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von Rudi Wagner |
Zwei Bücher sind mit der Liturgie der Kirche seit frühester Zeit auf das engste verbunden: die Bibel und die Agende. Wir wissen, daß beide Bücher besonders im Mittelalter für ihre Aufgabe im Gottesdienst mit Sorgfalt kunstvoll gestaltet und häufig auf das wertvollste ausgestattet waren. Es sei an die eindrucksvollen Buchmalereien erinnert und an die prächtigen mit Elfenbeinschnitzereien und Edelsteinen geschmückten Bucheinbände. Allerdings standen sowohl die Gestalter als auch die Benutzer jener Bücher in weltanschaulich-geistlicher Einheit. Für den gestaltenden Menschen hatte der „Stil” jener Buchkunst keinen außerhalb seiner selbst bestehenden Wert, sondern war die Ausstrahlung der Kräfte, von denen er und seine Zeit erfüllt waren. Wir sind weit entfernt von jener frühen schöpferischen Kraft und Möglichkeit. Trotzdem soll hier auf eine Bibel für den gottesdienstlichen Gebrauch und eine für unsere Tage wertvolle Agendenausgabe hingewiesen werden, die beide gerade in diesen Tagen fertiggestellt wurden. Beide Bücher sollen hier nur von ihrer gestalterischen Seite her betrachtet werden. Beginnen wir unsere Betrachtung von der Schrifttype her, die für beide Werke die gleiche ist. Sowohl die Bibel als auch die Agende (Agende für Evangelisch-Lutherische Kirchen und Gemeinden, Band I, Altarausgabe, herausgegeben von der Kirchenleitung der Vereinigten Lutherischen Kirche in Deutschland im Lutherischen Verlagshaus Berlin) wurden mit der Hand aus der unter dem Namen „Jessen-Schrift” bekannt gewordenen Schrift gesetzt. Diese Schrift hat Rudolf Koch nicht wie es sonst üblich ist gezeichnet oder geschrieben, sondern er hat in mühevoller Arbeit jeden einzelnen Buchstaben aus dem Metall herausgeschnitten. So ist eine Schrift entstanden, die in holzschnittartigem Charakter ein prägnantes und damit der Lesbarkeit dienendes Gesicht erhielt. Alle Großbuchstaben entsprechen einfachen Antiquaformen. Dieser Umstand stellt die Schrift in unsere Zeit hinein. Sie wird darum auf lange Zeit hinaus ihre Bedeutung behalten. Es ist dies jedoch keine Schrift, die in jedem beliebigen Buche verwandt werden könnte. Dies hängt damit zusammen, daß Rudolf Koch eine Schrift für den Bibeldruck schaffen wollte. In seinem Buch über Rudolf Koch zitiert Oskar Beyer: „Meine Bibelschrift ist fertig”, berichtet er Mai 1925, „ich will das Neue Testament anfangen zu drucken”. Über 25 Jahre sind vergangen, ehe es zum Druck einer Kanzelbibel mit den Bibeltypen Rudolf Kochs kommen konnte. Weil diese Bibel jetzt erschienen ist, berichten wir. Es handelt sich um eine Bibelausgabe, die die Bibelanstalt Altenburg in diesem Jahre fertiggestellt hat. Sie hat das Format 26 x 20 Zentimeter, ist in Ganzleder gebunden, mit würdiger Gestaltung des Einbandes und mit Goldschnitt und Lesebändern versehen. Der Text ist in zwei Spalten im Korpus-Schriftgrad (zwei Grade größer als die Schrift dieses Aufsatzes) gesetzt worden. Das Satzbild der Seiten ist ruhig und von sachlicher Schlichtheit. Der Text ist in Sinnabschnitte unterteilt. Die Versziffern sind aus dem Text herausgenommen und stehen jeweils an der rechten Kante der rechten Kolumnen oder an der linken Kante der linken Kolumnen. Die Versanfänge selbst sind durch einen hochgestellten Punkt gekennzeichnet, so daß jeder Versanfang sichtbar ist und leicht aufgefunden werden kann. Diese Möglichkeit wurde vom Verfasser dieses Berichtes hier zum ersten Mal in einer vollständigen Bibelausgabe ungewandt. Diese Bibel ist die erste vollständige Bibel in Kochs „Bibelschrift”. Was aber noch wichtiger ist: Vor fast 50 Jahren, im Jahre 1908, wurde die letzte als Altarbibel gedachte und entsprechend sorgfältig gestaltete Bibel von der damaligen Reichsdruckerei in der Ausstattung von Ludwig Sütterlin gedruckt. Es war also schon längst an der Zeit, daß eine Bibel für den Gottesdienst gedruckt würde. Mehrfach und wiederholt hat der Herausgeber dieser Zeitschrift mit Dringlichkeit auf diesen Notstand hingewiesen, und der Verfasser hat diese Not zu seiner eigenen Sache gemacht. Der Aufsatz über die Typographie sollte ebenfalls den Boden bereiten helfen. So dürfen wir dankbar sein, daß diese Bibel endlich, wenigstens im Raum der DDR, gekauft werden kann. Es mag ein Zeichen sein, daß dieses Buch gerade unseren Brüdern im Osten zur Verfügung stehen wird. Das ganze Buch ist zweifarbig gedruckt: in Rot und Schwarz. In der roten Farbe sind im echten Sinne des Wortes die Rubriken (rubrum = rot) gedruckt. Außerdem aber auch die Initialen, die hier eine wirkliche Funktion erfüllen, zeigen sie dem Liturgen doch den jeweiligen Beginn seines Textes an. Nicht unwichtig war die Wahl des Papiers. Es ist für den Zweck der Agende ein gelblich getöntes Papier angefertigt worden, denn es ist ein Irrtum zu meinen, gedruckte Schrift auf weißem Papier sei besonders gut lesbar. Vielmehr wird die Schrift von dem weißen Papier überstrahlt. Das Auge wird angestrengt und die Lesbarkeit gemindert. Die zu sprechenden Texte sind in besonders großem Schriftgrad (Mittel) gesetzt. Auch die Noten wurden eigens für diese Ausgabe gezeichnet und für den Notensatz geschnitten. Die Notenlinien sind rot gedruckt. Viele Dinge mußten außerdem bei der Gestaltung beachtet werden. Etwa dies, daß das Ordinarium in die Mitte des Buches zu stehen kam. Ist doch während des Gottesdienstes das Buch meist an dieser Stelle aufgeschlagen. Manche typographische Form wurde erst während der Satzarbeiten durch Versuche gefunden. So leuchtet sicher ein, daß nicht nur verschiedene Stellen unabhängig voneinander Korrektur gelesen haben, sondern daß auch jede Seite der Agende der Bearbeitung in typographischer Hinsicht bedurfte. An beiden Büchern mag der Freund schöner Bücher eine Augenfreude haben. Entscheidend aber ist ihre Aufgabe und Funktion im Gottesdienst. Wenn ein Buch für seine Aufgabe richtig gemacht ist, bedarf es keiner ästhetischen Zutaten. Vielmehr wird es dann an sich und aus sich heraus ein schöner und erfreulicher Gegenstand sein. Dies aber, so hoffen wir, zeigt sowohl die Agende wie die Bibel. Quatember 1957, S. 230-231 |
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