Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1953
Jahrgänge
Autoren
Suchen

Verfall der Heilshoffnung
von Marielene Leist

LeerDie Ablehnung der modernen Reklame erfreut sich in den „gebildeteren” Kreisen größter Einstimmigkeit; sie wird nicht nur als Kitsch, sondern sogar als sittlich nicht vertretbar und unmoralisch gebrandmarkt. Nur selten aber wird gesagt, inwiefern die Überschwemmung mit Werbeannoncen gegen die Moral verstoße. So berechtigt, äußerlich gesehen, alle solchen Einwände auch sind, so will uns doch scheinen, daß von dieser Sicht aus weder der Bedeutung der Reklame Recht geschehe, noch ihre Gefahr gebannt werden könne.

LeerÜber eine Tatsache müssen wir uns im klaren sein: die Reklame wirkt, hundertfach, tausendfach. Sie wirkt nicht nur auf den sogenannten Mann auf der Straße, sondern auch auf uns, nur mit dem Unterschied, daß der eine ihrem Sog verfällt, während der andere durch strenge Reflexion sich ihrer Anziehungskraft entziehen kann. Es gibt kaum einen Menschen, der nicht zunächst der Versicherung, Möbel-Mayer sei das beste und reellste Einrichtungshaus, Glauben schenken möchte.

LeerUnsere erste Frage gilt der Ursache, warum denn überhaupt Reklame wirksam ist. Wir untersuchen aus diesem Grund die Sprache der Reklame, das heißt wir versuchen zu fragen, was für ein seelischer Prozeß durch gewisse Worte, Wendungen und Wortbilder in Bewegung gesetzt wird. Für gewöhnlich wird die Wort-Reklame durch eine mehr oder minder gelungene Illustration unterstützt, ja man kann sagen, daß neuerdings das Wort sogar hinter dem Bilde zurücktritt. Wir werden also zur Unterstützung unserer Untersuchung einiges Bildmaterial heranziehen.

LeerAus der Verbindung von Wort und Bild ergibt sich zunächst für den sprach-psychologisch Interessierten die Frage, ob das Sprach-Bild, die Metapher, in den Reklametexten besonders häufig vertreten sei. Wir müssen diese Frage verneinen. Wohl spricht man von „Perle” der Adria und vom Ferien-„Paradies”. Aber die Sprache der Reklame ist nicht mehr bildfähig, sie versteht Perle und Paradies nurmehr als Allegorie, sie weiß nicht mehr um die Fähigkeit der Sprache, mystische Einheit zu enthüllen. Es ist das Verdienst Wilhelm Stählins, in seiner sprachpsychologischen Untersuchung „Zur Psychologie und Statistik der Metaphern” (Dissertation Würzburg, 1910) als erster die Möglichkeit einer mystischen oder amystischen Metapher gesehen zu haben. Zumeist spricht die Reklame anders: sie spricht nicht mystisch, sondern magisch.

Linie

LeerDie Antwort auf die erste Frage ist leicht gegeben, aber schwer bewiesen: die Reklame hat Erfolg, weil sie die Bedürftigkeit des Menschen anspricht. Wir meinen nicht jene Tatsache, daß Herr Y. diesen Winter notwendig einen Anzug braucht oder Madame Z. tatsächlich ihre Salbentöpfe ergänzen muß - auch dies wirkt, selbstverständlich -, aber die eigentliche Wirkkraft der Reklame reicht tiefer: der Mensch erfährt sich wieder als vom Wesen her bedürftig. Unausgesprochen durchzieht diese Einsicht die ganze Reklame. Der Mensch bedarf der Speise und des Trankes, weil er aus sich selbst nicht bestehen kann. Er ist verwiesen auf den Lebensatem, um von Atemzug zu Atemzug sein Leben fristen zu können. Das weiß kein Reklamefachmann, das weiß keiner von jenen, die den Werbeplakaten wehrlos verfallen. Und doch wirkt diese Bedürftigkeit bis hinein in den Kaufzwang, in die Sucht nach Erwerb. Die Kaufhäuser wissen, daß ihr Umsatz im Quadrat zu ihrem Autwand steigt. Je feierlicher ein Kaufhaus ausgestattet ist, um so mehr kommt es dem Verlangen der Menschen nach, die, ohne es zu wissen, zugleich mit dem Lippenstift Dauer und mit dem Auto Heil und Bestand kaufen wollen. Jede kleine Bude nennt sich heute schon Früchte-Haus oder noch besser Früchte-Halle, jedes Kino Filmpalast. Warum, das wissen die wenigsten, aber daß diese Reklame zieht, lernt sich sehr schnell.

LeerWir müssen unsere These nochmals formulieren: die Reklame kann nur wirksam sein, weil sie eine Ursehnsucht im Menschen weckt. Sie weckt nicht nur das oberflächliche Verlangen nach einem neuen Abendkleid, sondern sie spricht das Verlangen des Menschen nach Schönheit und Jugend an. Sie bietet für die Uhr nicht nur zehn Jahre Garantie, sondern zugleich stillt sie - scheinbar - eine Sehnsucht nach Dauer und Beständigkeit. Der Film verspricht Abenteuer und Spannung und trifft zugleich auf die Sehnsucht jedes Menschen, vom Alltag und seiner Hetze und Eintönigkeit erlöst zu werden. Und all die zahllosen Mädchenbeine und halb verhüllten Brüste verweisen - weit über das momentan geweckte Verlangen hinaus - auf das Geheimnis, das im Geschlechtlichen verborgen liegt.

LeerIn der Reklame ist nun also die Möglichkeit gegeben, Wesentliches über die Seele des modernen Menschen zu erfahren. Unsere Betrachtung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir haben keine Statistik angelegt, noch haben wir alle Arten des anfallenden Materials durchschauen können. Auch mag unsere Einteilung nach verschiedenen Sehnsuchts-Richtungen willkürlich und mangelhaft sein. Es kommt uns aber allein darauf an, einen Hinweis zu geben, wie die Wirkkraft der modernen Reklame als Not zu verstehen - und vielleicht zu heilen ist.

LeerDen meisten Menschen erscheinen Jugend und Schönheit überaus begehrenswert, und die Sehnsucht danach hilft ungezählten Betrieben das Leben fristen. Wäschefabriken, Kosmetikartikel, Schlankheitsdragees und Knoblauchpillen - und vieles andere mehr - halten erfolgreich dieses Verlangen wach. „Zart”, „anmutig”, „duftig”, „bezaubernd”, „charmant” sind die Worte, die die unglaubwürdigen Bilder ewig lächelnder Modelle erläutern. Zumeist verläßt sich diese Art von Reklame auf die Wirkung des Bildes. Nur wenige Unterschriften wissen, welchem Traum sie huldigen. Eine Korsettfabrik verheißt „ewige Jugend”, Verdauungspillen „unverwüstliche Gesundheit”.

Linie

LeerGewiß weiß jeder Käufer, daß das Korsett ihn nicht vor dem Altwerden und die Pillen nicht gegen das Sterben helfen können. Aber ein Unbewußtes in ihm heischt gegen alles Besserwissen des Verstandes nach Unsterblichkeit und Jugend. Und irgendwann überlistet es den wachsamen Verstand: der Mensch kauft ein Korsett und wird nicht jünger, er ißt die Pillen und fühlt sich nicht wohler. Aber sein Inneres sehnt sich weiter nach einer Zeit, die keinen Tod mehr kennt, und der Verstand wird Vorwände finden, um vor sich selbst weitere Käufe rechtfertigen zu können.

LeerDas Verlangen, schön zu sein, geht mit dem Verlangen nach Unsterblichkeit und ewiger Jugend Hand in Hand. Was antike Mythen priesen und feierten: göttergleiche Schönheit und ewige Jugend, wird hier in dumpfer Beharrlichkeit ersehnt. Die Ursehnsüchte des Menschen überschneiden sich vielfach, ja streng genommen könnte man sie auf das schlechthinnige Verlangen nach Heil zurückführen. So scheint uns, daß das Verlangen nach Schönheit nicht nur Abbild der Jugend, sondern auch als Außergewöhnliches von Bedeutung ist.

LeerDie Industrie, die vor allem von diesem Verlangen lebt, ist vorwiegend der Film, nicht umsonst Traumfabrik genannt. Man könnte sagen, es sei vorwiegend blinde Abenteuerlust, die die Menschen in diese Filme treibt. Wir haben die Beobachtung gemacht, daß fast die Hälfte aller Filme im Titel Abenteuer und Spannung verheißen. Durch Worte wie abenteuerlich, erregend, mitreißend, stärkste Nerven erfordernd, spannend, macht der Werbetext Reklame; die Möglichkeit der Titelgebung ist dem Anschein nach unerschöpflich: Der Brigant, Der schwarze Ritter, König der Gauchos, Geheimdienst schlägt zu, Sohn der Sioux, Insel des Grauens, Der große Unbekannte, Gefährliche Mission, Hölle am Weißen Turm, Meuterei, Gangster, Frauen und Brillanten, Fluch der Tempelgötter, Frauenraub, Rauschgift, Piratenkönigin, Rächer ... Es will uns scheinen, als ob gerade diese Gattung des Films Ersatz für die verlorene Märchenwelt darstelle. Hier wie dort muß der Mensch Gefahren bestehen, mit schrecklichen Ungeheuern und gegen große Übermacht kämpfen, bevor er die Königstochter heimführen kann.

LeerEs geht den meisten Menschen nicht um das Abenteuer an sich, wie die Titel besagen wollen, sondern durch das Abenteuer hindurch geht es um etwas ganz anderes: daß der Mensch in diesem Leben Sinn findet. Es geht nicht um die bloße Sprengung des Alltags, sondern darum, in der Plackerei und Widerwärtigkeit der Woche nicht vor Sinnlosigkeit zu vergehen. Gewiß, der Einwand hat Recht: davon „weiß” der Film nichts, geschweige denn, daß es der reißerische Titel wüßte. Aber wir sagten schon: unsere Sprache ist nicht mehr fähig, in Bildern auszusagen, was das Herz des Menschen bewegt. Gewiß steckt in dem alten „äventiure” noch der volle Klang des Weges zu Sinn und Reife, man denke nur an Parzival. Aber diese Tiefe hat das Wort heute völlig verloren, es ist zur reinen Unterhaltung herabgesunken. Aber es ist so, als ob das Herz dennoch wüßte, welche Möglichkeit in dem Bestehen der Gefahr liegt. Ein echtes Bild, das über sich selbst hinausweist in ein Geheimnis, kennt die Reklamesprache nicht mehr. Aber der Mensch macht aus diesen leblosen Wortziffern wieder sehnsuchtstillende Verheißung.

Linie

LeerDie Worte wirken nicht mehr unmittelbar durch das Bild, das ihnen innewohnt und das zugleich im Herzen angerührt wird, sondern, man möchte fast sagen, sie sind das, was die Psychologie Testworte nennt: besonders allgemeine Begriffe, mit denen jeder Mensch einen Ballast von Vorstellungen verbindet. Die Reklame kann getrost auf die Wirkung dieser Allgemeinstbegriffe vertrauen. Der seelische Prozeß setzt sich unweigerlich bei ihrer Nennung in Gang und endet mit Gewißheit dort, wo der Mensch durch unerfüllte Sehnsucht verletzbar und anfechtbar ist.

LeerEin anderes ist das Verlangen nach Ursprünglichkeit, das sich in zahllosen Ehewünschen äußert, indem von dem Partner Natur- und Tierliebe gefordert wird. Das beste Geschäft aber machen die Fremdenkurorte und Erholungsaufenhalte mit dieser Sehnsucht. Das Verlangen nach der Natur, das dem Europäer erst eigentlich wieder seit zweihundert Jahren bekannt ist, wird immer mächtiger. Wir sagten schon, hier sei das Wort vom „Paradies” ein gern verwandtes Lockmittel. Die Menschen wissen sehr gut, daß sie in dem oberbayerischen Dorf nicht ins Paradies kommen, ja, daß nicht einmal ein leiser Schimmer jenes Gartens auf dem reklametüchtigen Dorf liegt. Aber etwas in ihnen hofft dennoch auf eine Begegnung mit jenem Ursprunghaften, dem man im Wandel der Gezeiten nahe kommt. Sorglose Ferientage werden in Ruhpolding verheißen, ein Reisedienst verspricht „Glück, Gesundheit, Jugend in Sizilien”. Aber alle diese Worte vermöchten die Menschen nicht zu verlocken, stände nicht die Sehnsucht in ihnen, Ursprünglidhkeit und Einfachheit zu erfahren, dem Rhythmus des Lebens zu begegnen, das Geheimnis des Menschenlebens im Spiegel der Natur zu erleben.

LeerWas der Text nicht vermag, schildern in uralten Symbolen die Bilder. Es ist des Nachdenkens wert, daß unsere Zeit die Symbolfähigkeit der Sprache eingebüßt zu haben scheint und dafür die Geheimnisträchtigkeit der Bilder neu entdeckte. Da fahren auf den Plakaten der Bundesbahn eilige Züge mitten in einer übergroßen Sonne, da liegt ein Dorf im Strahlenkranz einer Margueritenblüte, da sieht man ein Städtchen im verklärenden Lichte eines Edelsteins. Das glauben die Menschen: so werden sie eingehüllt sein von Ursprünglichkeit und Natur wie das Dorf vom Blütenkranz der Blume. Aber an eine „Perle der Adria” glauben sie nicht mehr. Man kann die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts nur noch mit Sachlichkeit in der Sprache betrügen. Denn daß Begriffe wie Glück, Jugend und Gesundheit in Wirklichkeit auch Traumbilder sind - eben nur nicht so durchschaubar wie eine „Perle” im perlenübersäten Italien, haben sie noch nicht gemerkt. Von diesem Standpunkt aus muß man Werbetexte wie folgende als psychologisch völlig falsch berechnet ansprechen: „Bezaubernde Mäntel... hübsche modische Blumen unseres Frühlingsgartens. Alles ist für Sie geschaffen” (Lodenfrey). Die Reklame weiß um die Wirksamkeit des Naturverlangens, das sie in mehreren allegorischen Bildern wecken will. Doch hat sie hier völlig falsch kombiniert: das ist zu offenkundig unsachlich. Der Käufer von heute läßt sich jede Reklamelüge gefallen, solange sie den Schein von Sachlichkeit bewahrt. Nur den Bildern gestattet er, sichtbar zu zaubern.

Linie

LeerEin wichtiges Moment ist natürlich das, was man Liebe oder Sexus nennt. Robert Jungk hat ausführlich geschildert, wie sehr Sex Verkaufskanone Nr. l in Amerika geworden ist. Nun, Europa ist auf dem besten Weg, es ebenso zu machen. Es genügt das Wort Liebe, um die Filmtheater zu überfüllen. Einmal nur leuchtet die Liebe, Flitterwochen zu dritt. Die zweite Frau, Ehe für eine Nacht, Im Anfang war nur Liebe, Geständnis einer Nacht, Vergiß die Liebe nicht. Heute Nacht passiert's. Der Tag vor der Hochzeit, Wenn die Liebe stirbt, Liebe an Bord . . .besonders die pikanten Themen sind gefragt: Ich war eine Sünderin, Engel im Abendkleid, Sündiger Engel, Die Sünderin, Sünde am Strand, wobei Sünde ohne weiteres mit geschlechtlicher Verfehlung gleichgesetzt wird. In diesen Texten kann man nicht mehr nach einem tieferen Wortsinn fragen. Was gemeint ist, ist zumeist klar. Auffällig ist nur die nahezu hundertprozentige Anziehungskraft dieses Themas. Ganz kurz gesagt sehen wir die Ursachen dazu im folgenden:

LeerSo wie es die einzige unaufhebbare Unterscheidung zwischen den Menschen ist, Mann oder Frau zu sein, so sind Mann und Frau zugleich zur Vollendung ihres Menschseins aufeinander verwiesen. Das im zweiten Quatemberheft besprochene Buch von C. M. van Asch van Wijck „Zweisam ist der Mensch” bemüht sich erfolgreich, gerade diese Grundverwiesenheit aufzudecken - und zu bejahen. Mann und Frau sind sich gegenseitig Geheimnis des Menschseins, in der Bedürftigkeit nach Ergänzung sind Mann und Frau nacheinander ausgestreckt. Was Wunder, daß diese Wahrheit von den Mauern geschrien wird, wenn man sie nicht wahrhaben will?

LeerEs gibt keine ursprünglichere Verwiesenheit - außer der des Menschen zu Gott, als die von Mann und Frau. Und uns will scheinen, daß wir gerade durch diese Verwiesenheit auf Gott verwiesen sind. Denn unsere Gottebenbildlichkeit ist erläutert in dem Satz: „... zu Seinem Bilde, männlich und weiblich schuf Er sie.” Abgesehen von dem Verfall, der nicht nur in diesem Bezirk, sondern auch in den anderen schon genannten grassiert, wird hier eine Sehnsucht laut, die einer Urbedürftigkeit des Menschen entspricht.

LeerDie letzte Kategorie, das Verlangen nach Frieden und Geborgenheit, Sicherheit und Eintracht, überschneidet sich mit allen anderen, mit der ersten teilt sie das Verlangen nach Dauer und Schönheit, mit dem Abenteuerverlangen die Sehnsucht nach Sinn, sie will Ursprünglichkeit und sie will Liebe - in der echten Zuneigung der Geschlechter. Aber das wesentliche Moment in ihr ist die Geborgenheit, die Sicherung, der Friede ohne Krieg, das behütete Leben. In der Wirtschaftsreklame finden wir nicht allzu viel direkte Beispiele, es sei denn von Lebensversicherungen und Bausparkassen. Es scheint, daß dieses Verlangen eine ganz andere Sparte der Reklame ermöglicht und ausfüllt - die Heiratsannoncen.. Wir haben mehrere tausend Heiratsgesuche in den verschiedensten Zeitungen durchgeschaut. Es gab unter allen nur eine verschwindende Menge, die nicht forderten und versprachen: gesicherte Existenz. Wir meinen, daß man diese Tatsache nicht ohne eine gewisse Erschütterung hinnehmen dürfte.

Linie

LeerSo ungesichert ist das Menschenleben, so haltlos haben wir alle es schon erfahren. Alle folgenden Beispiele, die nur eine kleine Auswahl sind.besagen dasselbe: ein wenig Wärme, Sicherheit und Frieden erhofft sich das Herz, mag man es durch eine Pension oder durch ein eigenes Häuschen zu erlangen wünschen. Es spricht eine tiefe menschliche Not aus diesem Verlangen. Der Partner soll sein: häuslich, anschmiegsam, verträglich, gesund, lebenstüchtig, brav, ruhig, feinempfindend, anständig, friedliebend, lieb, gut, kameradschaftlich, charakterfest, aufrichtig, warmherzig, treu, herzensgebildet, reif, herzlieb, ehrlich, ordentlich, sauber, dankbar, passend, gemütlich, solid, wirtschaftlich, achtenswert, strebsam, schaffensfroh, aufrichtig, hausfraulich, innerlich, wertvoll, zuverlässig, verläßlich, ritterlich, still, ehrlich denkend, man sucht Halt und Güte, Kameradschaftlichkeit, Harmonie, friedliches Familienleben, Heimat, Zweisamkeit, eine glückliche Ehe, sichere Verhältnisse, bleibendes Einkommen, Pensionsberechtigung, gesicherte Position, Haus, Existenz, eigenes Geschäft, sichere Anstellung.

LeerEs bleibt nun noch zu fragen, welcher verborgene Sinn dieser Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, Glück und Frieden, Jugend und Schönheit innewohnt. Eigentlich erforderte diese Aufgabe einen größeren Raum; doch vielleicht gelingt es, in Kürze ihren Sinn einleuchtend zu machen. Dadurch, daß wir die Wirkung der Reklame auf reale menschliche Sehnsucht zurückgeführt haben, ist noch nicht die Berechtigung solcher Sehnsucht erwiesen. Uns bleibt auch keine Möglichkeit, ihre Berechtigung wissenschaftlich zu erweisen. Wir meinen, letztlich wäre es Glaubenssache, ja Aufgabe christlicher Gläubigkeit, sie gutzuheißen. Man könnte nämlich Zug um Zug diese Sehnsucht - als Verheißung in der Heiligen Schrift wiederfinden. Denken wir nur an die Friedensbilder bei Jesaias, an die immer wiederholte Verkündigung von Frieden und Sättigung im Alten Testament, nehmen wir dazu die Offenbarung Johannis, die in überquellendem Reichtum das Leben im Neuen Jerusalem schildert und sich nicht scheut, das Bild von Bräutigam und Braut als Bild der vollendeten Schöpfung hinzustellen. „Nicht Tod wird sein, noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz wird sein ...” Dorthin zielt die Sehnsucht - ohne es zu wissen.

LeerWie aber konnte sie ihr eigentliches Ziel vergessen und so furchtbar verfallen? Die Antwort ist leicht gegeben, aber schwer zu vollziehen: wir haben nicht wahrgemacht, daß die Verheißung Gottes auf die Erde bezogen ist, wir haben ein „rein geistiges” Christentum gewollt, anstatt ein Heil, das auf dieser unserer Erde geschieht und noch geschehen soll.

LeerDie Wirkung der Reklame beruht also auf etwas wesenhaft Menschlichem. Die Hoffnungen, die die Menschen treiben, sind legitim. Aber daß diese Hoffnungen sich, wenn auch unbewußt, von dem wirklich Heilspendenden abgewandt haben und leeren Täuschungen verfallen sind, daß sie sich ver-kehrt haben, ist eine der erschreckendsten Tatsachen unseres Jahrhunderts. Doch sollte man durch alle Perversion hindurch den Schrei der Not hören, der in einer sinnlosen Welt nach Heil verlangt. Auch hier noch sollten wir das Verlangen des Menschen hören, das in einer Welt ohne Gott nach Dauer und Bestand und Geborgenheit schreit.

Quatember 1953, S. 201-206

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-17
Haftungsausschluss
TOP