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Das alttestamentliche Bilderverbot und die christliche Kunst
von Wilhelm Stählin

LeerDas „Moderamen” (das ist die leitende Körperschaft) des Reformierten Bundes in Deutschland hat auf seiner Sitzung in Detmold im Frühjahr dieses Jahres ein Wort zur Anwendung des 2. Gebotes (reformierter Zählung, also des Bilderverbots) beschlossen, das in den Kreisen der christlichen Künstler großes Aufsehen, um nicht zu sagen große Bestürzung hervorgerufen hat. Darin heißt es:
„Gott hat sich uns in Jesus Christus, seinem fleischgewordenen Wort, offenbart. Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. In der Predigt seines Wortes wird Gott durch die Kraft des Heiligen Geistes der Gemeinde und der Welt gegenwärtig. Allein in der Verkündigung des Wortes Gottes wird Jesus Christus den Hörern nach dem apostolischen Zeugnis „vor Augen gemalt” (Gal. 3, 1).

Der Sohn Gottes hat wahre menschliche Natur angenommen. Er ist aber zugleich wahrer Gott. Daher sind die Abbildungen Jesu Christi ebenso unmöglich wie Abbildungen Gottes. Sie reißen die wahre Gottheit und die wahre Menschheit Christi auseinander. Abbildungen Jesu Christi können immer nur einen Menschen darstellen, ohne gleichzeitig, wie das in der biblisch bestimmten Predigt geschieht, seine Gottheit zu bezeugen. Unsere Predigt hat sich zwar menschlicher Bilder und Gleichnisse zu bedienen. Sie bedarf aber der Anleitung des Wortes der Heiligen Schrift und der Zucht des Heiligen Geistes, um nicht der Willkür menschlicher Phantasie zu verfallen. Das zweite Gebot ruft uns von allen Gottesbildern weg, die wir uns in Gedanken machen, einerlei, ob diese Gedankenbilder in der Kunst Gestalt gewinnen oder nicht.”
Leer(Der volle Wortlaut dieser Kundgebung des Moderamens ist abgedruckt in der „Evangelischen Welt” VIII, 5, 1. März 1953.)

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LeerDie Konferenz über Kirche und Kunst, die vom 17. bis 22. April im Ökumenischen Institut in Bossey stattfand, hat dazu in großer Einmütigkeit eine Erwiderung formuliert, die erst jetzt über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus bekannt wird; es ist besonders bemerkenswert, daß dieses Wort von Bossey unter entscheidender Mitwirkung von Professor D. Albertz, der selbst als Mitglied des Moderamens zu den führenden Gliedern der reformierten Kirche in Deutschland gehört, zustande gekommen ist.
„Die Konferenz über Kunst und Kirche hat sich in ihrer Maler- und Bildhauergruppe, veranlaßt durch die Kundgebung des Moderamens des Reformierten Bundes für Deutschland, mit der Auslegung des Bilderverbotes, 2. Mose 20, 4-6, beschäftigt und faßte das Ergebnis folgendermaßen zusammen:

Wir stellen uns unter das Gericht Gottes über allen Bilderdienst, der die Kreatur zum Götzen macht, und sehen in Übereinstimmung mit dem Apostel Paulus (Rom. 1, 23-25) die Ursünde der Menschheit darin, daß sie in ihrer von der eigenen Vernunft und Phantasie geleiteten natürlichen Religion nicht Gott, sondern sich selber die Ehre gibt. Wir wissen auch um die Gefahr, daß wir irgendein Christusbild mehr lieben als den lebendigen Christus selbst, den wir bezeugen wollen. Nicht bloß die Bilder der Kunst, sondern auch die der Gedanken fallen unter das Gericht Gottes (Ap.-Gesch. 17, 29), so daß auch jeder christologische Gedanke unter den Gehorsam Christi gefangen zu nehmen ist (2. Kor. 10, 5). Solche, die der Kirche mit ihrem Wort in Rede oder Buch, oder solche, die ihr mit der bildenden Kunst dienen wollen, sind einander schuldig, vor Gott zu bekennen, daß sie in dieser Hinsicht in der gleichen Lage und in der gleichen Gefahr sind.

Nun hat aber Gott unter uns sein vollkommenes, einziges Ebenbild in Jesus Christus als den Mensch Gewordenen aufgerichtet und uns Menschen aufgerufen, dieses Christusbild im Glauben, den der Heilige Geist schafft, in unserem Leben nachzubilden. Darum dürfen nicht nur die Theologen, sondern auch die Künstler, beide in der besonderen Weise des ihnen gewordenen Auftrags, den für uns Gekreuzigten und Auferstandenen als den Mensch Gewordenen vor die Augen malen (Gal. 3,1). So richten wir an Künstler und Theologen in gleicher Weise die Bitte, immer der Unzulänglichkeit ihrer Mittel bewußt zu sein, mit denen sie das Fleisch gewordene Wort Gottes bezeugen, und sich allezeit unter das Urteil dieses Wortes zu beugen, aber auch im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes mit aller Freudigkeit ihr Christuszeugnis im Gottesdienst der Gemeinde und vor aller Welt zu geben.

Wir, die wir in Bossey an der Begegnung von Künstlern und Theologen teilgenommen haben, bitten alle, zu denen dieses unser gemeinsames Wort dringt, nicht einem gesetzlichen Verständnis des Wortes Gottes zu verfallen, sondern im Glauben an das Evangelium mit uns an dieser Verantwortung und dieser Hoffnung teilzuhaben.”
LeerWir behalten uns vor, auf die Frage des alttestamentlichen Bilderverbotes, die viele unserer Freunde ernsthaft beschäftigt, in größerem Zusammenhang zurückzukommen.

Quatember 1953, S. 236-237

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-05
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