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„Quatember” zwischen Kanaan und Babylon
von Erich Müller-Gangloff

LeerEs scheint unserer erklärten Absicht, in diesen Heften alles pro-domo-Sprechen von Herausgeber und Schriftleiter zu vermeiden, selbst Rezensionen ihrer Buchveröffentlichungen nur in der Form der Selbstanzeige zuzulassen, sehr entschieden zu widersprechen, wenn wir hier ein ganzes Heft dem siebzigsten Geburtstag des Herausgebers widmen. Gleichwohl glauben wir dazu keiner Entschuldigung zu bedürfen. Es scheint uns nicht einmal eine ausführliche Begründung vonnöten. Jeder, der auch nur eine ungefähre Vorstellung davon hat, in welcher engen Verknüpfung die Lebensarbeit Wilhelm Stählins mit Berneuchen und der Michaelsbruderschaft und speziell mit den Evangelischen Jahresbriefen von den frühesten Anfängen an gestanden hat, wird es als selbstverständlich ansehen, daß ein zu diesem Zeitpunkt erscheinendes Heft der Jahresbriefe soweit irgend möglich in seinem Zeichen steht.

LeerBei solcher Gelegenheit mag es wohl auch dem Schriftleiter erlaubt sein, ein persönliches Wort zu sagen, das allerdings ganz unmittelbar zur Sache - zur Sache des „Quatember” nämlich - gehört. Der Schriftleiter zählt zu jener jüngeren Generation, die um annähernd ein Menschenalter von den Stiftern der Bruderschaft geschieden ist und über deren besonderes Verhältnis zu Wilhelm Stählin Heinz Dietrich Wendland einen eigenen Beitrag für dieses Heft geschrieben hat. Er kommt aber noch von etwas weiter her als diese Generation, da er nicht nur „Laie”, sondern ein ausgesprochener Heidenchrist ist, der erst als erwachsener Mensch hinter dem Stacheldraht des Kriegsgefangenenlagers den Weg zur Kirche fand. Er kommt sozusagen aus Babylon und will das auch auf keinen Fall verleugnen, ja, er sähe es fast als einen Verrat an, wenn er in Kanaan allzu heimisch würde und den bleibenden Auftrag an den Brüdern von Babylon vergäße.

LeerEs schien also „Quatember”, eine erhebliche Diskrepanz mit auf den Weg gegeben, den es im vergangenen Herbst mit Wilhelm Stählin als Herausgeber und Müller-Gangloff als Schriftleiter neu begann. Ein Bischof und Theologieprofessor auf der einen Seite und auf der anderen ein Journalist und reichlich ungebärdiger Stacheldrahtchrist - wie sollte das gutgehen?

LeerDer Schriftleiter möchte behaupten, es sei nicht nur gut, sondern ausgezeichnet gegangen. Es steht ihm nicht an, die eigene Zeitschrift zu loben, aber soviel darf zum siebzigsten Geburtstag des Herausgebers vielleicht doch pro domo gesagt werden, daß sowohl die Spannung zwischen den Generationen als auch die zwischen Theologen- und Laientum anstatt hemmend bisher nur helfend und fördernd gewirkt haben. Nur die zwischen Kanaan und Babylon war - um auch ein wenig aus der Schule zu plaudern - nicht immer ganz leicht zu überbrücken. Es wird dem schärfer blickenden Auge manches Lesers nicht verborgen geblieben sein, daß die Stimmen Kanaans und Babylons in diesen Blättern manchmal ein wenig unverbunden nebeneinander standen.

LeerDas muß aber nicht unbedingt ein Schade sein. Es ist eben doch ein recht weiter Weg von Kanaan nach Babylon - und umgekehrt. Aber da dieser Weg gerade in dieser unserer Zeit unbedingt gegangen werden muß, weil Kanaan nicht mehr an Babylon, Babylon aber auch an Kanaan nicht mehr vorbeisehen kann, ist es vielleicht keine ganz schlechte Lösung, wenn gleichsam beide geistige Landschaften - die geistigen Pole unserer Welt - an der Verantwortung für eine Zeitschrift beteiligt sind, die so entschieden wie Quatember ebenso für die Welt wie für die Kirche da sein will.

Quatember 1953, S. 256

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-05
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