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Ich glaube die heilige katholische Kirche
von Herbert Goltzen

LeerIn dem einen Herrn Jesus Christus besteht die Einheit der Kirche. Durch die Schuld und den Eigensinn ist sie in getrennte Kirchentümer auseinandergebrochen, die Kirchen des orthodoxen Ostens und des lateinischen Abendlandes, die Kirchen der Reformation und der Gegenreformation. Die Bemühungen um die Wiedervereinigung im Dogma, im Kirchenrecht und in der Frömmigkeit lassen das Endziel einer völligen Gemeinschaft noch nicht erkennen. Aber trotz der noch nicht erreichbaren vollen gegenseitigen Anerkennung entdecken die Kirchen, was ihnen immer gemeinsam geblieben war. Die Gültigkeit der einen Taufe ist wieder anerkannt worden. Wir beten das Gebet des Herrn wieder in einem gemeinsamen Wortlaut. Nachdem der ökumenische Vaterunser-Text mit Freude und ohne alle befürchteten Widerstände aufgenommen worden war, hat die "Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte des deutschen Sprachgebietes" (ALT) ihre Arbeit fortgesetzt. Sie umfaßt beauftragte Vertreter aller Kirchen des deutschen Sprachgebietes. Neben liturgischen Texten hat die ALT vor allem die beiden ökumenischen Glaubensbekenntnisse, das Apostolicum und das Nicänum übersetzt.

LeerIn der beglückenden gemeinsamen Übersetzungsarbeit während der Jahre 1966-1970 gab es niemals konfessionelle Differenzen; ausschlaggebend waren stets sachliche exegetische und sprachliche Überlegungen. So konnten den Kirchenleitungen sorgfältig durchdachte Entwürfe vorgelegt werden. An einer einzigen Stelle gelang es nicht, eine einheitliche Übersetzung durchzusetzen: im dritten Glaubensartikel in der Aussage über die Kirche. In Zeile 16 des Apostolischen Glaubensbekenntnisses heißt es: "die heilige katholische Kirche"; entsprechend in Zeile 25 des Nicänischen Glaubensbekenntnisses: "die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche". Jeder Theologe hat gewußt, daß in den Bekenntnissen, an die er sich in der Ordination gebunden hat, diese Aussagen von der sancta ecclesia catholica oder von der una, sancta, catholica et apostolica ecclesia standen. Nur den Gemeinden blieb das leider fast unbekannt. In den römisch-katholischen Gemeinden galt bis zum Konzil die lateinische Gottesdienstsprache. In den Gemeinden der Reformationskirchen herrschte die Muttersprache in Gottesdienst und Katechismusunterricht. Da die Gottesdienstordnungen sich in den Landeskirchen entwickelt hatten, waren mannigfach verschiedene Übersetzungen im Gebrauch. Auch die deutschen volkstümlichen Katechismen und Gebetbücher der römisch-katholischen Bistümer hatten die lateinischen offiziellen Texte im Lauf der Jahrhunderte verschieden übersetzt und erläutert. Der ALT wurden als Arbeitsunterlage Dokumentationen der verschiedenen deutschen Fassungen vorgelegt. Man war erstaunt über die vielen Verschiedenheiten, die sich keineswegs nur auf die Konfessionen, sondern auch landschaftlich verteilten.

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LeerDer Urtext "catholica ecclesia" wird im Bereich der evangelisch-lutherischen Kirchen meist mit "christliche Kirche", im unierten Bereich mit "allgemeine christliche Kirche" übersetzt. Das Wort "katholisch" kennt man meist nur als Bezeichnung von Einrichtungen der andern Konfession. Da das Bekenntnis der eigenen Kirche zur sancta ecclesia catholica weithin unbekannt war, pflegten "Protestanten" heftig gegen alles Ungewohnte, auch gegen jede "Neuerung" in Gesangbuch und Liturgie als gegen etwas "Katholisches" zu reagieren. Was sagt das gemeinsame Bekenntnis über die Kirche aus? Kath' hólou meint bei Platon, Aristoteles und in der antiken Literatur: "im Ganzen" - im Unterschied von katà méros, dem Teilweisen. Im Neuen Testament klingt dies an in der Bitte: "holókläron - ganz möge euer Geist und die Seele und der Leib ... bewahrt werden" (1. Tess. 5, 23). Jesus heilt am Sabbat den "Menschen ganz" (Joh. 7, 23). Der einmal (in der Taufe) Gewaschene "ist ganz rein", während in der Fußwaschung nur die erneuten Einzelsünden abgewaschen werden (Joh. 13, 10). Auf die Kirche angewendet meinen die griechischen Väter ihre "Ganzheit" gegenüber jeder Absonderung. Wenn der Bischof Ignatius von Antiochia (+ um 115) ermahnt, sich nicht von der Gemeinde und ihrer Eucharistie abzusondern und keiner Irrlehre zu verfallen, sieht er im Bischof den Wächter der Einheit der Kirche: "Wo der Bischof erscheint, da soll die Gemeinde sein, so wie dort, wo Christus Jesus ist, die katholische Kirche ist." (Brief an die Gemeinde in Smyrna 8, 12).

Leer"Katholisch" ist die Kirche, weil sie das Ganze der offenbarten Wahrheit bewahrt. Katholisch ist sie, weil sie in der ungebrochenen Verbindung mit ihrem Ursprung, mit Christus Jesus bleibt. Katholisch ist sie, weil sie alle umschließt, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus stehen. Die Katholizität der Ganzheit und Fülle der geoffenbarten Wahrheit tritt auch in Erscheinung in der "geographischen Katholizität", der Verbreitung der Kirche allerorten. Die Gemeinde von Smyrna, die von Ignatius zum Bleiben an der Katholizität ermahnt wurde, richtete "an alle Gemeinden allerorts der heiligen und katholischen Kirche" ein Rundschreiben, in dem sie über den Märtyrertod ihres am 22. Februar 156 verbrannten Bischofs Polykarp berichtet. Polykarp war noch Schüler des Apostels Johannes gewesen und sieht auf ein Leben von 86 Jahren der Nachfolge Christi zurück. Vor seiner Verhaftung gedenkt er noch betend "aller, die er je kennengelernt hatte", "der ganzen katholischen Kirche des Erdkreises". Die Gemeinde gedenkt ihres Märtyrerbischofs als eines "apostolischen und prophetischen Lehrers, eines Bischofs der katholischen Gemeinde von Smyrna". Er hat "mit den Aposteln und allen Gerechten" Gott verherrlicht und Jesus Christus gepriesen, "den Heiland unsrer Seelen, den Lenker unsrer Leiber und Hirten der über den Erdkreis verbreiteten katholischen Kirche". (Martyrium des hl. Polykarp, 8, 1; 16, 2; 19, 2). Hier treten schon alle Merkmale auf, die die Kirche vertrauenswürdig machen: ihre Verbindung zum Ursprung in der apostolischen Verkündigung, ihre Heiligkeit, ihre Einheit über den ganzen Erdkreis hin.

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LeerAuch Irenäus von Lyon um 180 versteht die Kirche als katholisch wegen der Einheit ihres Glaubens mit dem apostolischen Ursprungszeugnis und wegen ihrer Weltweite: "Die Kirche, die ja über die ganze bewohnte Welt bis an die Grenzen der Erde zerstreut ist, hat von den Aposteln und deren Schülern den Glauben ... übernommen." Ebenso zählt um 200 das erste Verzeichnis der Schriften des Neuen Testaments die von der "einen durch den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche", der "katholischen Kirche" rezipierten Apostelbriefe auf. In der Unterweisung der Taufbewerber erklärt Bischof Kyrill von Jerusalem in der Karwoche 348 den dritten Glaubensartikel von der katholischen Kirche: weil sie auf dem ganzen Erdkreis, vom einen Ende bis zum andern, ausgebreitet ist - weil sie allgemein und ohne Unterlaß all das lehrt, was man von Himmel und Erde wissen muß - weil sie das ganze Menschengeschlecht, Herrscher und Untertanen, Gebildete und Ungebildete zur Gottesverehrung führt, weil sie jede Art von Sünden ... heilt - weil sie in sich jede Art von Tugend ... besitzt.

LeerIn einer Stadt soll man nicht nur fragen: "Wo ist das kyriakón", das "Haus des Herrn?" oder "Wo ist die Kirche?", sondern: "Wo ist die katholische Kirche?" Während der Machtbereich der Könige beschränkt ist, "hat die heilige katholische Kirche, und sie allein, eine unbegrenzte Vollmacht über den ganzen Erdkreis". Hier sind bereits alle Aspekte gezeigt: katholisch ist: das Ganze der Lehre, durch die wir in der Kirche "das ewige Leben erben" - die Kirche für alle Völker und Stände - die Vollmacht zur Heilung für alle Sünden und Sünder - die Fülle aller Gnadengaben - und die unbegrenzte Ausbreitung über den ganzen Erdkreis - und dies alles gründend in der ungebrochenen Verbindung zur Verkündigung der Apostel, wobei der Begriff zugleich die Abgrenzung gegen die Häresie enthält.

LeerAls die Kirche mit ihrem Schwerpunkt in Rom zur lateinischen Sprache überging, kam es zu keiner Übersetzung des Begriffs "katholikä". Vielmehr übernahm auch die lateinische Gottesdienst- und Bekenntnissprache das Lehnwort catholica ecclesia. Zwar wird in manchen Aussagen auch das Wort universalis verwendet, aber für die Fülle der Aspekte genügte ein lateinischer Begriff nicht. So spricht auch das werdende Taufbekenntnis, das im Apostolicum im 7. Jahrhundert in abgeschlossener Fassung vorliegt, von der sancta ecclesia catholica. So schreibt Augustinus 408 an den Donatisten Vincentius, einen Schismatiker: "Du glaubst eine scharfsinnige Bemerkung zu machen, wenn du den Namen "katholisch" nicht auf die Verbindung mit dem ganzen Erdkreise, sondern auf die Beobachtung aller göttlichen Gebote und die Ausspendung aller Sakramente beziehst. Als ob wir uns zum Beweis für die Verbreitung der Kirche unter allen Völkern auf das Zeugnis dieses Namens stützen würden, obgleich er sicherlich daher rührt, weil die Kirche das Ganze umfaßt, und nicht vielmehr auf die Verheißungen Gottes wie so viele und deutliche Aussprüche der ewigen Wahrheit selbst! ... Wie aber können wir uns darauf verlassen, daß uns in der hl. Schrift der wahre Christus offenbart ist, wenn uns in ihr nicht auch die wahre Kirche offenbart ist?" Also: nicht nur die "allgemeine" Verbreitung, sondern die Übereinstimmung mit der in der Schrift bezeugten ganzen Gotteswahrheit läßt die Kirche katholisch sein. So versteht das abschließende Bekenntnis des Konzils von Konstantinopel (381), das sogenannte Nicäno-Konstantinopolitanische die Kirche: "die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche".

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LeerWährend die lateinische Kirche das Lehnwort "katholisch" unübersetzt übemommen hat, treten in frühen deutschen Gebetbüchern und Katechismen Versuche einer deutschen Wiedergabe auf. Notker fragt in seinem Katechismus: "Kelaubu heifiga dia allîchûn sámenunga, diu christianitas heizet?", die "heilige allhafte Sammlung, die Christenheit heißt". Eine Formulierung aus Wessobrunn: "Ich glaube eine christenheit, heilige, potelîche (= apostolische) und allicha": das Wort "Kirche" wird mit "Sammlung" und "Christenheit", das Wort "katholisch" mit "allhaft, allheitlich" umschrieben. In Katechismen der vorreformatorischen Zeit ' lautet die Übersetzung: "Ich glauben in den heyligen geyst, die heylige christenheit, gemeinschaft der heyligen" oder noch 1586: "eine heylige allgemeine christliche kirchen, gemeinschafft der heyligen". Das Meßbuch von Christoph Flurheym, das gegenüber der Forderung der Reformation nach deutscher Gottesdienstsprache dem römisch-katholischen Volk 1529 eine deutsche Übersetzung der Messe geben wollte, übersetzt das Nicänum: "Unnd eyn heylige gemeyne Christliche Kirch." Das gegenreformatorische Gesangbuch von Johann Leisentritt (1567) spricht von der "Altgleubigen Allgemeinen Christlichen Kirchen" und in einem Glaubenslied: "Ein heilig allgemeine Kirch ausserkorn . . .". Noch in liturgischen Büchern, Katechismen und Glaubenslehren der römisch-katholischen Kirche um 1840 erscheinen im ganzen deutschen Sprachraum von Brixen bis Köln und Münster die Formulierungen "eine heilige allgemeine (christliche) Kirche".

LeerDer liturgische lateinische Text des Credo wird in deutschen Katechismen ausgelegt, wobei catholica mit "allgemeine" erklärt wird. Zum ersten Mal taucht 1581 in Würzburg und 1591 in Konstanz in einem "kleinen" Katechismus das Lehnwort auf: "der Geist heiligt in der wahren katholischen Kirche". Um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sich in den Katechismen und auch im Glaubensbekenntnis, soweit es deutsch gelernt und gesprochen wurde, das Wort "katholisch" anstelle der früheren Formulierungen als konfessionelle Sonderbezeichnung durch. Noch in dem Kölner "Kontroverskatechismus" von 1797 wird im Apostolicum "allgemein", im Nicänum dagegen "katholisch" übersetzt. In dem verbreiteten Katechismus von Deharbe (Saarlouis 1886) heißt es dann "die heilige katholische Kirche". Obwohl die offizielle Konfessionsbezeichnung "römisch-katholisch" heißt, da es ja auch seit 1870 eine "alt-katholische" (in der Schweiz "christ-katholische") Kirche und innerhalb der unter dem Papst stehenden Kirche "griechisch-katholische Kirchen" (mit östlichem Ritus) gibt, hat sich im Volksbewußtsein die Bezeichnung "katholisches Pfarramt", "katholischer Kindergarten" für konfessionelle Institutionen eingebürgert.

LeerDie Reformation hatte Kritik an dem Zustand der mittelalterlichen Kirche geübt, die offiziell in den "Artikeln, von welchen Zwiespalt ist, da erzählet werden die Mißbräuch, so geändert seind", im Augsburgischen Bekenntnis zum Ausdruck kommt. Aber die harte Kontroverse hat dem erklärten Willen keinen Eintrag getan, in una etiam ecclesia christiana unitate et concordia vivere ("in einer Gemeinschaft, Kirchen und Einigkeit zu leben"), wie es die Vorrede zum Augsburgischen Bekenntnis aussagt. Wie die alte Christenheit legt die Apologie des Augsburger Bekenntnisses den Artikel von der Kirche aus.- "so ist der tröstliche Artikel im Glauben gesetzt: 'ich gläube ein katholick, gemeine, christliche Kirche', damit niemands denken möchte, die Kirche sei, wie ein ander äußerlich Polizei (= Staatswesen) an dieses oder jenes Land, Königreich oder Stand gebunden, wie von Rom der Papst sagen will; sondern daß gewiß wahr bleibt, daß der Hauf und die Menschen die rechte Kirche sein, welche hin und wieder in der Welt, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, an Christum wahrlich gläuben, welche denn ein Evangelium, einen Christum, einerlei Tauf und Sakrament haben, durch einen heiligen Geist regiert werden, ob sie wohl ungleiche Ceremonien haben."

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LeerHier werden dieselben Aspekte der katholischen Kirche gezeigt: das Evangelium von Christus und die Gnadengaben, die Einheit im Heiligen Geist und die Offenheit für alle Menschen über alle Grenzen hin - genau so wie es die alte Kirche der Väterzeit verstanden hatte. Daß die deutsche Übersetzung des Bekenntnistextes von sancta ecclesia catholica "ein heilige christliche Kirche" lautet, war nicht neu aus Protest - das Konkordienbuch führt damit nur die Ansätze der vorreformatorischen Katechismen fort. "Der maßgebene Wortlaut ist der lateinische", wie es heute noch im Kommentar der amtlichen Ausgabe der Bekenntnisschriften steht. So zeigte auch der altlutherische Dogmatiker Martin David Hollaz 1707 diese Aspekte der Katholizität auf. "Die Kirche heißt catholica (d h. dasselbe wie kath' hólon, ganz oder universal), und zwar im Blick auf ihre Qualität: wegen ihrer Lehre und des Glaubens, sofern sie den Glauben bekennt, den immer die Gesamtheit der Glaubenden bekannt hat - und im Blick auf ihre Quantität: wegen der Verbreitung über den gesamten Erdkreis, sofern sie nicht wie die Kirche des Alten Testaments nur aus einem besonderen Stamm und Nation, sondern aus allen Völkern in der gesamten Welt gesammelt ist. Lehre und Glauben heißt katholisch, weil er von allen, die gerettet werden wollen, erfordert wird.

LeerSo ist das dasselbe wie die wahre und orthodoxe (rechtgläubige) Kirche, und sie heißt so von der katholischen Lehre, d. h. der orthodoxen Lehre Christi und der Apostel, die katholisch genannt wird, (weil gelegentlich Haeresien in der Kirche Geltung zu gewinnen suchen) sofern sie von Christus und den Aposteln ausgegangen, allen Gläubigen anvertraut und in ihrem einmütigen Consensus rezipiert und geglaubt worden ist. - So ist es dasselbe wie 'universale' Kirche. Und so genügt es zur Katholizität der Kirche nicht, daß sie Christi und der Apostel Lehre festhält, weil auch eine Partikularkirche diese rezipieren kann, sondern es ist darüber hinaus erforderlich zur Katholizität der Kirche, daß sie alle Gläubigen aller Orten und Zeiten in ihrem Umfang einschließt."

LeerAuch der Genfer Reformator Calvin bekennt in seiner Taufordnung 1545 la saincte église universelle. Das Helvetische Bekenntnis (1566) sagt: "Da nur immer der eine Gott ist, der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen Jesus Christus, der einige Hirte der gesamten Herde ... schließlich der eine Geist, folgt notwendig, daß auch nur eine Kirche ist, die wir daher katholisch nennen, weil sie universal ist und über alle Weltteile verbreitet ist. Wir billigen nicht den Römischen Klerus, der allein die Römische Kirche als katholisch anpreist." Hier wird auch, wie in der alten- Christenheit, die partikular-konfessionalistische Beschlagnahme des Namens "katholisch" durch eine Teilkirche verworfen.

LeerDas "Hólon", die Ganzheit der Lehre und des Glaubens der Kirche, gründet also nach dem einhelligen Verständnis der alten Kirche wie der Reformation in dem Anteilhaben an der Fülle Christi und dem Zeugnis der Apostel von diesem Heilsratschluß Gottes - und nur von da abgeleitet her rührt ihre Universalität für alle Völker, Länder und Zeiten; zugleich damit wird eine Eingrenzung dieses Anspruchs auf Teilgruppen der Christenheit als häretisch abgelehnt. Die Kirche von England hat nie aufgehört, sich als The holy Catholic Church zu wissen.

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LeerErst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts also ist "katholisch" zu einem unechten Konfessionskennzeichen geworden - ebenso wie das Wort "evangelisch" erst seit der Union zur Konfessionsbezeichnung für die "evangelische Kirche in den Königlich preußischen Landen" geworden ist. Im Apostolikum ist die deutsche Übersetzung "ein heilige christliche Kirche", im Nicänum "eine einige, heilige, christliche, apostolische Kirche" üblich geworden; im bayerischen Gesangbuch (von 1931) stand im Nicänum "Eine heilige, allgemeine und apostolische Kirche", während in der preußischen Union im Apostolikum der Zusatz "eine heilige allgemeine christliche Kirche" das Wort "katholische" wiedergeben wollte. Es sei dahingestellt, ob das Attribut "christlich" wirklich "katholisch" wiedergeben wollte oder ob es nicht vielmehr eine Interpretation des Begriffes der Kirche selbst sein wollte, da in den vorreformatorischen Katechismen "christianitas", "heylige christenheit" für Kirche steht und da auch Luther, dieser deutschsprachigen Tradition folgend, das "undeutsche" Wort "Kirche" nicht liebte: "wären im Kinderglauben solche Worte gebraucht worden: 'Ich glaube, daß da sei ein christlich, heilig Volk', so wäre aller Jammer leichtlich zu vermeiden gewesen, der unter dem blinden undeutlichen Wort 'Kirche' ist eingerissen" . . . "christliche Kirche und christliche Heiligkeit ist ein allgemeiner Name und allgemeines Ding allen Kirchen und Christen in der Welt, daher man es nennt Catholicam".

LeerJedenfalls ist das Wort "christlich" in der Gegenwart nicht mehr geeignet, die Inhaltsfülle von "katholisch" wiederzugeben. Denn erstens ist eine "christliche Kirche" eine Tautologie wie ein "weißer Schimmel" - die Gemeinschaften und die Gotteshäuser von Nicht-Christen kann man nicht Kirche nennen, und zweitens wird die Bezeichnung "christlich" heute für Parteien, Buchgemeinschaften, Versicherungsunternehmen, Wirtschaftsverbände mißbraucht und ist ein Allerweltswort im "Christlichen" Abendland geworden. Ebenso ist die Vokabel "allgemein" zu blaß und allgemein. Entweder weckt es die Vorstellung von etwas Durchschnittlichen und Verschwommenen ("allgemeine Redensarten") oder es ist auch gesellschaftlich und publizistisch belegt ("Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Allgemeine Ortskrankenkasse"). Es ist - ähnlich wie im Lateinischen - nicht gelungen, für das Wort "katholisch" eine unverwechselbare, inhaltlich ausreichende Verdeutschung zu finden.

LeerSchon ehe das Vorhaben einer gemeinsamen Übersetzung gemeinsamer Gebets- und Bekenntnistexte aufgetreten war, bereitete uns die Verdeutschung des 3. Artikels Verlegenheit. Rudolf Alexander Schröder hatte für die Glaubensbekenntnisse die Wortbildung "allgemeinsame Kirche" vorgeschlagen. Diese ungewöhnliche Fassung sollte gegenüber dem wenig sagenden "allgemeine" zum Aufhorchen zwingen. Dennoch konnte man sich nicht zu dieser ungewöhnlichen Neuprägung entschließen. In verschiedenen privaten Agenden war die Verdeutschung "allumfassende Kirche" vorgelegt worden. Einige Landeskirchen verwendeten die Großschreibung: "Eine heilige christliche Kirche"; aber im Apostolikum steht nicht: "unam sanctam ecclesiam . . .", - und der Großbuchstabe erscheint nur beim Lesen, aber nicht beim Sprechen des Bekenntnisses.

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LeerInzwischen brach in der Christenheit in der ökumenischen Bewegung ein neues Verständnis von Kirche auf. Die unreflektierte Selbstgenügsamkeit der getrennten Konfessionskirchen und Denominationen, in der man die eigene Gemeinschaft selbstverständlich für die wahre Kirche mit dem allein richtigen Bekenntnis hielt, war vergangen. In der Begegnung mit den Christen andrer Konfessionen und ihren Kirchen konnte man nicht mehr annehmen, daß sich die Grenzen des eignen verfaßten Kirchentums mit denen der Kirche des Credo, der einen Kirche Christi deckten. Man entdeckte die "evangelische Katholizität" (Nathan Söderblom) der Kirche als den Auftrag Christi von neuem. "Die Kirche ist katholisch oder sie ist nicht Kirche. Es war ein Zeichen höchster Gedankenlosigkeit und Schwäche auf unserer Seite, als man den Sprachgebrauch einreißen ließ, dem zufolge wir dieses Wort als Selbstbezeichnung heute in der Hauptsache den Römischen überließen ... , so daß es bei uns schlimmste Beschimpfung bedeutet, wenn man jemandem "katholisierende" oder gar katholische Tendenzen nachweisen oder nachreden zu können meint" (Karl Barth, Dogmatik).

LeerAuch in der römischen Kirche setzte sich mühsam, aber unaufhaltsam diese Erkenntnis durch. Es war eine große Stunde, als im II. Vatikanischen Konzil eine Vorlage verworfen wurde, die die absolute Deckung zwischen der "unica Christi Ecclesia" und der verfaßten Kirche aussprechen wollte; man formulierte nun: "Haec Ecclesia (nämlich die eine Kirche Christi) in hoc mundo ut societas constituta et ordinata, subsistit in Ecclesia catholica, a successore Petri et episcopis gubernata" - sie hat ihre Existenzform (aber nicht: "sie ist") in der Kirche unter dem Papst ... Auch im Dekret über den Ökumenismus wird zum erstenmal von den "Kirchen" und "Gemeinschaften" gesprochen, die "der Hl. Geist als Mittel des Heils gebraucht". Damit ist der exklusive Anspruch der eignen Kirche auf die Heilsvermittlung überwunden (der immer das Zeichen der Sekte war!). Damit sind die ernsthaften Fragen noch nicht vollends erledigt, die die voneinander getrennten Kirchen nach der ihnen je gegebenen Erkenntnis der in der Schrift gegebenen Wahrheit aneinander zu richten haben - und ebenso ist das der eigenen Kirche anvertraute Wahrheitszeugnis, um deswillen sie die Not von Trennungen in ihrer Geschichte auf sich nehmen mußte, keineswegs relativiert oder überholt. Aber der Wille des Herrn, auch das historisch abgegrenzte und verfaßte eigene Kirchentum aus der in Ihm vorgegebenen Einheit der Kirche zu verstehen und der Einigung der verschieden gewachsenen Kirchen betend, bekennend und handelnd entgegenzugehen, ist in der Christenheit unüberhörbar vernommen worden. Ausdruck dessen ist die Aussage des ökumenischen Rates der Kirchen auf seiner Weltkonferenz in Uppsala 1968 vom "Heiligen Geist und der Katholizität der Kirche":

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Leer"Katholizität ist die Eigenschaft, durch welche die Kirche die Fülle, die Integrität und die Totalität des Lebens im Christus zum Ausdruck bringt. Die Kirche ist in allen ihren Teilen und in jeder Hinsicht ihres Lebens, und vor allem im Gottesdienst katholisch und sollte in ihnen katholisch sein. Die Glieder der Kirche sollten die Integrität und Ganzheit widerspiegeln, die entscheidende Wesenszüge der Kirche sind . . . Die Kirche muß diese Katholizität in ihrem Gottesdienst zum Ausdruck bringen, indem sie Männern und Frauen in all ihren Lebensbezügen eine Heimat bietet; in ihrem Zeugnis und Dienst, indem sie für die Verwirklichung wahren Menschseins arbeitet. . . . Aber Menschen mißbrauchen diese Freiheit, indem sie einzeln und gemeinschaftlich die Gabe der Katholizität zurückweisen. Dies geschieht immer dann, wenn Christen die Einheit und Katholizität der Kirche mit andern Bindungen und Gemeinschaften vermengen. . ., wo christliche Gemeinschaften . . . vorschreiben, daß als Bedingung für Zusammenarbeit und Einheit ihre eigenen überkommenen Formen für andere Christen verbindlich sind."

LeerIn dieser geistlichen Lage gingen die Kirchen des deutschen Sprachgebiets daran, den Text der Bekenntnisse, die ökumenisches Gemeingut sind, in eine gemeinsame deutsche Sprachfassung zu bringen. In dieser Zusammenarbeit wurde von den Vertretern der "katholischen" und der reformatorischen Kirchen bezeugt, daß sie im theologischen Verständnis der Aussage "katholisch" einig sind: im urchristlichen Sinn der nicht konfessionell und nicht partikular verstandenen Katholizität. Keine der getrennten Kirchen hat Grund, auf das Bekenntnis zur Katholizität zu verzichten. Andrerseits bestand auch die Bereitschaft, eine neue Übersetzung zu wagen, falls sie die Bedeutungsgehalte von "katholisch" auszudrücken vermag. Gerade von römisch-katholischen Mitarbeitern wurden Vorschläge gemacht, die die qualitative Bedeutung der Fülle und Ganzheit, der Offenheit für alle Menschen ausdrücken könnten: "die heilige Kirche, Kirche für alle Welt" oder: "gestiftet für alle Welt" oder: "Zeichen des Heils für alle Welt", "für alle Menschen", "für alle Völker".

LeerDa aber der Auftrag bestand, den gegebenen Text des Credo zu übersetzen, erschienen diese Paraphrasen zu kühn. Eine Vermeidung des Lehnworts wäre erwünscht gewesen, um das eingetretene konfessionelle Mißverständnis von "katholisch" zu vermeiden und auch dem römisch-katholischen Volksteil die universale Bedeutung der Kirche neu zu erschließen. Andrerseits war auch ein Verzicht auf das in der gesamten Christenheit bekenntnismäßig verankerte Prädikat in der nicht voll ausschöpfbaren Bedeutung der Ursprache nicht voll befriedigend. So kam die ALT zu ihrem Vorschlag, eine unverbrauchte Übersetzung und das originale Wort sich gegenseitig interpretieren zu lassen. Dazu wurde ein "Junctim" für beide Bekenntnisse vorgeschlagen: im Apestolicum sollte es heißen. "die heilige allumfassende Kirche", im Nicänum "die eine heilige katholische und apostolische Kirche".

LeerDie relativ inhaltreichste Verdeutschung "allumfassend" läßt sowohl die Ganzheit und Fülle der geoffenbarten Wahrheit wie die Universalität des Heilsangebots an alle Welt und alle Zeiten anklingen, sehr viel konkreter als das blasse "allgemein". In Verbindung mit der Erhaltung des originalen Lehnworts im Nicänum hätte sich auch katechetisch der Bedeutungsgehalt dieser nota ecclesiae dem heutigen Verständnis nahebringen lassen. Wie die gesamten Entwürfe der Übersetzung der Bekenntnisse wurde auch dieser Vorschlag den beteiligten Kirchenleitungen unterbreitet und auch der kirchlichen Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt.

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LeerLeider ist dieses "Junctim" von den Kirchenleitungen nicht angenommen worden. Die römisch-katholischen und alt-katholischen Bischöfe meinten, auf das Wort "katholisch" auch im Apostolicum nicht verzichten zu können; nachdem ihr Kirchenvolk es als Bekenntnis zu seiner Kirche seit über einem Jahrhundert gewohnt war, würde ein Aufgeben von "katholisch" als ein weiterer unzumutbarer Verzicht nicht akzeptiert werden. Andrerseits war die Mehrzahl der Leitungen der evangelischen Landeskirchen wohl für eine Verdeutschung. Da aber die Gemeinden "katholisch" als Konfessionskennzeichen empfinden und noch nicht über die in der Ökumene gewonnene Sicht der Katholizität der Kirche informiert seien, meinten die Kirchenleitungen, ihren Gemeinden den Ausdruck "katholisch" nicht zumuten zu können. Das "Junctim" der sich gegenseitig erhellenden beiden Fassungen in der Verteilung auf Apostolicum und Nicänum war also gescheitert. Man hat in langen ernsthaften Bemühungen versucht, noch eine Fassung zu finden, die das altkirchliche "katholisch" erhält und es durch eine Erweiterung, die es auch von dem Hauptwort "Kirche" trennt, zu entschärfen:"die heilige katholische christliche Kirche" im Apostolicum (so daß die gewohnte Verbindung "katholische Kirche" deutlich vermieden wäre). Aber auch diese Lösung fand keine Zustimmung der Kirchenleitungen. So blieb es bei der unvermeidlichen Parallellösung, in dieser einen Zeile der beiden Glaubensbekenntnisse den Kirchenleitungen zur Auswahl zu stellen: "Jede Kirche legt die für ihren Bereich geltende Fasung fest."

LeerEine weitere Anmerkung gehört zu den Vereinbarungen, die wenigstens das Bewußtsein von der inhaltlichen Gemeinsamkeit der Bekenntnisaussage wachhalten oder wachrufen soll: "In Fortsetzung eines älteren Brauches geben die reformatorischen Kirchen des deutschen Sprachgebietes die allen gemeinsamen lateinischen Worte "ecclesia catholica" mit "christliche Kirche" oder "allgemeine christliche Kirche" wieder, während die römisch-katholische und die altkatholische Kirche an dieser Stelle "katholische Kirche" sagen." Die evangelischen Mitglieder der ALT, die aus pastoralen Gründen "katholisch" nicht empfehlen zu können meinten, obwohl alle theologisch das einhellige Verständnis von "catholica" bejahten, bedauerten, daß die Gemeinden es noch anders verstehen und daß wir sicher in der Vergangenheit in der Unterweisung darüber viel versäumt haben. Über das dogmatisch-ekklesiologische Problem der Katholizität seien sie noch nicht genügend informiert; vielleicht könne sich das in einigen Jahrzehnten ändern.

LeerNach Abschluß der offiziellen Annahme durch die Kirchenleitungen fand auf dem ökumenischen Pfingsttreffen in Augsburg die Entschließung einer Arbeitsgruppe bei der gemeinsamen Schlußkundgebung brausende Zustimmung, die Kirchen mögen sich auf die Fassung "heilige allumfassende Kirche" einigen. Wenn auch natürlich die Teilnehmer eines solchen Kirchentreffens keine offizielle Kompetenz haben, so warf doch die Meinungsbildung einer solchen aus vorwiegend jungen und in ihren Kirchen engagierten Christen ein bemerkenswertes Licht auf die Besorgnisse der Kirchenleitungen, das Kirchenvolk könne eine gemeinsame Fassung noch nicht verstehen und vertragen!

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LeerWann werden die Gemeinden informiert genug und reif sein? In den reformatorischen Kirchen wird betont, sie seien Kirche des Priestertums aller Gläubigen. Zumal gegenwärtig die "Mündigkeit" der Laien proklamiert wird. Seit über vier Jahrhunderten weiß jeder an die reformatorischen Bekenntnisse gebundene Pfarrer, wie der verbindliche Text der ökumenischen "Haupt-Symbola" lautet. Können die Theologen dies Wissen für sich behalten und die Gemeinden in der Meinung lassen, "katholisch" sei eine verdächtige und gefährliche Eigenart der Papstkirche und solche Antipathie durch eine so in die Augen fallende konfessionalistisch getrennte Lösung, des Credo-Satzes noch bestärken?

LeerWarum haben die Kirchenleitungen es dahin kommen lassen, daß sich die Sprachregelung verfestigte, katholisch sei nur die römische Teilkirche? Warum haben sie nicht längst die Gemeinden dahin "informiert", daß kein Konfessionskirchentum den Anspruch auf das Attribut "katholisch" gepachtet hat und daß unsere Kirchen, wenn sie überhaupt wahrhaft Kirche sein wollen, "diesen christologischen Ehrentitel darum auch nicht der römischen Kirche überlassen" dürfen (Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, München 1947!). Warum wissen es also unsere Gemeindeglieder nicht längst, aus den zahllosen Predigten, in denen sie unterwiesen, aus den Bibelstunden, Akademieveranstaltungen, den Millionenauflagen der Gemeindeblätter, daß sie Glieder der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche sind? Wann endlich, nach Jahrzehnten des Kampfes um das Bekenntnis und im Zeitalter der Ökumene, und mit welchen Mitteln gedenken wir sie darüber zu informieren, was der dritte Glaubensartikel bedeutet?

LeerSollte man dem Kirchenvolk nicht zutrauen, daß es bei einer sachgemäßen Information in der Predigt, in Gemeindekreisen, im Unterricht und in der Publizistik verstehen lernen kann, was mit der Bezeichnung der Kirche als "katholisch" gemeint ist, zumal dieses Verständnis auch durch die Erklärungen der nicht-römischen Ökumene gedeckt ist! Sogar die weltliche Presse spricht heutzutage auf ökumenische Geschehnisse sehr aufmerksam an und würde die Einführung nicht nur der gemeinsamen Texte im ganzen, sondern auch diese zum Aufhorchen zwingende Formulierung interpretieren. Umgekehrt würde das römisch-katholische Kirchenvolk, das bisher Entscheidungen der kirchlichen Autoritäten mit relativ großem Vertrauen aufnahm, wohl verstehen können, was seine Theologen als historische und dogmatische Erkenntnis erklären: daß die Aussage des Credo über die Kirche nicht konfessionalistisch gemeint ist. Wenn die Kirchenleitungen und die Seelsorger die Zuversicht aufbringen wollten, eine von ihnen als richtig erkannte Lehre von der Kirche, die längst in den fachtheologischen Veröffentlichungen steht, auch der Gemeinde mitzuteilen!

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LeerEine "Zweckentfremdung" auch von Begriffen der biblischen und kirchlichen Sprache wird sich nie ganz vermeiden lassen. Man hat in der römisch-katholischen Ethik immer von "evangelischen Räten" gesprochen, auch als der Konfessionsgegensatz zu den "evangelischen" Kirchen noch unüberbrückbar schien. In jeder Kleinstadt steht heute eine "neu-apostolische Kirche" - wir werden deshalb nicht auf die Aussage des Nicänums von der apostolischen Kirche verzichten. Im Gesangbuch der evangelisch-lutherischen Kirche Oldenburg findet sich schon seit über zwei Jahrzehnten eine Anmerkung beim Text der Glaubensbekenntnisse innerhalb der Gottesdienstordnung, daß die Aussage "allgemeine" die "deutsche Übersetzung des Wortes 'katholische' darstellt! Bischof Stählin hat damals den Mut gehabt, diesen Hinweis durchzusetzen.

LeerHeute wäre es an der Zeit, nicht nur in einer Anmerkung, sondern im Text des Bekenntnisses selbst die Katholizität der Kirche zu bekennen. Der ökumenische Text überläßt es den einzelnen Gliedkirchen, für ihren Bereich die aus den drei verschiedenen Fassungen gewählte Formulierung zu bestimmen. Es wäre also möglich - kann man es hoffen? -, daß eine evangelische Landeskirche für ihren Bereich die Fassung "katholische Kirche" freigibt, vielleicht neben einer der beiden andern Fassungen. Es wäre auch denkbar, daß eine Gemeinde ihr "jus liturgicum" (das sonst immer nur als Ausrede für den Widerstand gegen ein Gesangbuch oder eine Agende ins Feld geführt wird!) benutzt, um in ihrem Gottesdienst den Gebrauch des Wortes "katholisch" zu wagen - das wäre eine ökumenische Tat! Evangelische Bruderschaften und Kommunitäten werden gewiß dies Zeichen aufrichten. Uns scheint, die Durchbrechung des durch gegenreformatorische Verhärtung und protestantische Gleichgültigkeit entstandenen unrechtmäßigen Monopols der römischen Teilkirche auf die Bezeichnung "katholisch" wäre ein wirklich evangelischer Pro-test, ein Zeugnis für die nicht konfessionell verfügbare, nur im Herrn gegründete Einheit der Kirche.

LeerWenn wir in der im Namen Jesu versammelten Gemeinde die Ortho-Doxia, die Doxo-Logia, das heißt das rechte Lob des dreieinigen Gottes anstimmen, dann bekennen wir uns "einmütig im Glauben mit der gesamten Christenheit" zu der heiligen katholischen oder allumfassenden Kirche. der Kirche, in der uns die Fülle des in Christus erschienenen Heils, die ganze Wahrheit verkündigt und ausgeteilt wird die die Gläubigen aus allen Kulturen, Nationen und Sprachen, aus allen Ständen und Bildungsschichten umfaßt - in der die Väter im Glauben und die Menschen der Gegenwart und die kommenden Generationen verbunden sind - die keine Grenzen politischer Macht und gesellschaftlicher Systeme kennt - deren Grenzen sich auch nicht mit den Abgrenzungen einzelner Konfessionsgemeinschaften decken - deren Grenze allein dem Herrn bekannt ist. Dies alles - und nicht nur die räumliche Verbreitung allein - kennzeichnet die Kirche als katholisch.

Linie

LeerWir müssen Geduld aufbringen, den historischen Konfessionskirchen treu zu bleiben, in deren Verband wir die Taufe empfangen haben, in denen wir das Evangelium hören und die in ihrem Bekenntnisstand und ihrer Gemeindeordnung noch die Spuren der Auseinandersetzungen und die Erblast der Trennungen weitertragen. Wir danken dem einen Herrn, daß wir in den unterschiedenen Kirchentümern mit seinem Gebet mit den gleichen Worten zum Vater beten können. Wir bekennen uns - gemeinsam mit den Gläubigen der andern Konfessionsfamilien - mit dem gleichen Taufbekenntnis und dem gleichen Bekenntnis in der Eucharistiefeier zu dem dreieinigen Gott und bringen Ihm damit das Lobopfer der Lippen dar. Vor den historischen Trennungen hat die Christenheit unter der Leitung des Geistes, der die Kirche in alle Wahrheit leiten will, in diesen Bekenntnissen den Ausdruck des rechten Gotteslobes gefunden, der ihr wunderbarerweise auch beim Übergang in neue Sprach- und Kulturkreise und durch die schmerzlichen Trennungen hindurch erhalten geblieben ist.

LeerWir sollten endlich auch den Mut und die Offenheit wiederfinden, im Dank für das Wirken des Heiligen Geistes, der vom Vater durch den Sohn ausgeht, das Bekenntnis zu der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche nicht nur in den historischen Urkunden unserer Kirchen aufgezeichnet zu wissen, sondern es auch in der versammelten Gemeinde mit den gleichen Worten auszusagen.

[Siehe auch die Berichtigung des Autors]

Quatember 1972, S. 147-158

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-09
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