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Sakrament und Heilsgeschehen
von Wilhelm Stählin

LeerDer „Theologische Konvent A. B.”, über den in diesen Blättern wiederholt berichtet worden ist, hat in seiner Herbstsitzung (Ende Oktober 1952 in Fulda) sich mit einer überaus schwierigen Frage befaßt, die auch für alle gottesdienstliche Gestaltung und Verwirklichung eine entscheidende Bedeutung hat: der Frage nämlich, in welchem Verhältnis das Handeln der Kirche (in Taufe, Verkündigung und Abendmahl) zu dem Heilsgeschehen in Christo steht. Auch wer sich nie mit der Frage befaßt hat, versteht auf den ersten Blick, daß unser ganzes gottesdienstliches Handeln und Geschehen einen sehr verschiedenen Sinn, eine sehr verschiedene religiöse Dignität gewinnt, je nachdem wie jene Frage beantwortet wird. Bei aller Verschiedenheit der Auffassungen, die in Vorträgen und Aussprachen zutage trat, bestand volle Einmütigkeit darüber (worüber aber sonst weder unter den Pfarrern noch unter den anderen Gemeindegliedern Einmütigkeit besteht), daß die Kirche in ihrer Verkündigung und in ihren „Sakramenten” weder einen bloßen Bericht über ein historisches Faktum geben, noch bloß eine „Frucht” jenes historischen Geschehens „zueignen” will, sondern daß das, was ein für allemal geschehen ist, in einer geheimnisvollen Weise unter uns und an uns Gegenwart werden will, und daß diese in unserem Reden und Handeln geschehende Vergegenwärtigung des Christus-Ereignisses selbst zu der „Heilsgeschichte” gehört.

LeerDabei trat ein für die ganze Frage höchst bedeutsamer Gesichtspunkt, für die meisten von uns neu und unerwartet, in unser Gesichtsfeld. Wenn Luther in seinem Lied von der Taufe Christi am Jordan sagt: „Da wollt er stiften uns ein Bad, zu waschen uns von Sünden”, und wenn doch andererseits allgemein das Wort des Auferstandenen, mit dem das Matthäus-Evangelium schließt, auch in Luthers Kleinem Katechismus als das Wort von der Einsetzung der Taufe (als begründender „Taufbefehl”) verstanden wird, so wird daran deutlich, daß jedenfalls die Taufe auf ein konkretes Ereignis im Erdenleben Jesu, aber ebenso auf eine konkrete Weisung des Auferstandenen zurückgeht; hinsichtlich des Heiligen Mahles gilt das gleiche: Zu dem vierfachen Bericht über das geheimnisvolle Mahl vom Gründonnerstag treten die Berichte von der Mahlgemeinschaft des Auferstandenen mit seinen Jüngern (Emmaus und See Genezareth). Erst durch diese Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen konnte die Feier des „Brotbrechens” über den bloßen auftragsgemäßen Vollzug einer konkreten Stiftung hinaus zu der sakramentalen Feier des eucharistischen Mahles werden.

LeerDas heißt aber, daß es zum Wesen des Sakramentes gehört, mit seiner „Stiftung” ebenso in dem irdischen Lebensraum Christi wie in dem „pneumatischen” Raum des nachösterlichen Geschehens beheimatet zu sein. Jene Stücke, die wir Anamnese und Epiklese nennen, wahren diesen großen Zusammenhang und schützen die Worte der Stiftung vor dem Mißverständnis, als handle es sich nur um ein historisches Ereignis, an das wir uns bei dieser Gelegenheit erinnern; immer und überall ist im Handeln der Kirche der Heilige Geist, der Dominus vivificans, schöpferisch tätig. - Auch die drei Vorträge dieser Konventstagung werden mit einem zusammenfassenden Bericht in den Schriften des Konvents im Lutherischen Verlagshaus Berlin-Spandau erscheinen.

Quatember 1953, S. 104

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-29
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