Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1964
Autoren
Themen
Stichworte

Das „Gemeinsame Beten” in Bonn
von Wolff von Lupin

LeerAn den interkonfessionellen Gebetsandachten, die, wie letzthin berichtet, in Kassel, Marburg und Bonn, aber auch anderwärts (Hamburg, Augsburg u. a.) stattgefunden haben, ist eine Kritik geübt worden, die es wünschenswert erscheinen läßt, eine ausführlichere Schilderung zu bringen. (Die Schriftleitung)

LeerAm 26. September 1962 pilgerten ein paar katholische und evangelische Christen auf den nahen Kreuzberg, um in der dortigen Franziskanerkirche gemeinsam um den Frieden in der Welt, um Brot für die Hungernden und Einheit im Glauben zu beten. Wir luden dort gleich zum nächsten Beten am 1. Adventssonntag in die Schloßkirche ein, wo dann bei den 200 Teilnehmern eine freudige Erregung zu spüren war. Einige waren so ergriffen, daß sie kaum noch mitsprechen und mitsingen konnten. - In der Ökumenischen Gebetswoche im Januar 1963 wurde gemeinsam in der katholischen Kirche St. Elisabeth, in der Exaudi-Woche in der evangelischen Friedenskirche gebetet und am Michaelstage in der katholischen Kirche St. Michael. Die Zahl der Teilnehmer wuchs beträchtlich. - Stadtbekannt wurde das „Gemeinsame Beten” am ersten Adventssonntag 1963 in der zentral gelegenen evangelischen Kreuzkirche mit 1300 Teilnehmern und am Sonntag der Ökumenischen Gebetswoche (19. Januar 1964) in der katholischen Münsterkirche mit 2500 Teilnehmern. Es war geradezu ein Ereignis, daß in diesen Kirchen, welche einst wie Bollwerke im Konfessionskampf empfunden worden waren, nun Brüder und Schwestern der verschiedenen Konfessionen in solcher Menge zu gemeinsamem Gebet vereint waren. Offenbar wurden die Herzen sehr vieler Menschen gewandelt. Auch die Wirkung auf maßgebende Persönlichkeiten blieb nicht aus. Allenthalben ist freudige und dankbare Zustimmung zu hören.

LeerEtwa siebzig Laien tragen das „Gemeinsame Beten” und kommen gelegentlich zusammen; auch ein paar Theologen nehmen teil. Je zwölf evangelische und katholische Laien unterzeichnen die Einladungen. Diese Einladungen - zuletzt 13000 - sind in allen katholischen und evangelischen Kirchen Bonns sowie in vielen Ämtern und in Gemeinschaften verteilt worden. Dabei hat sich manch einer sehr verdient gemacht. Auch abgekündigt wurde das „Gemeinsame Beten” in allen Kirchen, von vielen Pfarrern recht eindrücklich. Im Auftrage der Laien, die das Gebet tragen, hat ein evangelischer Pfarrer für das Beten in evangelischen Kirchen, ein katholischer Pfarrer für das Beten in katholischen Kirchen die Texte verfaßt. Jedoch wird nun gewünscht, daß alle Texte von einer kleinen Gruppe von Evangelischen und Katholiken gemeinsam erarbeitet und verantwortet werden. Die für alle Teilnehmer bestimmten Texte enthalten Lieder, Psalmen, welche die Gemeinde versweise im Wechsel betet, Angabe der zu verlesenden Schriftabschnitte, sowie jeweils neu formulierte Gebete, die im Wechsel zwischen einem Vorbeter und der Gemeinde verrichtet werden. Vorbeter und Lektoren waren je zwei evangelische und katholische Laien. Einige Male sang auch ein Kirchenchor. Gegen einige Bedenken und Widerstände haben wir uns dazu entschlossen, daß der Pastor loci ein Grußwort spricht, wodurch das „Gemeinsame Beten” zu einer Sache der Gemeinde wird, in deren Kirche es stattfindet. - Die Kollekten in den katholischen Kirchen sind für „Brot für die Welt”, die in den evangelischen Kirchen für „Misereor” bestimmt.

LeerWir sind peinlich darauf bedacht, eine communicatio in sacris zu vermeiden, weil sonst den Katholiken die Teilnahme nicht möglich wäre. Wir hüten uns vor der Illusion, als könnten wir schon zusammen Gottesdienst feiern und als brauchte man Kirchenordnungen nicht mehr ganz ernst zu nehmen. Auch darf das Gemeinsame Beten niemals eine Sache einzelner Kreise oder Gruppen werden, auch wenn viel Anregung von ihnen ausgeht und viel Arbeit von ihnen geleistet wird. Wir beachten die ökumenische Arbeit der Theologen und haben in Bonn einen evangelisch-katholischen Arbeitskreis mit fruchtbaren Gesprächen.

LeerMit dem „Gemeinsamen Beten” bekunden wir unser brennendes Verlangen nach der Einheit der Christen, aber bezeugen damit zugleich, daß wir sie nicht schaffen können, sondern von Gott erbitten müssen. Wir haben etwa gebetet, Gott möge uns zusammenführen, wo wir uns in der Auslegung Seines Wortes noch nicht verstehen und verständigen können, Er möge uns zusammenführen am Tisch des Herrn, Er möge in der ganzen Christenheit die Bereitschaft erwecken, Buße zu tun und sich von Ihm erneuern zu lassen, Er solle unsere müden und verzagten Herzen stärken, daß wir gemeinsam Ihn getrost und freudig erwarten. Auch haben wir nicht das Danken vergessen dafür, daß die Kirchengeschichte so über alles Bitten und Verstehen in Bewegung geraten ist.

LeerDas nächste Mal kommen wir zum gemeinsamen Beten am Sonntag Exaudi in der evangelischen Trinitatiskirche in Bonn-Endenich zusammen, das übernächste Mal in der katholischen Heilig-Geist-Kirche in Bonn-Venusberg. Sonst wollen wir uns Zurückhaltung auferlegen und das Ergebnis der Konzilsverhandlungen über das Schema „Ökumene” abwarten. Wir können nur hoffen, daß die Vorlage des Sekretariats Bea für die Einheit der Christen in ihren wesentlichen Stücken angenommen wird.

Quatember 1964, S. 124-125

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
Haftungsausschluss
TOP