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Bruderschaftliche Entscheidung
Karl Knoch

LeerWas geht uns das Mönchtum an? So könnten wir Evangelischen uns fragen. Aber es gibt heute wichtige Fragen des christlichen Glaubens und Lebens, die in den verschiedenen Kirchen gleichzeitig aufbrechen, und es ist wohl wert, daß wir hinhören, wie diese Fragen in der anderen Kirche gesehen und beantwortet werden. So ist es hier vor allem die Frage nach einem wirklichen Ernstmachen mit einer christlichen Lebensführung.

LeerWenn in den Kirchen der Reformation in den letzten Jahren Bruderschaften und Schwesternschaften entstanden sind, so ist das kein Zufall und auch nicht eine willkürliche Laune romantischer Schwärmer. Vielmehr steht dahinter eine ernste Neubesinnung über die Frage, wie denn eine echte christliche Gemeinschaft aussehen müsse. Überall da, wo sich „Brüder” und „Schwestern” zusammengefunden haben, um zu versuchen, so miteinander zu leben, wie es das Neue Testament anweist und wie man das sonst in der Welt (und auch in der Kirche) nicht findet, da will man ein Beispiel für die ganze Kirche schaffen, man möchte eine lebendige Zelle am Leibe Jesu Christi sein.

LeerDer Ansatz zu allem Mönchtum war im Grunde immer der gleiche. Da aber die römische Kirche in ihren Orden solche Kreise christlicher Gemeinschaft schon hatte, so formten sich die Anstöße und Erschütterungen unserer Zeit dort zu der Frage: Ist das Mönchtum heute noch berechtigt? Darüber hinaus wurde der Blick wieder ganz neu auf die Klöster gerichtet. Sie waren ja doch zum Teil die Träger der „liturgischen Bewegung” und gaben entscheidende Anstöße für den Übertritt evangelischer Christen zur römischen Kirche. Auch in der Literatur zeigt sich ein verstärkter Niederschlag dieser Neubeachtung des klösterlichen Lebens. Man erwartet von dort entscheidende Hilfen für die Neugestaltung der menschlichen Gemeinschaft überhaupt.

LeerSo wird das Mönchtum in unserer entscheidungsreichen Zeit in verstärktem Maß beobachtet und beachtet. Darüber berichtet P. Theodor Bogler OSB in einem kürzlich erschienenen Buch; „Mönchtum in der Entscheidung” (Verlag Ars Liturgica, Maria Laach, DM 3.50). In mehreren Aufsätzen verschiedener Verfasser wird die Bedeutung des Mönchtums für unsere Zeit herausgearbeitet. Vieles von dem, was wir dort lesen, gilt aber nicht nur für die katholischen Orden, sondern auch für die ordensmäßigen Bildungen in den reformatorischen Kirchen. Allerdings finden sich auch Ausführungen, in denen der Geist der römischen Kirche in einer solchen Weise in Erscheinung tritt, daß wir dem als Evangelische nicht zustimmen können. Aber es ist ja sehr gut, daß wir ebenso klar zu erkennen suchen, was uns verbindet, als auch, was die Konfessionen voneinander trennt.

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LeerTheodor Bogler zeigt zunächst in seiner Einführung, daß von mancher Seite die Frage erörtert wurde, ob das Mönchtum nicht einer gründlichen Erneuerung bedürfe, indem z. B. „das klösterliche Wirtschaftssystem mehr demjenigen unserer Tage” angeglichen werden müsse, oder ob das Mönchtum sich nicht „in viel weiterem Umfang der Seelsorge öffnen müsse”. Auch ist erwogen worden, ob nicht ein Mönchstyp geschaffen werden sollte, der seine Züge dem des „Arbeiters” entnimmt. Allein, alle diese Fragen „berühren das Wesen des Mönchtums und die Frage nach seiner Bedeutung nur mittelbar”. Vielmehr hat das Mönchtum selbst die Überzeugung, daß es „eine pneumatische Sendung in der Kirche der Gegenwart und an den Menschen der Gegenwart zu erfüllen habe, wie in den vergangenen Jahrhunderten seiner großen Geschichte”. Darum kann sein Wesen sich nicht ändern, und darauf kann sich die Entscheidung nicht erstrecken; sondern gerade in der Weltkrise der Gegenwart hat das Mönchtum seine besondere Sendung und ist berufen, mitzuwirken an der Überwindung alles dessen, was dem Menschen der Gegenwart bedrohlich ist.

LeerDaher gelten die einzelnen Aufsätze der Besinnung über das Wesen des Mönchtums. In der Betrachtung „Das kontemplative Mönchtum und unsere Gegenwart” wird gezeigt, daß das kontemplative Element nicht ein Gegensatz zum aktiven bildet, sondern beides seien zwei Erscheinungsformen ein und derselben christlichen Liebe. So soll im Mönchtum sichtbar werden, wozu jeder Mensch durch die Gnade berufen ist; doch der Sinn des menschlichen Lebens ist die Verherrlichung Gottes. So bildet das Kloster „im Chaos der Zeit eine kleine Zelle göttlicher Ordnung”. Der Dienst, den das Kloster der ganzen Welt tut, vollzieht sich freilich nicht außerhalb, sondern innerhalb der Klostermauern, indem die Menschen von draußen in Tagen der Einkehr „mit hineingenommen werden in den Pulsschlag der heiligen Zeiten, in den Rhythmus und die Gliederung einer möglichst vollkommenen und schönen, aber festen Ordnung”.

LeerEin lebendiges Bild des Klosterlebens gibt ein Beitrag des Zisterzienser-Paters Bernhard Kaut, der über das seit 1939 wieder neu bezogene Kloster Hauterive bei Freiburg (Schweiz) berichtet. Hier wird das Leben des Mönchs ganz als der „Schule Christi” beschrieben. Ein anderer Bericht über das Leben des Mönchs wird von Bogler selbst gegeben in Form eines Gesprächs, das er vor wenigen Jahren mit einer Gruppe junger Menschen aus ganz verschiedenen Berufen hatte. Es waren einige von den vielen, die damals, wie alljährlich, zur Feier des heiligen Osterfestes nach Maria-Laach gekommen waren und in den Scheunen der umliegenden Dörfer Unterschlupf gefunden hatten oder am Seeufer zelteten. Dieser anschauliche Bericht liest sich wie eine fesselnde Erzählung, und es ist dem Leser, als ob er selbst einen Besuch im Kloster gemacht hätte.

LeerDie „benediktinische Heiligkeit” wird von P. Matthias Thiel beschrieben; darin wird das benediktinische Frömmigkeitsideal nach der Regel des heiligen Benedikt systematisch herausgearbeitet. So klar und überzeugend diese Darstellung auch ist, so empfinden wir als evangelische Christen im Rahmen des vorliegenden Berichts diese Schau doch als gesetzlich und darum fremdartig.

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LeerGanz besonders aufschlußreich ist der Überblick, den Pater Bogler über „Der Mönch in der zeitgenössischen Literatur” gibt. Hier wird die eigenartige Tatsache deutlich, daß man in der Literatur „offenbar den Mönch neu entdeckt” hat. Das Mönchtum ist in einer durchaus positiven Art gewertet worden, und manche Dichter und Denker scheinen dem Mönchtum gerade für die kommende Zeit eine besondere Bedeutung beizumessen.

LeerDer letzte Aufsatz von P. Heinrich Bucht SJ „Vom gemeinsamen Leben” arbeitet sehr eindrücklich heraus, welche Bedeutung der im 4. Jahrhundert lebende Mönchs-Vater Pachomius für das gesamte Mönchtum hatte. Er leitete das damals vorhandene Anachoretentum durch seine Regel in ein eigentlich klösterliches Leben über und schuf damit die entscheidende Grundlage für das werdende Mönchtum. Sein Einfluß erstreckte sich auf das ganze Abendland. Auch die Regel des heiligen Benedikt ist nachweisbar von ihm beeinflußt worden. Dabei wird deutlich, daß das Mönchtum nicht, wie man früher meinte, durch fremde Religionen angeregt wurde, oder daß es sich um bestimmte wirtschaftliche Neubildungen handelt. Das Mönchtum ist auch durchaus keine dem christlichen Glauben fremde Lebensform, sondern es ist aus dem Bestreben erwachsen, das Frömmigkeitsbild der Evangelien und der Apostelgeschichte zu verwirklichen, und zwar in der Form einer echten christlichen Gemeinschaft.

LeerDamit ist aber die Verwandtschaft aller ordensähnlichen Bildungen innerhalb der Kirchen der Reformation zum Mönchtum zu erkennen; denn auch in diesen evangelischen Gemeinschaften geht es ja um nichts anderes als um ein Ernstnehmen des christlichen Glaubens und Lebens, um dadurch ein Beispiel für die ganze Kirche zu geben.

LeerEs wäre wohl einer besonderen Untersuchung wert, einmal nachzuprüfen, wie weit die Anstalten der „Inneren Mission” schon ein Aufbruch in diesem Sinn gewesen sind. Es ist zu fragen, ob die christliche Kirche nicht Klöster und Orden als eine unbedingt notwendige Lebensform braucht. Nachdem Luther die Klöster, die er damals in einer gewissen Entartung vorfand, ablehnte, scheint auf dem Boden der Kirchen der Reformation die Erkenntnis sich durchgesetzt zu haben, daß die christliche Kirche eben ohne Klöster und Orden nicht auskommen kann. Die Anstalten der „Inneren Mission” einerseits und manche pietistischen Gemeinschaften andererseits wären dann erste Versuche gewesen, klösterliche und ordensmäßige Bildungen wieder herzustellen, wenn auch gewiß auf dem Boden evangelischen Denkens. Ein weiterer Schritt im Sinne dieser Erkenntnis wären dann die ordensmäßigen Bildungen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Und gibt nicht die Tatsache, daß Jesus aus der Schar seiner Anhänger und Jünger die Zwölf herausgerufen und mit einem besonderen Auftrag hinausgesandt hat, die letzte Begründung dafür, daß es immer wieder kleine Kreise geben muß, die in strenger Gehorsamsbindung mit dem christlichen Glauben und Leben ernst machen und damit eine Hilfe für die ganze Kirche sein wollen?

Quatember 1953, S. 161-163

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-17
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