderen gehört zu der Wirklichkeit dieses Todes, daß er nicht als ein von außen kommendes Schicksal erfahren, sondern als ein mit freiem Willen gebrachtes Opfer vollbracht wird. „Niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich gebe es frei von mir selber” (Joh. 10, 18). - Trotzdem sind es zugleich hintergründige Mächte, die in Jesu Kreuzestod am Werk sind. Paulus sagt im 1. Korintherbrief (2, 8), daß es die archontes dieser Weltzeit gewesen seien, die Christum ans Kreuz geschlagen haben, worunter wahrscheinlich weder bestimmte Machthaber als Personen, noch Staat und Kirche als solche, sondern die diesen Weltlauf durchwaltenden übersinnlichen Mächte zu verstehen sind; aber diese Aussage steht nicht im Widerspruch zu der übergreifenden Gewißheit, daß in diesem Sterben Gott selber der Handelnde ist, dem auch die Dämonen ohne Wissen und Willen dienen müssen; erst damit, daß hier weder böse Menschen noch ein blindes Fatum triumphieren, und Gott etwa bloß zuläßt, was ohne ihn und gegen ihn geschieht, sondern daß Gott selber hier seine Hand im Spiel hat, verschließt jeden Ausweg und Fluchtweg an der Wirklichkeit dieses Todes vorbei und läßt diese unheimliche Preisgabe des eingeborenen Sohnes als die notwendige und nicht wegzudenkende eine Seite der großen Verwandlung erkennen.

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LeerDie andere Seite, die sich unserer Betrachtung darbietet, ist die Verwandlung selbst, die wir „Auferstehung” nennen. Niemals bedeutet Verwandlung die Rückkehr in den vorigen Zustand, und selbst in jenen Erlösungsmärchen ist der aus dem Bann der Verzauberung Befreite niemals uneingeschränkt gleich dem Nicht-Verzauberten, der den Weg durch den Zauberwald und die tödliche Verstrickung nicht hat gehen müssen. Aber ebenso wenig ist jemals dem, der noch vor der Pforte der Verwandlung steht, der Blick vergönnt auf das, was sich jenseits enthüllen wird, und dem, der Bann und Fluch erleidet, erscheint als unwiderruflicher Schlußpunkt, was sich in der großen Verwandlung dann als der Doppelpunkt erweist, der auf das unerwartet Kommende, Eigentliche und Endgültige hindeutet.

LeerAuf dreierlei Weise können die Überlebenden handeln an dem entseelten Leib, dessen sie sich - ursprünglich aus abergläubischer Angst, später aus notwendiger hygienischer Sorge - entledigen müssen: Entweder sie versuchen durch geeignete Drogen und durch den Schutz der gemauerten oder gegrabenen Gruft die Form, der das Leben entflohen ist, für eine Zeitlang zu bewahren, und wir wissen, wie sehr es gelungen ist, dem mumifizierten Leichnam eine gespenstische Dauer für Jahrhunderte zu verleihen; oder genau umgekehrt, der Leichnam wird der Flamme preisgegeben, damit sie die doch zerfallende Form rasch und gründlich zerstöre und vernichte, und wir alle wissen, wie sehr sich die Angst vor der Verwandlung dieser Leichenverbrennung - sentimental und unwahr „Feuerbestattung” genannt - bemächtigt hat. Genau in der Mitte zwischen beiden, der pietätvollen Konservierung und der gewaltsamen Formzerstörung, steht die Sitte der Bestattung in die Erde, die die Aufbaustoffe, aus denen die lebendige Form gebildet war, in sich zurücknimmt und zum Aufbau neuer Gestaltungen verwendet; in diesem Sinne können das liebevoll gepflegte Grab und die daraus sprießenden Blumen zum Sinnbild einer Art von Verwandlung werden.

LeerDoch wie weit bleibt diese so sehr von Sentimentalität bedrohte Betrachtung zurück hinter der Verwandlung, die wir Auferstehung nennen! Denn dort geschieht nichts anderes, als daß der Leib, der aufgehört hat, sich durch Atmung und Nahrung fremde Stoffe zu assimilieren, selbst assimiliert wird von dem noch gestaltlosen Kreislauf des organischen Lebens. „Du sollst wieder zur Erde werden, davon du genommen bist!” Die Verwandlung, die in der Auferstehung geschieht, ist das äußerste Gegenteil dieses unerbittlichen Gesetzes. Die neutestamentliche Verkündigung gebraucht immer den Ausdruck, daß Jesus Christus auf erweckt sei von den Toten „durch die Herrlichkeit des Vaters”, und sie sieht darin den entscheidenden Krafterweis jener göttlichen Dynamik, jenes schöpferischen Odems Gottes, den wir in der Sprache des Glaubens den Heiligen Geist nennen.

LeerWenn der Ausdruck Assimilation nicht von vornherein unangemessen und bedenklich wäre, so könnte mit ihm viel eher jener wunderbare Vorgang bezeichnet werden, daß ein Mensch so sehr ergriffen wird von der göttlichen Lebensmacht, so sehr mit Seele und Leib hineingezogen in die Verwandlungskraft Gottes, daß er mit Geist und Seele und Leib von diesem Gottesleben assimiliert wird. Aber dieses biologische Bild ist darum so unangemessen, weil der assimilierte Stoff aufhört, er selber zu sein, während die Verwandlung, die wir Auferstehung nennen, uns nicht aufgehen läßt in dem großen Lebensstrom wie einen Tropfen im Meer, sondern vielmehr uns in unserem Selbst vollendet und zu dem macht, wozu wir geschaffen sind: zu dem Bild Gottes in der Gestalt personhaften Seins. Der Bann, der auf uns lag, nicht um unseres Leibes willen, sondern weil wir durch unsere Sünde von Gott getrennt sind, ist gebrochen, und wir werden sein, was jetzt noch nicht sichtbar ist, nämlich sein Ebenbild (1. Joh. 3, 2).

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LeerKönnte es anders sein, als daß unsere Worte stammeln, wenn wir versuchen, den „verklärten” Leib des Auferstandenen, der durch verschlossene Türen tritt, und der sich doch betasten läßt und Speise und Trank zu sich nimmt, mit der an irdische Erscheinungsformen gebundenen Sprache zu beschreiben? Als die Jünger, die der Herr gewürdigt hatte, Zeugen seiner Verklärung auf dem Berg zu sein, durch eine Berührung wieder in ihr irdisches Tagesbewußtsein zurückgeholt waren, war die Erscheinung selbst verschwunden, und der Seher auf Patmos war „im Geist”, als er den zur himmlischen Herrlichkeit erhobenen Herrn, der tot war und lebendig ist, schauen durfte mit den Insignien des himmlischen Priesters, Richters und Königs. Aber auch der in Sonnenglorie getauchte Leib des Auferstandenen, wie ihn Matthis Nithardt gemalt hat, trägt die Male des irdischen Leidens und Sterbens; es ist kein anderer, es ist er selbst, der am Kreuz Geopferte, aber verklärt, hindurch gegangen durch die Verwandlung, die wir Auferstehung nennen.

LeerDiesen „Durchgang” des Herrn durch den Tod zu dem Leben einer höheren Art und Form feierte die alte Kirche mit ihrem Pascha, in dem Karfreitag und Ostern, die negative und die positive Seite .dieser großen Verwandlung, viel weniger als bei uns als ein zeitliches Nacheinander, viel mehr als eine untrennbare Einheit verstanden und empfunden wurden. (Daß die Reformatoren, sehr im Unterschied zu den nachfolgenden Jahrhunderten, keine Passionslieder, sondern nur Osterlieder gedichtet und darin das Wunder aller Wunder besungen haben, bestätigt diese Betrachtung.) Aber in dieser Feier des heiligen Pascha war der Abstand der Zeiten, Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, in der geheimnisvollsten Weise aufgehoben. In dem einmaligen geschichtlichen Ereignis des Kreuzesopfers und der Auferstehung Jesu Christi schauen wir an die Ursache und das Unterpfand der Verwandlung, die wir selbst erwarten und erhoffen. Als die noch im Bannkreis der schlimmsten Verzauberung, des Gerichts, der Sünde und des Todes Gefangenen „harren wir der Auferstehung der Toten und des Lebens der zukünftigen Welt”.

LeerAber hier gilt in einem eminenten Sinn, daß „die Zukunft schon angefangen hat”. Wenn der amerikanische Dichter unter diesem Titel das Schreckgespenst eines völlig technisierten Zeitalters malt, in dem der Mensch als solcher zum Verschwinden gebracht ist, und nun den Spuren dieser unausweichlichen Entwicklung in unserer Gegenwart nachgeht, so ist auch der christliche Glaube dessen gewiß, daß die zukünftige Verwandlung, in der wir bis in unsere Leibhaftigkeit hinein Anteil an dem verklärten Leben Christi empfangen sollen, schon in die Gegenwart hinein ihre Schatten, oder vielmehr ihre Lichtstrahlen vorauswirft. Alles, was wir als Vergebung der Sünden, als Rechtfertigung, Heiligung, neues Leben bezeichnen und beschreiben, ist im Grunde die Kraft dieser Zukunft, die schon angefangen hat; darum nennt der Apostel den Heiligen Geist, durch den dies alles geschieht, den Anfang und Anbruch, das Angeld dieser Verwandlung. An den Altären, an denen wir das eucharistische Mahl feiern in Gedächtnis und Hoffnung, wird gegenwärtig, was ist und was sein wird. Die Verwandlung, die wir Auferstehung nennen, ist also, weit entfernt, bloß der Wunschtraum des hoffnungslos Verzauberten und Verfluchten zu sein, vielmehr das große Wunder, das geschehen ist, und zugleich die Zukunft, die schon angefangen hat.

Quatember 1953, S. 75-80

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-29
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