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Fortdauer der Realpräsenz
von Beda Müller OSB

Zum 50. Jubiläum der Evangelischen Michaelsbruderschaft

LeerDas ökumenische Eucharistiegespräch hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Das wichtigste Dokument ist "Das Herrenmahl", das von einer Kommission des Einheitssekretariats und des Lutherischen Weltbundes erarbeitet wurde und einen weitgehenden Konsens in den zentralen Fragen um Abendmahl und Eucharistie gebracht hat.

LeerNoch am wenigsten geklärt scheint mir die Frage nach der Fortdauer der Realpräsenz zu sein. In dem Buch "Das Herrenmahl" ist ein Exkurs zu lesen, der von Harding Meyer und Vinzens Pfnür gezeichnet ist, "Die Gegenwart Christi in der Eucharistie im Blick auf die Dauer der sakramentalen Gegenwart " überschrieben. Auch hier sind erstaunliche Übereinstimmungen zu erkennen, aber die Distanz zwischen den beiden Auffassungen ist noch erheblich. Mein Mitbruder, P. Dr. Gerhard Voss (Niederaltaich), weist darauf hin: Die einen halten mit dem eucharistischen Brot eine Fronleichnarnsprozession, die anderen erlauben sich, beim Krankenabendmahl den übriggebliebenen Wein in den Ausguß zu schütten.

LeerWenn wir zu einer echten und tragfähigen Abendmahlsgemeinschaft kommen wollen, sollte auch in diesem Punkt eine Klärung versucht werden. Der biblische Befund bringt uns hier kaum Hilfe. Jesus sagt: "Das ist mein Leib" und "Tuet dies zu meinem Andenken". Er sagt nichts über die Fortdauer seiner Gegenwart und über die weitere Verwendung der eucharistischen Gestalten. Es bleibt also nur die Tradition zu befragen und zu beobachten, wie es in der Kirche zu einer Klärung dieser Frage gekommen ist. Schon in den ersten Jahrhunderten hat man von der gemeinsamen Feier des Herrenmahles aus die Kommunion den Gefangenen und den Kranken gebracht. Man hat dort, in der Gefängniszelle oder am Krankenbett, nicht noch einmal die Einsetzungsworte gesprochen, sondern verstand diese Kommunionsausteilung als Ausweitung der Gemeindefeier. Die Gemeinde endet ja nicht bei der Kirchentüre und der Gottesdienst endet auch nicht mit dem Schlußsegen, sondern beides dehnt sich über die Grenzen von Raum und Zeit hinaus.

LeerDer nächste Schritt bestand darin, daß man das eucharistische Brot in einem eigenen Schrein aufbewahrt hat, um jederzeit in der Lage zu sein, Kranken und Sterbenden diese heilige "Wegzehrung" bringen zu können. Von einer Aufbewahrung des Weines ist nichts bekannt, wohl wegen der Verderblichkeit des Getränkes. Auch bei der Kommunion für Gefangene und Kranke ist von der Kelchkommunion nichts überliefert. Die Aufbewahrung des eucharistischen Brotes führte dann im Laufe der Jahrhunderte zur Verehrung. Der Tabernakel wurde immer schöner, würdiger ausgestaltet. Man kam in der Gotik zum Bau der wunderbaren Sakramentshäuschen in unseren Kathedralen und entsprechend entwickelte sich auch eine eigene Sakramentsfrömmigkeit. Das stille Verweilen vor dem Tabernakel spielt in der Geschichte des geistlichen Lebens eine wachsende Rolle. Wenn es stimmt, daß Jesus hier leibhaftig in der Gestalt des Brotes gegenwärtig ist, dann ist es ja ganz naheliegend, sich Zeit zu nehmen, um diesen HERRN zu besuchen und Anbetungsstunden vor dem Tabernakel zu halten. Immer tiefer wurde das gläubige Volk in das Geschenk der Eucharistie, in die Gabe der Gegenwart des HERRN hineingezogen.

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LeerEin weiterer Schritt ist dann der eucharistische Segen mit der Brotsgestalt in der Monstranz und die eucharistische Prozession, bei der man in der Monstranz den HERRN in der Eucharistie durch die Kirche, durch die Kreuzgänge und auf die Straßen der Stadt getragen hat. Die Fronleichnamsprozession wurde erstmals 1246 in Lüttich eingeführt und 1264 für die ganze Kirche gestattet. Die Anregung dazu kam von einer Frau, nämlich von der Hl. Juliana von Lüttich.

LeerDie Fronleichnamsprozession ist also keine gegenreformatorische Kundgebung der Katholiken, wie man hin und wieder hören konnte, sie ist älter. In ihr wird zum Ausdruck gebracht, daß das Geheimnis der Eucharistie auf die Verwandlung des ganzen Kosmos hinzielt. Es geht ja nicht nur um die Verwandlung des Brotes, sondern vor allem um die Verwandlung des Menschen, ja um die Verwandlung der ganzen Schöpfung; denn alle Kreaturen seufzen und liegen in Wehen und verlangen nach der Offenbarung der Gotteskinderschaft.

LeerDieser Bezug wurde durch die vier Stationen, die vier Altäre, mit der Verkündigung von vier Texten aus den Evangelien verdeutlicht. Die Zahl vier ist bekanntlich die Zahl des Kosmos, wie die Zahl Drei die Zahl Gottes ist. Es wäre sinnvoll, wenn man bei der Fronleichnamsprozession den Segen der eucharistischen Gabe jeweils vier Bereichen unseres menschlichen Lebens zuwenden würde, z. B. am Rathaus dem politischen Bereich, am Krankenhaus dem Bereich der Diakonie und Caritas, am Schulhaus dem Bereich von Erziehung und Kultur und an einer Fabrik dem Bereich der Berufsarbeit. Die Lesungen aus der Schrift, die Fürbitte und die Lieder könnten jeweils diesen Themen zugeordnet werden.

LeerIch möchte nicht bestreiten, daß es in der Entwicklung der Eucharistiefrömmigkeit zu bedenklichen Akzentverschiebungen und zu unzulässigen Wucherungen gekommen ist. Die Kritik der Reformatoren und ihr Ruf "Zurück zur Bibel" hat eine heilsame Besinnung ausgelöst, die sich vor allem in der liturgischen Erneuerung und in der Liturgieform des II. Vaticanums niedergeschlagen hat. Als unzulässig wurden z. B. die "Messen vor ausgesetztem Allerheiligsten" erklärt, die mancherorts zur Erhöhung der Feierlichkeit üblich waren.

LeerDas Konzil hat klargestellt, daß das Hl. Mahl das Zentrum der Eucharistie ist. So hat es Jesus gestiftet, und die ganze eucharistische Frömmigkeit muß auf diese Mitte hin bezogen sein. Die Anbetung des Allerheiligsten kann aber sinnvoll als Hinführung zu diesem Herrenmahl oder als Danksagung und vertraute Zwiesprache nach der Hl. Kommunion praktiziert werden. In letzter Zeit ist man bei strittigen Texten oder Fakten öfter dazu übergegangen, die Wirkungsgeschichte zu untersuchen. Man könnte bei unserer Frage auch einmal diesen Weg beschreiten und der Wirkung nachgehen, die von dem Glauben an die Fortdauer der Realpräsenz ausgegangen ist.

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LeerDa ist z. B. der Kirchenbau zu nennen. Wenn wir katholische und evangelische Kirchen vergleichen, so kommt der Unterschied sehr deutlich darin zum Ausdruck, daß in den evangelischen Kirchen oft die Kanzel im Zentrum steht und die Bänke der Kanzel zugewandt sind, während katholische Kirchen den Altar und teilweise auch den Tabernakel zur Mitte haben. Die katholischen Kirchen wurden in erster Linie für Gott gebaut, als Haus Gottes, und erst in zweiter Linie für den Menschen, die dieses Gotteshaus besuchen. Bei uns in Neresheim haben unsere Vorfahren auf das abgelegene Härtsfeld einen gewaltigen Dom gebaut, obwohl für den kleinen Konvent und die normale Besuchergemeinde ein wesentlich kleinerer Raum vollauf genügt hätte. Man wollte wohl in den majestätischen Dimensionen des Raumes eine Aussage über Gott, über SEINE Größe, über SEINE unfaßbare Gegenwart und Lebendigkeit machen. "Haec est Domus Dei" steht in großen Lettern über dem Hauptportal unserer Kirche: "Das ist das Haus Gottes". Ist es nicht der Glaube an die Anwesenheit Christi im Sakrament, und zwar auch über die Feier der Eucharistie hinaus, der die Bauherrn und Künstler inspiriert hat, für diese Kirchen das Beste und Schönste aufzubieten? Galt es doch, eine Wohnung für Gott zu bauen. Betrachten wir doch einmal die Entwicklung der Kirchenbaukunst unter diesem Aspekt: Die Romanik, die Gotik, den Barock. Ist die Wirkungsgeschichte nicht auch ein Beitrag zu unserer Frage nach der Fortdauer der Realpräsenz?

LeerEine evangelische Pfarrfrau bemerkte einmal: "Eure Kirchen erwecken den Eindruck als seien sie bewohnt. Unsere evangelischen Kirchen hingegen wirken leer."

LeerAber nicht nur die Architektur hat ihre schönsten Werke in diesen Domen, Kathedralen und Barockkirchen geschaffen, sondern auch die anderen Künste haben hier ihr Bestes geleistet. Ist es ein Zufall, daß die bedeutendsten Bildwerke Europas Altarbilder sind? Ich nenne nur einige wenige: Den Isenheimer Altar in Colmar, den Bordesholmer Altar, den Genter Altar sowie die Altarwand der Sixtinischen Kapelle in Rom. In der Verehrung Gottes, näherhin des eucharistischen HERRN, wurden die tiefsten, schöpferischen Kräfte im Menschen geweckt und entfaltet. Man müßte auch noch das Kunsthandwerk dazuzählen, das die Kreuze und Leuchter, die Monstranzen und Kelche, die Gewänder und Antependien geschaffen hat.

LeerAuf unser Eucharistieverständnis ist es zurückzuführen, daß unsere Kirchen auch tagsüber geöffnet sind. Jeder Katholik weiß, daß das "Ewige Licht" vor dem Tabernakel auf die eucharistische Gegenwart Jesu hinweist, und daß wir eintreten dürfen, um bei IHM zu sein. Hier ist immer schon Meditation praktiziert worden, stilles Verweilen, vertraute Zwiesprache, Versenkung. Hierher paßt das Lied von Gerhard Tersteegen: "Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor IHN treten. Gott ist in der Mitten, alles in uns schweige und sich innigst vor IHM beuge."

LeerEs wäre eine lohnende Aufgabe, einmal in der Geschichte der christlichen Spiritualität der Bedeutung nachzugehen, die diese eucharistische Gegenwart des HERRN für unzählige Menschen, Beter, Mystiker gehabt hat und heute hat. Ich möchte nur auf drei Persönlichkeiten aus unserem Jahrhundert hinweisen, bei denen die Eucharistie auch außerhalb der Messe eine zentrale Rolle gespielt hat und spielt, auf Charles de Foucauld, auf Therese Neumann von Konnersreuth und auf Mutter Teresa von Kalkutta.

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LeerCharles de Foucauld († 1916) hat als geistliches Leitbild für sein Leben und für den von ihm geplanten und später auch verwirklichten Orden das Leben Jesu in Nazareth gewählt. Jesus hat vor seinem öffentlichen Wirken ganz einfach unter seinen Mitmenschen gelebt. Er hat Gott schweigend, arbeitend, liebend präsent gemacht. Dieses Leben wollte Charles de Foucauld und wollen seine Brüder und Schwestern in dem von ihm gegründeten Orden nachvollziehen. Sie wollen, wie Jesus, unter den ärmsten Menschen leben. Dabei spielt für Charles de Foucauld und seine "kleinen" Brüder und Schwestern die tägliche Anbetung vor dem Allerheiligsten eine entscheidende Rolle. Ihre Kommunitäten bestehen oft nur aus drei Personen. Man kann sie nicht nur in den Slums und unter den Obdachlosen, sondern auch in den Zelten der Sahara oder im Zigeunerwagen, in Berliner Mietskasernen oder in einer Dschunke im Hafen von Hongkong finden. Zentrum dieser Kommunitäten ist immer der winzige Raum mit dem Allerheiligsten. Dort wird, wenn immer möglich, die Hl. Messe gefeiert und vor dem Tabernakel halten die Brüder und Schwestern ihre tägliche Anbetung, ihre Zwiesprache mit dem HERRN. Hier empfangen sie die Kraft, die Nahrung, die sie befähigt, den Ärmsten der Armen, wo immer sie sie finden, zu dienen.

LeerTherese Neumann († 1962) ist ein einfaches Kind vom Lande, das älteste von zwölf Kindern. Seit den zwanziger Jahren, nach einer schweren Krankheit wunderbar geheilt, hat sie nur mehr von der Eucharistie gelebt. Es wird glaubwürdig versichert, nicht nur von ihren Angehörigen und ihren Dorfgenossen, sondern von allen, die sie kannten und die sie auf Reisen besuchten, daß Therese Neumann niemals etwas gegessen oder getrunken hat. Vierzig Jahre lang hat sie buchstäblich nur von der Eucharistie gelebt, die sie täglich empfing. Sie hat im Anschluß an das Kirchenjahr das Leben Jesu geschaut und hat das Leiden Jesu an ihrem eigenen Leibe mitgelitten. Sie trug auch die Wundmale an Händen und Füßen und an der Brust. Wenn man Therese Neumann fragte: "Resl, es geht doch gar nicht, daß man von nichts lebt", dann antwortete sie: "Ich leb' auch nicht von nichts. Wenn der Heiland gesagt hat 'Mein Leib ist wahrhaft eine Speise' und wenn er will, daß er bei mir nicht nur eine Speise für die Seele, sondern auch für den Körper ist, warum sollte ihm das nicht möglich sein?"

LeerWas könnte der Sinn dieses Zeichens sein? Könnte es nicht die Bedeutung haben, uns ganz neu auf die Eucharistie hinzuweisen, auf die verwandelnde, lebenspendende Kraft dieses Sakramentes?

LeerDie dritte Persönlichkeit, in deren Leben die Eucharistie im Tabernakel eine zentrale Rolle spielt, ist Mutter Teresa von Kalkutta, die noch am Leben ist. Ich zitiere aus dem TOPOS-Taschenbuch "Mutter Teresa, Geistliche Texte", (2. Aufl. Mainz 1978) "Wir können der Demut Jesu begegnen in seiner Krippe, in seiner Verbannung in Ägypten, in seinem verborgenen Leben, darin, daß er nicht imstande war, sich den Menschen verständlich zu machen, daß die Jünger ihn im Stich ließen, daß die Juden ihn haßten, in all den furchtbaren Qualen der Passion und jetzt in seiner Demut im Tabernakel, wo er in einer kleinen Scheibe Brot ist, so daß der Priester ihn zwischen den Fingern halten kann."

Leer"Ein Mitarbeiter muß imstande sein, Jesus den Menschen zu schenken. Deshalb müssen wir nahe bei Gott sein. Wir sollten für Gebet und Meditation eine Heilige Stunde haben. Auch wenn wir nicht viele sind, könnten wir sie in unserer Pfarrei halten oder wo wir uns gerade befinden. Wenn wir die Armen wirklich lieben, müssen wir zuerst im Allerheiligsten Sakrament die Verbindung mit IHM aufnehmen. Nachher ist es leicht, unsere Liebe für Jesus auf die Armen zu übertragen."

Leer"Wir setzen das Allerheiligste jeden Tag aus und haben gemerkt, daß sich unser Leben verändert hat. Wir haben die Liebe zu Christus durch die schmerzliche Maske der Armen tiefer empfunden. Wir sind imstande gewesen, uns selbst besser zu erkennen und die Armen als konkretes Zeugnis Gottes. Seitdem wir mit dieser Anbetung begonnen haben, haben wir nicht weniger gearbeitet, wir widmen unserer Arbeit ebensoviel Zeit wie früher, aber mit mehr Verständnis. Die Menschen nehmen uns jetzt eher an, weil sie nach Gott hungern. Sie brauchen nicht mehr uns, sondern Jesus."

Leer"Haltet die Stille, die Jesus dreißig Jahre lang in Nazareth beobachtet hat, und die er auch weiterhin im Tabernakel hält, da er sich für uns einsetzt."

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LeerDie Wirkungsgeschichte der eucharistischen Anbetung, auch außerhalb der Messe, ist so gewaltig, daß man von der Wirkung auf die Ursache schließen kann, daß man nicht umhin kann, an die Anwesenheit Jesu in der konsekrierten Brotsgestalt auch außerhalb der Messe zu glauben. Von mir selber muß ich allerdings gestehen, daß sich die Praxis der Meditation von dem Tabernakel wegverlagert hat in meine Zelle oder in unseren Meditationsraum. Mir ist klar geworden, daß die Eucharistie auf die Einwohnung Gottes in uns hinzielt. Jesus will nicht so sehr in einem Haus aus Stein und in einem Tabernakel aus Metall wohnen, sondern in unseren lebendigen Herzen. Das ist ja schon mit den Gestalten von Brot und Wein angedeutet, es sind Nahrungsmittel. Vom Brot weiß jedes Kind, wozu es da ist, daß es zum Essen bestimmt ist, daß es durch unseren Mund in unser Inneres eingeht und eins mit uns wird. Brot und Wein, diese Zeichen hat Christus sich ausgesucht, um uns deutlich zu machen, worauf es ankommt, daß er in uns leben will, in uns Gestalt annehmen will und durch uns hindurch sein Licht, seine Wahrheit, sein Leben, seine Liebe, den Menschen zuwenden will.

LeerEs hat sich also in meiner persönlichen Frömmigkeit eine ähnliche Entwicklung vollzogen, wie sie von der liturgischen Erneuerung des 2. Vaticanums angebahnt wurde, und zwar unabhängig von diesem Geschehen, aus einer inneren Logik heraus.

LeerAuch das Konzil läßt die Anbetung der Eucharistie außerhalb der Messen, den sakramentalen Segen, Fronleichnamsprozession und ähnliches etwas zurücktreten, zugunsten der eucharistischen Feier selbst. Das ist erkennbar an der Neugestaltung der Kirchenräume, der Altäre und der Tabernakel. Hier ist eine deutliche Korrektur vorgenommen worden, die aber sicher nicht besagt, daß die eucharistische Gegenwart nun bedeutungslos geworden sei oder gar in Frage gestellt wäre. Für mich selbst habe ich folgende Lösung gefunden: Ich wurde so geführt, daß die Zeit nach der Messe und Kommunion meine wichtigste Meditationszeit geworden ist. Hier genügen mir als Einstieg die Worte "Bei DIR sein". Die Kommunion ist ja keine "Schluckimpfung", sondern eine personale Begegnung, für die man sich Zeit nehmen muß. Hier finde ich beides: Den HERRN im Brot und den HERRN in mir.

LeerWie können wir nun zu einer verbindlichen Klärung kommen?
Eingangs betonte ich, daß uns hier der biblische Befund nicht weiter hilft. Es ist die Glaubenserkenntnis der Kirche gewesen, die sich unter Leitung des Heiligen Geistes immer mehr auf die Eucharistie konzentriert hat und immer neue Tiefen, neue Aspekte in diesem "Geheimnis des Glaubens" entdeckt hat.

LeerIch bitte unsere evangelischen Freunde, einmal diesem Vorgang ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Jesus hat es mit seinem Stiftungsauftrag "Tuet dies zu meinem Gedächtnis" der Kirche überlassen, die Ausführungsbestimmungen zu geben. Er hat es dem Glaubensbewußtsein der Gesamtkirche anvertraut, unter Führung des Heiligen Geistes mehr und mehr dieses Geschehen in seiner Bedeutung zu ergründen und in der Praxis zu entfalten.

LeerGanz ähnlich wie bei unserer Frage nach der Fortdauer derRealpräsenz liegt die Problematik bei anderen Kontroversfragen zum Herrenmahl.

LeerWer ist beauftragt und ermächtigt, die Eucharistie zu feiern? ("Amtsfrage") Alle sind sich einig, daß nicht nur die Apostel, an die die Worte "Tuet dies zu meinem Andenken" gerichtet wurden, bevollmächtigt sind, sondern auch ihre Nachfolger; aber welche Nachfolger?

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LeerNachdem Jesus seine Stiftung an das jüdische Passahmahl anknüpft, also an eine Familienfeier, wäre es naheliegend, daß jeder christliche Hausvater zur Feier der Eucharistie befugt ist. Die Kirche ist diesen Weg jedoch nicht gegangen. Sie hat in der ihr von den Aposteln und damit von Jesus übertragenen Vollmacht anders entschieden.

LeerWer darf die Eucharistie empfangen? Ist die Beichte vorher notwendig und wenn ja, wann? Mit welchem Alter dürfen die Christen zur Eucharistie hinzutreten? Wie steht es mit der Kinderkommunion, dem Kinderabendmahl? Ist die Taufe Voraussetzung zur Teilnahme an der Eucharistie?

LeerHier ist einfach die Zuständigkeit der Kirche zu sehen, die übrigens ziemlich selbständig in diesen Detailfragen vorgegangen ist. Sie verlegt die Zeit vom Abend auf den Morgen, vom Donnerstag auf den Sonntag und ging bei der Feier, in der Sättigungsmahl und Abendmahl verbunden waren, auf die Trennung dieser beiden Elemente über (1. Brief an die Korinther).

LeerWie oft und wann soll die Eucharistie gefeiert werden? Nur einmal im Jahr am 14. Nisan, wie die Zeugen Jehovas es praktizieren? Auch sie berufen sich auf die Bibel. Die Kirche aber hat die Schrift anders verstanden.

LeerWir müssen auch bei anderen konkreten, gegenwärtigen Problemen, zum Beispiel in der Frage der Frauenordination, wie auch, ob man bei Alkoholikern auf Wein verzichten und ungegorenen Traubensaft verwenden kann, die Kirche bemühen. Sie ist nicht nur Lehramt oder gar Papsttum, sondern hier wirken drei Elemente zusammen - eine Abspiegelung der Trinität:

  1. Das Glaubensbewußtsein im gesamten Kirchenvolk.
Hier haben vor allem die Heiligen bildend, vertiefend gewirkt. Aber auch das einfache Volk hat dieses Glaubensbewußtsein getragen und geprägt.
  2. Die theologische Wissenschaft.
Sie hat reflektierend und immer wieder auf die Bibel blickend das Glaubensbewußtsein geklärt und korrigiert.
  3. Das kirchliche Amt.
Es hat die Funktion der Aufsicht, der Ordnung, des Schutzes und der Einheit. Im kirchlichen Lehramt hat auch der Geist Gottes gewirkt, aber eigentliche Durchbrüche und Reformen sind selten von einem Konzil, von einem Papst oder von Amtsträgern ausgegangen.

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LeerFür die Liturgie allgemein und im besonderen für die Feier der Eucharistie hat bei uns Katholiken die Kirche die Zuständigkeit zur Approbation neuer Riten und Texte. Nicht jeder darf hier machen, was er will. Dies ist wichtig wegen der Glaubensreinheit, aber auch wichtig um der Einheitlichkeit willen. In einer Diöszese, in einem ganzen Land, ja schließlich auch bei einem Gottesdienst auf dem Petersplatz, wo alle Länder, ja alle Kontinente vertreten sind, wollen wir in der Lage sein, etwas Gemeinsames zu tun. Ich meine also, daß von unserer Spezialfrage "Fortdauer der Realpräsenz" Licht fällt auch auf die anderen Fragen, die uns im Zusammenhang mit der Feier des Herrenmahles beschäftigen. Es sollte einfach die Kompetenz neu bedacht werden, was auch wichtig ist im Hinblick auf das angestrebte, wahrhaft ökumenische Konzil, von dem wir die entscheidenden Schritte zur Einigung der Kirchen erwarten.

LeerIn diesem Zusammenhang möchte ich an eine Veröffentlichung von Jürgen Distelmann erinnern: "Studien zu Luthers Konsekrationslehre" (zu beziehen durch das Pfarramt Brüdern-St. Ulrici, Alter Zeughof 3, 3300 Braunschweig). Er berichtet von zwei Vorfällen, die Luther in seinen letzten Lebensjahren beschäftigten. Es war der Fall des Pfarrers Wolferinus (1543 in Eisleben) und der Fall des Kaplans Besserer (Ende 1545). Letzterer hatte aus Unerfahrenheit und Unbedachtsamkeit eine konsekrierte Hostie zu Boden fallen lassen, ohne es zunächst zu bemerken. Er hat dann anstelle dieser eine unkonsekrierte Hostie ausgeteilt. Die gefundene hat er zu den unkonsekrierten zurück in die Pyxis gelegt. Bezeichnend ist, daß dieser Vorfall großes Aufsehen erregte, daß Besserer verhaftet und zur Rechenschaft gezogen wurde und man Luther um die theologische Stellungnahme gebeten hat. Luther hat dieses Verfahren als zwinglianisch zurückgewiesen und Besserer wurde aus der wittenbergischen Kirche ausgeschlossen. Ebenso hat Luther den Pfarrer Wolferinus in Eisleben exkommuniziert, weil er aus der Lehre, daß die Realpräsenz nur für die actio sacramentalis angenommen werden dürfe, den Schluß zog, daß die übrigen Elemente gewöhnliches Brot sind und wieder zurückgelegt werden dürfen.

LeerDiese beiden Vorkommnisse stehen nicht allein. Ich erinnere an das Marburger Abendmahlsgespräch, in dem es zur harten Konfrontation zwischen Luther und Zwingli kam, an die Meinungsverschiedenheiten zwischen Luther und Melanchthon im Verständnis des Abendmahles und an den Saligerschen Abendmahlsstreit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

LeerDie Fragen zur praktischen Ausführung der Eucharistiefeier, die von der Bibel her nicht mit Sicherheit beantwortet werden können, dürfen nicht in der Schwebe gelassen werden. Es müssen von der Kirche wirkliche Entscheidungen getroffen werden, wenn aus dem Abendmahl - um ein Wort Luthers zu gebrauchen - nicht ein "Hadermahl" werden soll.

Quatember 1981, S. 152-160
© P. Beda Müller OSB

Zu diesem Beitrag sind mehrere Stellungnahmen und Leserbriefe in Quatember veröffentlicht worden:
Sigisbert Kraft - Das Bleibende der Eucharistie
Jürgen Boeckh - "Sehet, das Lamm Gottes ..."
Walter Lotz - Prozession und Demonstration
Hans Grünewald - Leserbrief
Jürgen Boeckh/Karl Frank/Joachim Stoelzel - Leserbriefe

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-27
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