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Willy Fries und die Trümmerwelt
von Friedrich Schönfeld

Johannes predigt in der WüsteLeerDie Bilder des Schweizer Malers Willy Fries werden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Leipzig gezeigt werden. Das ist eine Heraushebung ohne Beispiel. Könnte man sich bei einem anderen lebenden Maler vorstellen, daß seine Arbeiten allein an so sichtbarer Stelle als bezeichnender Hinweis gewertet werden? Unsere Bildprobe von der Predigt Johannes des Täufers ist dem Bildkreis „Christ ist geboren” entnommen, der nach dem Kriege entstand. Auch er wird in Leipzig in den Originalen zu sehen sein. Die Düsterkeit, die Farbarmut seiner Passionsfolge aus den Jahren 1935-1945 ist einer kräftigen Farbigkeit gewichen, wenngleich die Kontur, das Zeichnerische noch immer vorherrscht. Daß der Versuch der Vergegenwärtigung so kompromißlos mutig unternommen ist, läßt aufmerken. Aber das allein überzeugt noch nicht.

LeerDas Bild von der Johannispredigt zeigt Zutaten aus der heutigen Umwelt. Helle Mauersteine füllen den Bogen. Die Menschen, die zuhören, tragen Kleider wie du und ich, Brillen und Krücken als Menschen von heute. Auch Fritz von Uhde stellte neutestamentliche Szenen in deutsche Häuser und Familien seiner eigenen Epoche. Das ändert nichts daran, daß gerade diese Kostümwahl, diese betonte Aufmachung vielen Betrachtern - ich selbst bekenne mich dazu - als Warnung erscheinen müssen. Als Warnung, die uns zuruft: Hier tut ein Unerschütterter so, als nähme er Christus mitten hinein in sein gegenwärtiges Sein. Aber ist dieser Christus mehr als ein Kostümträger, eine Dekoration, eine feierliche Zutat, die keine Veränderung wirkt, die keinen Umsturz auslöst?

LeerNun ist die Umwelt, die Fries schildert, gewiß umgestürzt, ganz und gar nicht glatt und heil; aber was hat sie so zugerichtet? Nur die Vernichtungswaffen unseres Jahrhunderts? Oder am Ende auch und eigentlich das Wort, das zufährt wie kein zweischneidig Schwert? Solch Fragen ist der eigentliche Maßstab bei der Bewertung der Bilder von Willy Fries. Nicht ihr Stil, so ungewohnt er demjenigen erscheinen mag, der in Dingen der bildenden Kunst wenig zu Hause ist. Dem mit diesen Fragen Vertrauten erscheint er gar nicht so außergewöhnlich. Denn was einem hausbackenen Gemeindegeschmack dabei als zu „modern” zu schaffen macht, ist den Modernen in der Kunst, die etwas von Otto Dix und seiner neuen Sachlichkeit wissen, schon längst wieder nicht mehr modern genug.

LeerAber darauf kommt es wirklich nicht an. Den Ausschlag gibt etwas, das nicht zu beschreiben ist und für das es kein Rezept gibt. Willy Fries selbst hat in seinem Werkstattbuch geschrieben: „Die Verbannung der bildenden Kunst aus dem Anspruchsbereich der evangelischen Botschaft scheint mir weder menschlich noch theologisch haltbar. Warum sollte der Künstler, dem schon von Geburt an ein Instrument in die Hand gegeben ist, nicht darauf spielen dürfen?” Anspruchsbereich der evangelischen Botschaft - das ist es. Die Trümmer der Großstädte nach dem Bombenkrieg, die Gejagtheit und die Ängste des Menschen von heute sollen uns gesegnet sein, wenn sie die Johannespredigt unterstreichen, daß das Himmelreich nahe herbeigekommen und nichts so nötig ist wie Buße. Üppigkeit und Tünche, Glattheit und Wohlstand gehören aber auch zu jenem Anspruchsbereich. Die Gestalt allein macht es nicht. Der Ruf, der in- ihr lebt, der sie trifft und von der Kraft zeugt, sie zu zerbrechen und sie zu heilen - er allein gibt den Ausschlag.

LeerDie Bilder von Willy Fries haben ihre Berufung. Vieles an ihnen ist Zeitdeutung und Form, die vergeht. Aber der Mensch, der hier nach Ausdruck ringt, will mehr. Wir brauchten es nicht zu wissen, um es den Bildern abzuspüren. Ob und wieweit zum Wollen das Vollbringen getreten ist, wer wollte das jetzt schon entscheiden?

Quatember 1954, S. 164

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-02
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