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(Nach einem Menschenalter IX) von Wilhelm Stählin |
Wir haben im Rahmen des Berichts über unser Jahrbuch „Das Gottesjahr” (Nach einem Menschenalter VIII) von der Entstehung und den tastenden Anfängen unserer Wochensprüche erzählt. Für viele Menschen sind diese Sprüche in all diesen Jahren zu treuen Begleitern durch die Wochen des Kirchenjahres geworden und haben gerade in ihrer alljährlichen Wiederkehr den einzelnen Sonntagen das Gepräge gegeben. Zugleich haben sie wie jede gute Ordnung ein Band der Gemeinsamkeit geknüpft zwischen denen, die sie regelmäßig vor Augen und im Herzen hatten, und man wußte sich in einer gemeinsamen geistlichen Welt verbunden, wenn man in einem Haus, in dem man zu Gast war, an der Wand oder auf dem Schreibtisch „unsere” Wochensprüche fand. Dabei war diese Gemeinsamkeit keineswegs auf unseren „Berneuchener Kreis” beschränkt, sondern es haben weithin auch andere kirchliche „Verbände” diese Wochensprüche gebraucht. Im Jahre 1935 fand in Hannover unter dem Vorsitz von D. Marahrens eine eigene Konferenz statt, um die Reihe der Wochensprüche in eine solche Form zu bringen, die den Wünschen dieser verschiedenen Kreise entsprach. Leider war seit einigen Jahren sowohl die Ausgabe der Wandsprüche wie die kleine Ausgabe in Postkartengröße völlig vergriffen; so daß niemand, auch wenn er das Verlangen danach hatte, sich neu an diese Ordnung binden konnte. Mancherlei Änderungen in der Auswahl oder der Textfassung der einzelnen Sprüche, die sich im Laut der Jahre als notwendig erwiesen hatten, ließen es nicht ratsam erscheinen, die Sprüche neu zu drucken, solange nicht diese Verhandlungen zu einem gewissen Abschluß gekommen waren. Diese Verhandlungen wurden in den letzten Jahren wesentlich innerhalb der Lutherischen Liturgischen Konferenz geführt mit dem Ziel, den Bedenken Rechnung zu tragen, die gegen einige der uns gewohnten Sprüche erhoben waren, und den Wortlaut überall dem von der Lektionarskommission jener Konferenz festgelegten Text anzugleichen. Die Agende der Vereinigten evangelisch-lutherischen Kirche sieht ferner vor, daß der Eingangspsalm (Introitus) dem sonntäglichen Hauptgottesdienst (mit Predigt und Abendmahlsfeier, der „Evangelischen Messe”) vorbehalten bleiben, dagegen der reine Predigtgottesdienst (wie bisher in der preußischen Unionsagende) mit einem „biblischen Votum” als „Eingangsspruch” begonnen werden soll, daß aber dieser Eingangsspruch nicht frei gewählt, sondern dafür der Wochenspruch gebraucht werden soll, so daß diese Reihe von Sprüchen damit auch einen festen Ort in der Ordnung des Predigtgottesdienstes haben soll. Auch im Hinblick auf diese Verwendung der Wochensprüche war eine Verständigung in einigen Punkten notwendig. Mit einer einzigen Ausnahme kam in allen Fragen eine völlige Einigung zustande, und so schien es mit und anderen, denen die Reihe der Wochensprüche lieb und vertraut geworden war, richtig. um dieser Einmütigkeit willen einige wenige Änderungen in Kauf zu nehmen. Die Verbreitung der auch im Wortlaut völlig gleichen Wochensprüche in dem Gesamtbereich aller der Kirchen, die sich künftig an die Agende für lutherische Kirchen und Gemeinden (nicht nur innerhalb der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche) halten werden, ist eine so erfreuliche (und vor einigen Jahren noch kaum zu erhoffende) Entwicklung, daß wir um des willen uns selbst und unseren Freunden dieses geringe Opfer glauben zumuten zu dürfen. Ich habe diese Vorgeschichte so ausführlich erzählt, um all denen, die geneigt sind, sich darüber zu beklagen, daß „schon wieder etwas geändert wird”, deutlich zu machen, daß diese Änderungen nur nach sorgfältiger Überlegung, zum Teil nach langen Verhandlungen und mit triftigen Gründen vorgenommen sind. Ich gebe eine Übersicht über die Änderungen, die in der neuen Auflage der großen und der kleinen Reihe unserer Wochensprüche durchgeführt sind. 2. In drei Fällen wurde der bisherige Spruch durch einen anderen Spruch ersetzt. Der Anfang des Magnificat (des Lobgesangs der Maria) soll nicht mehr als Wochenspruch für den vierten Advent verwendet werden, weil er im täglichen Abendgebet seinen festen liturgischen Ort hat; stattdessen soll die nahende Freude, die über diesen Tag aufleuchtet, in dem Spruch zum Ausdruck kommen: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermal sage ich: Freuet euch. Der Herr ist nahe.” (Phil. 4, 4.5) Der Sonntag Rogate erhält den Spruch „Gelobet sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch Seine Güte von mir wendet” (Ps. 66, 20), einen Spruch, der deutlicher als der vorweggenommene Spruch des Himmelfahrtsfestes die Beziehung auf das Gebet erkennen läßt. Der Spruch, der bisher für den zweiten Sonntag nach Michaelis (20. Sonntag nach Trinitatis) gegolten hat (2. Tim. 2, 19), ist immer als sprachlich und inhaltlich besonders schwierig empfunden worden und wird darum durch einen anderen Spruch ersetzt, der deutlicher die Beziehung auf das Evangelium mit dem Wort von dem hochzeitlichen Kleid enthält: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und Ich will seinen Namen bekennen vor Meinem Vater und Seinen Engeln.” (Offenb. 3, 5). Ich halte alle drei Änderungen für eine wirkliche Verbesserung und meine, daß sie als eine fühlbare Erleichterung aufgenommen werden könnten. 3. An einigen wenigen anderen Stellen ist die Textfassung dem Wortlaut des Lektionars angeglichen worden; es sind zumeist ganz geringfügige Änderungen, die den Sprachklang verbessern, und wir können nur bitten, auch diese kleinen Änderungen zu beachten, damit nicht verschiedene Fassungen einander im Gebrauch stören. 7.n. Trinitatis: Das schwer verständliche „begebet” (in Röm. 6, 19) ist ersetzt durch „gebet hin . . .” „Gebet hin eure Glieder zum Dienste der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden!” 6. n. Michaelis (= 24.nach Trin.): Nach heutiger Überzeugung der meisten Ausleger gehören in Kol. 1, 12 die Worte „mit Freuden” nicht zum vorhergehenden, sondern zu dem neuen Satz; dem entsprechend lautet der Spruch „Danksaget mit Freuden dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht”. Wer weiß, wie schwierig solche Verhandlungen sind, und wie zäh dabei manchmal der Widerstreit der verschiedenen Meinungen ist, kann nur mit Freude und Dankbarkeit feststellen, daß die Zahl und das Gewicht der Änderungen, die uns einen Verzicht auf das Gewohnte und Vertraute zumuten, sehr gering ist, und daß sich also unsere bisherige Reihe von Wochensprüchen mit verschwindenden Ausnahmen auch für einen weiteren Kreis und für eine neue Verwendung bewährt hat. Es besteht allgemein Einverständnis darüber, daß, falls an jenen biblischen Voten als Eingangssprüchen noch etwas geändert werden sollte, die Wochensprüche von diesen Änderungen nicht mehr betroffen werden sollen. In einem einzigen Fall konnten wir uns nicht einigen. In unserem Wochenspruch für den Palmsonntag sind einige Satzteile aus Jes. 53, 11.12 in freier Weise zusammengefügt. Dieses schien der Mehrzahl der Mitglieder der Lutherischen Liturgischen Konferenz nicht erlaubt, und es wurde darum der Spruch (als Eingangsspruch für Predigtgottesdienste an diesem Sonntag) auf einen Teil von Vers 12 beschränkt („Er soll die Starken zum Raube haben, darum daß er sein Leben in den Tod gegeben hat und hat vieler Sünden getragen”); wir dagegen wollten auf den inhaltlich so wichtigen Ausdruck „daß seine Seele gearbeitet hat” nicht verzichten und haben darum für den Wochenspruch die bisherige Fassung beibehalten. Wir glaubten unseren Lesern, unter denen viele die Wochensprüche lieben und sie gern in ihrem Neudruck erwerben und gebrauchen werden, diese eingehende Rechenschaft über die wenigen Änderungen schuldig zu sein. Ein Einblick in die Werkstatt solcher liturgischen Beratungen und Entscheidungen zeigt, wie vieles dabei zu bedenken, wie viel Rücksichten zu üben sind, und kann - wie wir hoffen - auch den zunächst Mißtrauischen und Bedenklichen davon überzeugen, daß die neue und wie wir glauben endgültige Fassung der Wochensprüche nicht aus der Freude am Wechsel oder am Experimentieren, sondern aus ernsthaften Überlegungen erwachsen ist. Quatember 1955, S. 24-26 [Lutherische Liturgische Konferenz] |
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