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von Herbert Goltzen |
In dem einen Herrn Jesus Christus besteht die Einheit der Kirche. Durch die Schuld und den Eigensinn ist sie in getrennte Kirchentümer auseinandergebrochen, die Kirchen des orthodoxen Ostens und des lateinischen Abendlandes, die Kirchen der Reformation und der Gegenreformation. Die Bemühungen um die Wiedervereinigung im Dogma, im Kirchenrecht und in der Frömmigkeit lassen das Endziel einer völligen Gemeinschaft noch nicht erkennen. Aber trotz der noch nicht erreichbaren vollen gegenseitigen Anerkennung entdecken die Kirchen, was ihnen immer gemeinsam geblieben war. Die Gültigkeit der einen Taufe ist wieder anerkannt worden. Wir beten das Gebet des Herrn wieder in einem gemeinsamen Wortlaut. Nachdem der ökumenische Vaterunser-Text mit Freude und ohne alle befürchteten Widerstände aufgenommen worden war, hat die "Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte des deutschen Sprachgebietes" (ALT) ihre Arbeit fortgesetzt. Sie umfaßt beauftragte Vertreter aller Kirchen des deutschen Sprachgebietes. Neben liturgischen Texten hat die ALT vor allem die beiden ökumenischen Glaubensbekenntnisse, das Apostolicum und das Nicänum übersetzt. In der beglückenden gemeinsamen Übersetzungsarbeit während der Jahre 1966-1970 gab es niemals konfessionelle Differenzen; ausschlaggebend waren stets sachliche exegetische und sprachliche Überlegungen. So konnten den Kirchenleitungen sorgfältig durchdachte Entwürfe vorgelegt werden. An einer einzigen Stelle gelang es nicht, eine einheitliche Übersetzung durchzusetzen: im dritten Glaubensartikel in der Aussage über die Kirche. In Zeile 16 des Apostolischen Glaubensbekenntnisses heißt es: "die heilige katholische Kirche"; entsprechend in Zeile 25 des Nicänischen Glaubensbekenntnisses: "die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche". Jeder Theologe hat gewußt, daß in den Bekenntnissen, an die er sich in der Ordination gebunden hat, diese Aussagen von der sancta ecclesia catholica oder von der una, sancta, catholica et apostolica ecclesia standen. Nur den Gemeinden blieb das leider fast unbekannt. In den römisch-katholischen Gemeinden galt bis zum Konzil die lateinische Gottesdienstsprache. In den Gemeinden der Reformationskirchen herrschte die Muttersprache in Gottesdienst und Katechismusunterricht. Da die Gottesdienstordnungen sich in den Landeskirchen entwickelt hatten, waren mannigfach verschiedene Übersetzungen im Gebrauch. Auch die deutschen volkstümlichen Katechismen und Gebetbücher der römisch-katholischen Bistümer hatten die lateinischen offiziellen Texte im Lauf der Jahrhunderte verschieden übersetzt und erläutert. Der ALT wurden als Arbeitsunterlage Dokumentationen der verschiedenen deutschen Fassungen vorgelegt. Man war erstaunt über die vielen Verschiedenheiten, die sich keineswegs nur auf die Konfessionen, sondern auch landschaftlich verteilten. "Katholisch" ist die Kirche, weil sie das Ganze der offenbarten Wahrheit bewahrt. Katholisch ist sie, weil sie in der ungebrochenen Verbindung mit ihrem Ursprung, mit Christus Jesus bleibt. Katholisch ist sie, weil sie alle umschließt, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus stehen. Die Katholizität der Ganzheit und Fülle der geoffenbarten Wahrheit tritt auch in Erscheinung in der "geographischen Katholizität", der Verbreitung der Kirche allerorten. Die Gemeinde von Smyrna, die von Ignatius zum Bleiben an der Katholizität ermahnt wurde, richtete "an alle Gemeinden allerorts der heiligen und katholischen Kirche" ein Rundschreiben, in dem sie über den Märtyrertod ihres am 22. Februar 156 verbrannten Bischofs Polykarp berichtet. Polykarp war noch Schüler des Apostels Johannes gewesen und sieht auf ein Leben von 86 Jahren der Nachfolge Christi zurück. Vor seiner Verhaftung gedenkt er noch betend "aller, die er je kennengelernt hatte", "der ganzen katholischen Kirche des Erdkreises". Die Gemeinde gedenkt ihres Märtyrerbischofs als eines "apostolischen und prophetischen Lehrers, eines Bischofs der katholischen Gemeinde von Smyrna". Er hat "mit den Aposteln und allen Gerechten" Gott verherrlicht und Jesus Christus gepriesen, "den Heiland unsrer Seelen, den Lenker unsrer Leiber und Hirten der über den Erdkreis verbreiteten katholischen Kirche". (Martyrium des hl. Polykarp, 8, 1; 16, 2; 19, 2). Hier treten schon alle Merkmale auf, die die Kirche vertrauenswürdig machen: ihre Verbindung zum Ursprung in der apostolischen Verkündigung, ihre Heiligkeit, ihre Einheit über den ganzen Erdkreis hin. In einer Stadt soll man nicht nur fragen: "Wo ist das kyriakón", das "Haus des Herrn?" oder "Wo ist die Kirche?", sondern: "Wo ist die katholische Kirche?" Während der Machtbereich der Könige beschränkt ist, "hat die heilige katholische Kirche, und sie allein, eine unbegrenzte Vollmacht über den ganzen Erdkreis". Hier sind bereits alle Aspekte gezeigt: katholisch ist: das Ganze der Lehre, durch die wir in der Kirche "das ewige Leben erben" - die Kirche für alle Völker und Stände - die Vollmacht zur Heilung für alle Sünden und Sünder - die Fülle aller Gnadengaben - und die unbegrenzte Ausbreitung über den ganzen Erdkreis - und dies alles gründend in der ungebrochenen Verbindung zur Verkündigung der Apostel, wobei der Begriff zugleich die Abgrenzung gegen die Häresie enthält. Als die Kirche mit ihrem Schwerpunkt in Rom zur lateinischen Sprache überging, kam es zu keiner Übersetzung des Begriffs "katholikä". Vielmehr übernahm auch die lateinische Gottesdienst- und Bekenntnissprache das Lehnwort catholica ecclesia. Zwar wird in manchen Aussagen auch das Wort universalis verwendet, aber für die Fülle der Aspekte genügte ein lateinischer Begriff nicht. So spricht auch das werdende Taufbekenntnis, das im Apostolicum im 7. Jahrhundert in abgeschlossener Fassung vorliegt, von der sancta ecclesia catholica. So schreibt Augustinus 408 an den Donatisten Vincentius, einen Schismatiker: "Du glaubst eine scharfsinnige Bemerkung zu machen, wenn du den Namen "katholisch" nicht auf die Verbindung mit dem ganzen Erdkreise, sondern auf die Beobachtung aller göttlichen Gebote und die Ausspendung aller Sakramente beziehst. Als ob wir uns zum Beweis für die Verbreitung der Kirche unter allen Völkern auf das Zeugnis dieses Namens stützen würden, obgleich er sicherlich daher rührt, weil die Kirche das Ganze umfaßt, und nicht vielmehr auf die Verheißungen Gottes wie so viele und deutliche Aussprüche der ewigen Wahrheit selbst! ... Wie aber können wir uns darauf verlassen, daß uns in der hl. Schrift der wahre Christus offenbart ist, wenn uns in ihr nicht auch die wahre Kirche offenbart ist?" Also: nicht nur die "allgemeine" Verbreitung, sondern die Übereinstimmung mit der in der Schrift bezeugten ganzen Gotteswahrheit läßt die Kirche katholisch sein. So versteht das abschließende Bekenntnis des Konzils von Konstantinopel (381), das sogenannte Nicäno-Konstantinopolitanische die Kirche: "die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche". Der liturgische lateinische Text des Credo wird in deutschen Katechismen ausgelegt, wobei catholica mit "allgemeine" erklärt wird. Zum ersten Mal taucht 1581 in Würzburg und 1591 in Konstanz in einem "kleinen" Katechismus das Lehnwort auf: "der Geist heiligt in der wahren katholischen Kirche". Um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sich in den Katechismen und auch im Glaubensbekenntnis, soweit es deutsch gelernt und gesprochen wurde, das Wort "katholisch" anstelle der früheren Formulierungen als konfessionelle Sonderbezeichnung durch. Noch in dem Kölner "Kontroverskatechismus" von 1797 wird im Apostolicum "allgemein", im Nicänum dagegen "katholisch" übersetzt. In dem verbreiteten Katechismus von Deharbe (Saarlouis 1886) heißt es dann "die heilige katholische Kirche". Obwohl die offizielle Konfessionsbezeichnung "römisch-katholisch" heißt, da es ja auch seit 1870 eine "alt-katholische" (in der Schweiz "christ-katholische") Kirche und innerhalb der unter dem Papst stehenden Kirche "griechisch-katholische Kirchen" (mit östlichem Ritus) gibt, hat sich im Volksbewußtsein die Bezeichnung "katholisches Pfarramt", "katholischer Kindergarten" für konfessionelle Institutionen eingebürgert. Die Reformation hatte Kritik an dem Zustand der mittelalterlichen Kirche geübt, die offiziell in den "Artikeln, von welchen Zwiespalt ist, da erzählet werden die Mißbräuch, so geändert seind", im Augsburgischen Bekenntnis zum Ausdruck kommt. Aber die harte Kontroverse hat dem erklärten Willen keinen Eintrag getan, in una etiam ecclesia christiana unitate et concordia vivere ("in einer Gemeinschaft, Kirchen und Einigkeit zu leben"), wie es die Vorrede zum Augsburgischen Bekenntnis aussagt. Wie die alte Christenheit legt die Apologie des Augsburger Bekenntnisses den Artikel von der Kirche aus.- "so ist der tröstliche Artikel im Glauben gesetzt: 'ich gläube ein katholick, gemeine, christliche Kirche', damit niemands denken möchte, die Kirche sei, wie ein ander äußerlich Polizei (= Staatswesen) an dieses oder jenes Land, Königreich oder Stand gebunden, wie von Rom der Papst sagen will; sondern daß gewiß wahr bleibt, daß der Hauf und die Menschen die rechte Kirche sein, welche hin und wieder in der Welt, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, an Christum wahrlich gläuben, welche denn ein Evangelium, einen Christum, einerlei Tauf und Sakrament haben, durch einen heiligen Geist regiert werden, ob sie wohl ungleiche Ceremonien haben." So ist das dasselbe wie die wahre und orthodoxe (rechtgläubige) Kirche, und sie heißt so von der katholischen Lehre, d. h. der orthodoxen Lehre Christi und der Apostel, die katholisch genannt wird, (weil gelegentlich Haeresien in der Kirche Geltung zu gewinnen suchen) sofern sie von Christus und den Aposteln ausgegangen, allen Gläubigen anvertraut und in ihrem einmütigen Consensus rezipiert und geglaubt worden ist. - So ist es dasselbe wie 'universale' Kirche. Und so genügt es zur Katholizität der Kirche nicht, daß sie Christi und der Apostel Lehre festhält, weil auch eine Partikularkirche diese rezipieren kann, sondern es ist darüber hinaus erforderlich zur Katholizität der Kirche, daß sie alle Gläubigen aller Orten und Zeiten in ihrem Umfang einschließt." Auch der Genfer Reformator Calvin bekennt in seiner Taufordnung 1545 la saincte église universelle. Das Helvetische Bekenntnis (1566) sagt: "Da nur immer der eine Gott ist, der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen Jesus Christus, der einige Hirte der gesamten Herde ... schließlich der eine Geist, folgt notwendig, daß auch nur eine Kirche ist, die wir daher katholisch nennen, weil sie universal ist und über alle Weltteile verbreitet ist. Wir billigen nicht den Römischen Klerus, der allein die Römische Kirche als katholisch anpreist." Hier wird auch, wie in der alten- Christenheit, die partikular-konfessionalistische Beschlagnahme des Namens "katholisch" durch eine Teilkirche verworfen. Das "Hólon", die Ganzheit der Lehre und des Glaubens der Kirche, gründet also nach dem einhelligen Verständnis der alten Kirche wie der Reformation in dem Anteilhaben an der Fülle Christi und dem Zeugnis der Apostel von diesem Heilsratschluß Gottes - und nur von da abgeleitet her rührt ihre Universalität für alle Völker, Länder und Zeiten; zugleich damit wird eine Eingrenzung dieses Anspruchs auf Teilgruppen der Christenheit als häretisch abgelehnt. Die Kirche von England hat nie aufgehört, sich als The holy Catholic Church zu wissen. Jedenfalls ist das Wort "christlich" in der Gegenwart nicht mehr geeignet, die Inhaltsfülle von "katholisch" wiederzugeben. Denn erstens ist eine "christliche Kirche" eine Tautologie wie ein "weißer Schimmel" - die Gemeinschaften und die Gotteshäuser von Nicht-Christen kann man nicht Kirche nennen, und zweitens wird die Bezeichnung "christlich" heute für Parteien, Buchgemeinschaften, Versicherungsunternehmen, Wirtschaftsverbände mißbraucht und ist ein Allerweltswort im "Christlichen" Abendland geworden. Ebenso ist die Vokabel "allgemein" zu blaß und allgemein. Entweder weckt es die Vorstellung von etwas Durchschnittlichen und Verschwommenen ("allgemeine Redensarten") oder es ist auch gesellschaftlich und publizistisch belegt ("Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Allgemeine Ortskrankenkasse"). Es ist - ähnlich wie im Lateinischen - nicht gelungen, für das Wort "katholisch" eine unverwechselbare, inhaltlich ausreichende Verdeutschung zu finden. Schon ehe das Vorhaben einer gemeinsamen Übersetzung gemeinsamer Gebets- und Bekenntnistexte aufgetreten war, bereitete uns die Verdeutschung des 3. Artikels Verlegenheit. Rudolf Alexander Schröder hatte für die Glaubensbekenntnisse die Wortbildung "allgemeinsame Kirche" vorgeschlagen. Diese ungewöhnliche Fassung sollte gegenüber dem wenig sagenden "allgemeine" zum Aufhorchen zwingen. Dennoch konnte man sich nicht zu dieser ungewöhnlichen Neuprägung entschließen. In verschiedenen privaten Agenden war die Verdeutschung "allumfassende Kirche" vorgelegt worden. Einige Landeskirchen verwendeten die Großschreibung: "Eine heilige christliche Kirche"; aber im Apostolikum steht nicht: "unam sanctam ecclesiam . . .", - und der Großbuchstabe erscheint nur beim Lesen, aber nicht beim Sprechen des Bekenntnisses. Auch in der römischen Kirche setzte sich mühsam, aber unaufhaltsam diese Erkenntnis durch. Es war eine große Stunde, als im II. Vatikanischen Konzil eine Vorlage verworfen wurde, die die absolute Deckung zwischen der "unica Christi Ecclesia" und der verfaßten Kirche aussprechen wollte; man formulierte nun: "Haec Ecclesia (nämlich die eine Kirche Christi) in hoc mundo ut societas constituta et ordinata, subsistit in Ecclesia catholica, a successore Petri et episcopis gubernata" - sie hat ihre Existenzform (aber nicht: "sie ist") in der Kirche unter dem Papst ... Auch im Dekret über den Ökumenismus wird zum erstenmal von den "Kirchen" und "Gemeinschaften" gesprochen, die "der Hl. Geist als Mittel des Heils gebraucht". Damit ist der exklusive Anspruch der eignen Kirche auf die Heilsvermittlung überwunden (der immer das Zeichen der Sekte war!). Damit sind die ernsthaften Fragen noch nicht vollends erledigt, die die voneinander getrennten Kirchen nach der ihnen je gegebenen Erkenntnis der in der Schrift gegebenen Wahrheit aneinander zu richten haben - und ebenso ist das der eigenen Kirche anvertraute Wahrheitszeugnis, um deswillen sie die Not von Trennungen in ihrer Geschichte auf sich nehmen mußte, keineswegs relativiert oder überholt. Aber der Wille des Herrn, auch das historisch abgegrenzte und verfaßte eigene Kirchentum aus der in Ihm vorgegebenen Einheit der Kirche zu verstehen und der Einigung der verschieden gewachsenen Kirchen betend, bekennend und handelnd entgegenzugehen, ist in der Christenheit unüberhörbar vernommen worden. Ausdruck dessen ist die Aussage des ökumenischen Rates der Kirchen auf seiner Weltkonferenz in Uppsala 1968 vom "Heiligen Geist und der Katholizität der Kirche": In dieser geistlichen Lage gingen die Kirchen des deutschen Sprachgebiets daran, den Text der Bekenntnisse, die ökumenisches Gemeingut sind, in eine gemeinsame deutsche Sprachfassung zu bringen. In dieser Zusammenarbeit wurde von den Vertretern der "katholischen" und der reformatorischen Kirchen bezeugt, daß sie im theologischen Verständnis der Aussage "katholisch" einig sind: im urchristlichen Sinn der nicht konfessionell und nicht partikular verstandenen Katholizität. Keine der getrennten Kirchen hat Grund, auf das Bekenntnis zur Katholizität zu verzichten. Andrerseits bestand auch die Bereitschaft, eine neue Übersetzung zu wagen, falls sie die Bedeutungsgehalte von "katholisch" auszudrücken vermag. Gerade von römisch-katholischen Mitarbeitern wurden Vorschläge gemacht, die die qualitative Bedeutung der Fülle und Ganzheit, der Offenheit für alle Menschen ausdrücken könnten: "die heilige Kirche, Kirche für alle Welt" oder: "gestiftet für alle Welt" oder: "Zeichen des Heils für alle Welt", "für alle Menschen", "für alle Völker". Da aber der Auftrag bestand, den gegebenen Text des Credo zu übersetzen, erschienen diese Paraphrasen zu kühn. Eine Vermeidung des Lehnworts wäre erwünscht gewesen, um das eingetretene konfessionelle Mißverständnis von "katholisch" zu vermeiden und auch dem römisch-katholischen Volksteil die universale Bedeutung der Kirche neu zu erschließen. Andrerseits war auch ein Verzicht auf das in der gesamten Christenheit bekenntnismäßig verankerte Prädikat in der nicht voll ausschöpfbaren Bedeutung der Ursprache nicht voll befriedigend. So kam die ALT zu ihrem Vorschlag, eine unverbrauchte Übersetzung und das originale Wort sich gegenseitig interpretieren zu lassen. Dazu wurde ein "Junctim" für beide Bekenntnisse vorgeschlagen: im Apestolicum sollte es heißen. "die heilige allumfassende Kirche", im Nicänum "die eine heilige katholische und apostolische Kirche". Die relativ inhaltreichste Verdeutschung "allumfassend" läßt sowohl die Ganzheit und Fülle der geoffenbarten Wahrheit wie die Universalität des Heilsangebots an alle Welt und alle Zeiten anklingen, sehr viel konkreter als das blasse "allgemein". In Verbindung mit der Erhaltung des originalen Lehnworts im Nicänum hätte sich auch katechetisch der Bedeutungsgehalt dieser nota ecclesiae dem heutigen Verständnis nahebringen lassen. Wie die gesamten Entwürfe der Übersetzung der Bekenntnisse wurde auch dieser Vorschlag den beteiligten Kirchenleitungen unterbreitet und auch der kirchlichen Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt. Eine weitere Anmerkung gehört zu den Vereinbarungen, die wenigstens das Bewußtsein von der inhaltlichen Gemeinsamkeit der Bekenntnisaussage wachhalten oder wachrufen soll: "In Fortsetzung eines älteren Brauches geben die reformatorischen Kirchen des deutschen Sprachgebietes die allen gemeinsamen lateinischen Worte "ecclesia catholica" mit "christliche Kirche" oder "allgemeine christliche Kirche" wieder, während die römisch-katholische und die altkatholische Kirche an dieser Stelle "katholische Kirche" sagen." Die evangelischen Mitglieder der ALT, die aus pastoralen Gründen "katholisch" nicht empfehlen zu können meinten, obwohl alle theologisch das einhellige Verständnis von "catholica" bejahten, bedauerten, daß die Gemeinden es noch anders verstehen und daß wir sicher in der Vergangenheit in der Unterweisung darüber viel versäumt haben. Über das dogmatisch-ekklesiologische Problem der Katholizität seien sie noch nicht genügend informiert; vielleicht könne sich das in einigen Jahrzehnten ändern. Nach Abschluß der offiziellen Annahme durch die Kirchenleitungen fand auf dem ökumenischen Pfingsttreffen in Augsburg die Entschließung einer Arbeitsgruppe bei der gemeinsamen Schlußkundgebung brausende Zustimmung, die Kirchen mögen sich auf die Fassung "heilige allumfassende Kirche" einigen. Wenn auch natürlich die Teilnehmer eines solchen Kirchentreffens keine offizielle Kompetenz haben, so warf doch die Meinungsbildung einer solchen aus vorwiegend jungen und in ihren Kirchen engagierten Christen ein bemerkenswertes Licht auf die Besorgnisse der Kirchenleitungen, das Kirchenvolk könne eine gemeinsame Fassung noch nicht verstehen und vertragen! Warum haben die Kirchenleitungen es dahin kommen lassen, daß sich die Sprachregelung verfestigte, katholisch sei nur die römische Teilkirche? Warum haben sie nicht längst die Gemeinden dahin "informiert", daß kein Konfessionskirchentum den Anspruch auf das Attribut "katholisch" gepachtet hat und daß unsere Kirchen, wenn sie überhaupt wahrhaft Kirche sein wollen, "diesen christologischen Ehrentitel darum auch nicht der römischen Kirche überlassen" dürfen (Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, München 1947!). Warum wissen es also unsere Gemeindeglieder nicht längst, aus den zahllosen Predigten, in denen sie unterwiesen, aus den Bibelstunden, Akademieveranstaltungen, den Millionenauflagen der Gemeindeblätter, daß sie Glieder der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche sind? Wann endlich, nach Jahrzehnten des Kampfes um das Bekenntnis und im Zeitalter der Ökumene, und mit welchen Mitteln gedenken wir sie darüber zu informieren, was der dritte Glaubensartikel bedeutet? Sollte man dem Kirchenvolk nicht zutrauen, daß es bei einer sachgemäßen Information in der Predigt, in Gemeindekreisen, im Unterricht und in der Publizistik verstehen lernen kann, was mit der Bezeichnung der Kirche als "katholisch" gemeint ist, zumal dieses Verständnis auch durch die Erklärungen der nicht-römischen Ökumene gedeckt ist! Sogar die weltliche Presse spricht heutzutage auf ökumenische Geschehnisse sehr aufmerksam an und würde die Einführung nicht nur der gemeinsamen Texte im ganzen, sondern auch diese zum Aufhorchen zwingende Formulierung interpretieren. Umgekehrt würde das römisch-katholische Kirchenvolk, das bisher Entscheidungen der kirchlichen Autoritäten mit relativ großem Vertrauen aufnahm, wohl verstehen können, was seine Theologen als historische und dogmatische Erkenntnis erklären: daß die Aussage des Credo über die Kirche nicht konfessionalistisch gemeint ist. Wenn die Kirchenleitungen und die Seelsorger die Zuversicht aufbringen wollten, eine von ihnen als richtig erkannte Lehre von der Kirche, die längst in den fachtheologischen Veröffentlichungen steht, auch der Gemeinde mitzuteilen! Heute wäre es an der Zeit, nicht nur in einer Anmerkung, sondern im Text des Bekenntnisses selbst die Katholizität der Kirche zu bekennen. Der ökumenische Text überläßt es den einzelnen Gliedkirchen, für ihren Bereich die aus den drei verschiedenen Fassungen gewählte Formulierung zu bestimmen. Es wäre also möglich - kann man es hoffen? -, daß eine evangelische Landeskirche für ihren Bereich die Fassung "katholische Kirche" freigibt, vielleicht neben einer der beiden andern Fassungen. Es wäre auch denkbar, daß eine Gemeinde ihr "jus liturgicum" (das sonst immer nur als Ausrede für den Widerstand gegen ein Gesangbuch oder eine Agende ins Feld geführt wird!) benutzt, um in ihrem Gottesdienst den Gebrauch des Wortes "katholisch" zu wagen - das wäre eine ökumenische Tat! Evangelische Bruderschaften und Kommunitäten werden gewiß dies Zeichen aufrichten. Uns scheint, die Durchbrechung des durch gegenreformatorische Verhärtung und protestantische Gleichgültigkeit entstandenen unrechtmäßigen Monopols der römischen Teilkirche auf die Bezeichnung "katholisch" wäre ein wirklich evangelischer Pro-test, ein Zeugnis für die nicht konfessionell verfügbare, nur im Herrn gegründete Einheit der Kirche. Wenn wir in der im Namen Jesu versammelten Gemeinde die Ortho-Doxia, die Doxo-Logia, das heißt das rechte Lob des dreieinigen Gottes anstimmen, dann bekennen wir uns "einmütig im Glauben mit der gesamten Christenheit" zu der heiligen katholischen oder allumfassenden Kirche. der Kirche, in der uns die Fülle des in Christus erschienenen Heils, die ganze Wahrheit verkündigt und ausgeteilt wird die die Gläubigen aus allen Kulturen, Nationen und Sprachen, aus allen Ständen und Bildungsschichten umfaßt - in der die Väter im Glauben und die Menschen der Gegenwart und die kommenden Generationen verbunden sind - die keine Grenzen politischer Macht und gesellschaftlicher Systeme kennt - deren Grenzen sich auch nicht mit den Abgrenzungen einzelner Konfessionsgemeinschaften decken - deren Grenze allein dem Herrn bekannt ist. Dies alles - und nicht nur die räumliche Verbreitung allein - kennzeichnet die Kirche als katholisch. Wir sollten endlich auch den Mut und die Offenheit wiederfinden, im Dank für das Wirken des Heiligen Geistes, der vom Vater durch den Sohn ausgeht, das Bekenntnis zu der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche nicht nur in den historischen Urkunden unserer Kirchen aufgezeichnet zu wissen, sondern es auch in der versammelten Gemeinde mit den gleichen Worten auszusagen. [Siehe auch die Berichtigung des Autors] Quatember 1972, S. 147-158 |
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