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Evangelische Michaelsbruderschaft
Stellungnahme zum „Herrenmahl”

LeerFür das ökumenische Gespräch ist das Thema des Abendmahls bzw. der Eucharistie von zentraler Bedeutung. Eine vom Sekretariat für die Einheit der Christen in Rom und dem Lutherischen Weltbund in Genf eingesetzte offizielle Kommission hat ein Dokument über „Das Herrenmahl” erarbeitet. Die Leser von QUATEMBER sind durch die Buchbesprechung von Reinhard Mumm in Heft 2/1979, S. 121 ff bereits über den Inhalt dieses Dokuments unterrichtet, welches inzwischen in 6. Auflage erschienen ist. Da die Kommission um Stellungnahmen zu dem Dokument gebeten hat, hat die Evangelische Michaelsbruderschaft eine solche Äußerung abgegeben. Sie wurde durch die Sekretäre des ökumenischen, des theologischen und des liturgischen A rbeitskreises vorbereitet, vom Rat der Bruderschaft am 26. Mai 1979 als Vorlage angenommen und am 12. Oktober 1979 im Kloster Kirchberg vom Kapitel besprochen, an mehreren Stellen verbessert und sodann beschlossen. Die Stellungnahme wird hier veröffentlicht in der Hoffnung, daß sie dem Gespräch über das Herrenmahl, der Rezeption der Ergebnisse des Dokuments und dadurch der von uns erstrebten Einheit am Tisch des Herrn dient.

LeerDie Evangelische Michaelsbruderschaft hat das von der gemeinsamen römisch-katholischen / evangelisch-lutherischen Kommission erarbeitete Dokument „Das Herrenmahl” dankbar zur Kenntnis genommen.

Leer1. Wir sind eine Bruderschaft, die sich mit allen verbunden weiß, die um die Erneuerung und für die Einheit der Kirche beten und arbeiten. Daher begrüßen wir dieses Dokument. Wir halten es für geeignet, uns der ersehnten Gemeinschaft am Tisch des Herrn näherzubringen und die Erneuerung der eucharistischen Feier in unseren Kirchen zu fördern.

LeerWir haben das im vielseitigen interkonfessionellen Dialog erarbeitete Konsenspapier von Accra 1974, „Eine Taufe, eine Eucharistie, ein Amt” als hilfreich empfunden und gegenüber der Abteilung „Glaube und Kirchenverfassung” unsere Stellungnahme abgegeben. Wir freuen uns nun auch über das im zweiseitigen Gespräch zwischen dem Sekretariat für die Einheit der Christen in Rom und dem Lutherischen Weltbund erarbeitete Papier, zumal dieses sich stets im Zusammenhang mit anderen ökumenischen Gesprächen versteht. Letzteres macht uns die Zustimmung leicht, da die Evangelische Michaelsbruderschaft zwar weithin in lutherischer Tradition steht, aber auch Glieder umfaßt, welche nicht zur lutherischen Kirche gehören oder sich nicht im engeren Sinne als lutherisch vurstehen. Nicht nur, aber auch auf Grund der Herkunft und Beheimatung unserer Brüder in Traditionen verschiedener evangelischer Kirchen sind wir daran interessiert und wollen dazu beitragen, daß die zweiseitigen ökumenischen Gespräche, die wir grundsätzlich begrüßen, immer die an diesem Gespräch nicht beteiligten Christen im Blick behalten. Laut unserer Urkunde glauben wir daran, „daß alle Einzelkirchen Glieder der einen Kirche Christi sind und ihren Beruf im gegenseitigen Empfangen und Dienen erfüllen”. Da das Dokument „Das Herrenmahl” in diesem Sinne geschrieben ist, können wir uns seine Ergebnisse zu eigen machen.

Leer2. Wir halten die im ersten Teil „Gemeinsames Zeugnis” formulierten Aussagen in der Tat für eine Darlegung dessen, was lutherische und katholische Christen gemeinsam bekennen können (§ 2). Nicht nur aus Achtung vor der in der offiziellen Kommission geleisteten Arbeit möchten wir keine Änderung des Wortlauts vorschlagen. Wir sehen, daß hier Konvergenzen und Übereinstimmungen in Worte gefaßt sind, und daß derselbe Sachverhalt beschrieben ist, den wir meinen, auch wenn Worte verwendet werden, welche aus anderer konfessioneller Tradition stammen. Für besonders glücklich halten wir den Grundansatz, welcher nicht nur von dogmatischen Aussagen, sondern von der gesamten eucharistischen Wirklichkeit ausgeht, zu der Lehre und Leben, Bekenntnis und liturgische Form, Frömmigkeit und Praxis gehören (§ 3). Wir möchten nur einen Satz unterstreichen und hervorheben: „Ohne Eucharistiegemeinschaft gibt es keine volle kirchliche Gemeinschaft, ohne kirchliche Gemeinschaft keine wahrhafte eucharistische Gemeinschaft” (§ 26). Dieser zweigliedrige Satz scheint uns über die unfruchtbare Alternative hinauszuführen, daß das Herrenmahl entweder nur ein Mittel zum Zweck der Erreichung kirchlicher Gemeinschaft sei oder daß es nur das letzte Ziel nach bereits erreichter völliger Kirchengemeinschaft sein dürfe. Beide Arten der Gemeinschaft sind voneinander abhängig, sie fordern und fördern sich gegenseitig; volle Gemeinschaft wird in einem Prozeß des Wachsens erreicht. Wir wissen aus unserer ökumenischen Praxis, daß Gemeinschaft im Mahl theologische Gespräche vertieft und trägt, so wie diese die Mahlgemeinschaft davor bewahren, auf bloßes Gefühl zu gründen. Eindrucksvoll ist im Dokument vom Abendmahl als Geschehen im Heiligen Geist die Rede (§ 21-28). Es wäre wünschenswert gewesen, dieses für alle Kirchen so verheißungsvolle Verständnis des Abendmahlsgeschehens stärker, als es im Dokument zum Ausdruck kommt, auch auf die Bewältigung der gemeinsamen Aufgaben, besonders auf die angemessene Erfassung der liturgischen Gestaltung der Eucharistie anzuwenden.

Leer3. Wir erklären uns bereit, an der Bewältigung der im Teil II genannten „Gemeinsamen Aufgaben” mitzuwirken. Wir gehen dabei mit dern Dokument davon aus, daß noch verbleibende Differenzen zwischen lutherischen Evangelischen und römischen Katholiken sich innerhalb einem Bereichs der Gemeinsamkeit befinden (§ 47). Das erlaubt uns, an die Gegenseite kritische Fragen zu stellen, zumal wir uns von ihr in derselben Weise infrage stellen lassen.

Leer3.1 Wir bejahen die Aussagen, daß es in der liturgischen Gestaltung eine Vielfalt von Möglichkeiten geben muß, daß aber Gemeinsamkeit in einigen Grundvollzügen bestehen soll, auf die wir uns durch Erneuerung unserer Praxis hinbewegen müssen (§ 75f.).

LeerWir geben den drei katholischerseits gestellten Fragen voll recht. In unserer Bruderschaft ist seit langem anerkannt, daß das Herrenmahl Predigt und Mahlfeier umfaßt und an jedem Sonntag gefeiert werden soll. Auch werden bei uns Kinder, die mit der Feier des Herrenmahls vertraut und hinreichend unterwiesen sind, zur Kommunion zugelassen.

LeerWir unterstützen die drei an die Katholiken gestellten Fragen. Unsere Bruderschaft weiß aus längerer Praxis, daß in einer Mahlfeier auch bei Teilnahme einer großen Zahl von Gemeindegliedern eine ausführliche Predigt gehalten werden und die Kommunion unter beiden Gestalten in würdiger und festlicher Gestalt erfolgen kann. In besonderen Fällen (z. B. Krankheit, Alkoholgefährdung usw.) halten wir die Kommunion sub una specie für angebracht.

Leer3.2 Die Epiklese soll eine Herabrufung des Heiligen Geistes auf Brot und Wein und auf die Gemeinschaft (§ 76) sein. Wir bitten unsere katholischen Brüder, in deren Liturgie die Herabrufung auf die Gaben dominiert, dies zu bedenken (vgl. etwa den Wortlaut der schwedischen Liturgie: „Sende deinen Geist in unsere Herzen, auf daß er einen lebendigen Glauben in uns entzünde. Heilige auch durch deinen Geist dies Brot und diesen Wein . . . ” (Seite 78f.).

Leer3.3 Nach wie vor macht uns Mühe mitzuvollziehen, wie in der römisch-katholischen Messe vom Opfer gesprochen wird. Wir haben dabei aber grundsätzlich ein völlig positives Verhältnis zum Gedanken des Opfers überhaupt und sprechen in unseren Mahlfeiern davon, daß Gott das Opfer Christi ansehen möge, daß wir die Früchte des Lebensopfers Christi empfangen und uns selbst als ein lebendiges und heiliges Opfer darbringen (§ 31-37).

Leer3.4 Wir sind dankbar dafür, daß die Realpräsenz Christi im Herrenmahl klar verkündigt wird, aber auch anerkannt wird, daß das „wie” seiner Gegenwart ganz besonders unter den Geheimnischarakter der ganzen Feier gestellt wird (§ 48-51). Was die Behandlung der bei der Feier übriggebliebenen Elemente betrifft (§ 52-55), so versteht sich für uns von selbst, daß das übriggebliebene Brot mit großer Ehrerbietung und Achtung behandelt und der Rest des Weines im Anschluß an die Feier mit Andacht völlig ausgetrunken wird. Gerade deshalb sehen wir uns berechtigt, unsere katholischen Brüder darum zu bitten, der Aufbewahrung und andächtigen Verehrung des eucharistischen Brotes (für die wir durchaus Verständnis haben können) ein geringeres Gewicht zu geben gegenüber der Mahlgemeinschaft und der Kommunion innerhalb der Feier des Herrenmahls.

Leer3.5 Die Fragen um das Amt sollten die Kirchen nicht voneinander trennen. Wir stimmen § 13 zu, und es versteht sich für uns, wie für alle Lutheraner, von selbst, daß der eucharistische Gottesdienst vom ordinierten Pfarrer geleitet ist (§ 67). Innerhalb unserer Bruderschaft sind wir bereit, auch eine der lutherischen Ordination entsprechende Amtseinsetzung einer anderen Kirche anzuerkennen. Gerade deshalb haben wir den Mut, unsere römisch-katholischen Brüder zu bitten, die Frage der Anerkennung der Ämter nicht zum gewichtigsten und bislang unüberwindlichen Problem für die eucharistische Gemeinschaft zu machen.

Leer3.6 An der Gewinnung eucharistischer Gemeinschaft ist uns ganz besonders gelegen. Wir stimmen dem Satz zu: „Eine Abendmahlsfeier, an der glaubende Getaufte nicht teilnehmen dürfen, leidet an einem inneren Widerspruch und erfüllt deshalb schon in ihrem Ansatz die ihr vom Herrn gestellte Aufgabe nicht” (§ 73). Da das Mahl für uns in erster Linie „Mahl des Herrn” und „Mahl der Gemeinschaft” ist, gewähren wir jedem eucharistische Gastbereitschaft, der sich durch sein Gewissen nicht gehindert sieht, mit uns zum Tisch des Herrn zu treten, und ermutigen unsere Brüder, in besonderen Fällen auch in anderen Kirchen zu kommunizieren, wenn erkennbar ist, daß man dort „die Eucharistie als Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn begeht und sein Kommen in Herrlichkeit erwartet” (Erklärung der Evangelischen Michaelsbruderschaft zur Gemeinschaft im Heiligen Mahl 1970). Wir drängen bei allen Kirchen darauf, daß Eucharistiegemeinschaft „nicht gehindert, sondern behutsam und intensiv gefördert werde” (Kirchberger Gespräch 1978, These 7).

Leer4. Wir erklären unsere Bereitschaft und verpflichten uns, an der Rezeption des Dokuments (§ 77) mitzuwirken. Dies ist schon aus dem Obigen hervorgegangen. Wir wollen uns bemühen, die Liturgie unserer Feiern so zu gestalten, daß sie dem gemeinsamen Zeugnis und den gemeinsam bejahten liturgischen Grundvollzügen des Dokuments mehr und mehr entsprechen. In der Tendenz haben wir uns schon bisher so verhalten. So wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, die früher nicht bei uns gebräuchliche Formel „Geheimnis des Glaubens . . .” in unseren Feiern üblich, obwohl einige von uns dagegen Bedenken haben. Wir werden unseren Konventen die Aufgabe stellen, „Das Herrenmahl” zu studieren, sich seine Ergebnisse zu eigen zu machen und in ihrem Leben Gestalt gewinnen zu lassen. Wir wollen uns auch bemühen, die in diesem Dokument erarbeiteten Ergebnisse im Leben der Kirchen, deren Glieder wir sind und mit denen wir in brüderlichem Gespräch stehen, lebendig werden zu lassen.

Quatember 1980, S. 39-42

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-08
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