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Angst um den Frieden - Rüstung und Sicherheit
von Fritz Fraenkel

Leer„Angst geht um in Deutschland...”, sagte jüngst ein Politiker. Ich frage: wie sollte sie nicht umgehen, wenn wir sehen, was jetzt schon geschieht in unserer Welt, und noch mehr, was sich vorbereitet?

LeerAllein das ständige Anwachsen rational kaum noch verantwortbarer Rüstung um uns her - Rüstungs- und Militärausgaben 1981 weltweit über 1 Billion DM, mit rapide steigender Tendenz! - in einer immer chaotischeren Welt, wer kann dabei noch ruhig bleiben, außer er schläfert sich ein? Das tun ja viele, zum Beispiel mit dem Hinweis, daß bisher doch alles gut gegangen sei. Mir scheint dieses „Argument” genauso plausibel, wie wenn 1913 jemand gesagt hätte: „Was wollt ihr: wir haben doch schon seit 1871, also 42 Jahre lang, Frieden!” 1914 begann der 1. Weltkrieg. Nein, am Ende dieses Weges kann nichts Gutes stehen und gewiß nicht der Friede.

LeerNoch ein Wort zur Angst: Heute können es sich eigentlich nur noch zwei Gruppen von Menschen leisten, keine Angst zu haben: die Toren und die Heiligen. Die Toren, weil sie den Kopf in den Sand stecken und meinen, wenn sie so keine Gefahr sehen, dann ist auch keine da: also Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen, Verdrängen. Die Heiligen, weil sie zwar wissen, daß uns nichts erspart bleiben wird, wenn wir nicht zur Umkehr kommen, aber sie sind gehalten: „Die Welt, die mag zerbrechen, Du stehst mir ewiglich.” Billiger ist Trost nicht zu haben.

LeerWas im einzelnen zu sagen ist, will ich in vier Themen ordnen: Rüstung und Sicherheit / Rüstung und Hunger / Rüstung und Ökologie / eine mögliche Alternative.

1. Rüstung und Sicherheit

LeerDas sogenannte „Gleichgewicht des Schreckens”, die längst sinnlose gigantische Über-Rüstung mit Kernwaffen (wir haben derzeit 16fachen „overkill”) hat bis jetzt noch gehalten. Doch nach dem Urteil vieler Fachleute geht diese Periode rasch zu Ende. Eine weitere Waffenanhäufung läßt das angestrebte „Gleichgewicht” nicht mehr sicherer, sondern instabiler werden. Das liegt daran, daß die Waffentechnologie nicht stillsteht. Die neuen Waffengenerationen, wie sie in Pershing II sich ankündigen, sind extrem treffsicher und haben zudem eine so verkürzte Vorwarnzeit, daß ein etwaiger Irrtum nicht mehr korrigierbar wird. Das hat jüngst der unabhängige Rüstungsexperte Prof. Frank Barnaby wieder bestätigt: „Je mehr die beiden Großmächte sich auf die Möglichkeit eines Nuklearkriegs einlassen, desto wahrscheinlicher wird er, denn im selben Maß gewinnt der Gedanke, daß ein solcher Krieg ‚geführt und gewonnen’ werden könne, an Boden.

LeerMan wird offensive und defensive strategische Nuklearwaffensysteme entwickeln, die einen präventiven Überraschungsangriff ermöglichen oder, nach Auffassung einiger Wissenschaftler, wahrscheinlich oder sogar unausweichlich machen.

LeerFerner können auch Zufall oder Fehlkalkulation aufgrund eines technischen Fehlers oder einer falschen Interpretation vorhandener Daten die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Weltkriegs vergrößern. Je mehr die beiden Supermächte sich auf Computer verlassen, die sie vor Kernwaffenangriffen warnen und ihre eigenen Kernwaffen starten und lenken sollen, desto größer wird die Gefahr eines durch Zufall ausgelösten Kriegs.

LeerIn jüngster Zeit hat es einige Male falschen Alarm gegeben, der von amerikanischen Militärcomputern ausgelöst wurde. Der falsche Alarm wurde in keinem Fall durch einen tatsächlichen Atomangriff ausgelöst, das ließ sich jedoch erst nach fünfzehn oder zwanzig Minuten feststellen. Deshalb wird auch die geplante Stationierung von Pershing-II-Raketen in der Bundesrepublik Deutschland, die auf Ziele im europäischen Teil der UdSSR gerichtet sind, die Gefahr eines zufällig ausgelösten Atomkriegs noch wesentlich vergrößern. Die Flugzeit der Pershing II bis zur Sowjetunion beträgt nur noch etwa vier Minuten. Da die sowjetischen Computer nicht so hochentwickelt sind wie die amerikanischen, wächst damit selbstverständlich die Gefahr eines verhängnisvollen Irrtums. Die Auslösung eines Atomkriegs hängt also in zunehmendem Maß an einem ‚seidenen Faden’.” (Militärelektronik im Krieg, Salzburg 1982, S. 260)..

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LeerGerade die immer perfektere Technik ist es, die an den Füßen der „Abschreckung” sägt.

LeerEs ist auch - so wichtig das sein mag - mit dem Waffenzählen allein nicht getan: viel wichtiger ist der Mensch, der diese Systeme im „Ernstfall” bedienen müßte. Wird er dann der Situation gewachsen sein? Denn Waffen dieser Perfektion nötigen gerade, wenn sie auf beiden Seiten einander gegenüberstehen, in einer nicht mehr exakt kalkulierbaren Krisenlage dazu, einem möglichen Schlag des Gegners zuvorzukommen und so genau das herbeizuführen, was man vermeiden wollte. „Die Waffen, die heute den Krieg verhüten sollen, werden die gleichen sein, mit denen er morgen geführt werden wird” (Vorbereitungspapier des Hamburger Kirchentags 1981). So könnte leicht aus dem Sicherheitsarrangement eine Vorkehrung zum zwangsläufigen beiderseitigen Selbstmord werden.

LeerZudem ist das „Gleichgewicht” nie zu stabilisieren, eben schon durch den ständigen waffentechnischen Fortschritt. Es muß immer weiter, mal von dieser, mal von jener Seite „nachgerüstet” werden. Wir legen im Bemühen um das Gleichgewicht ständig auf beiden Seiten immer mehr Gewichte in die Waagschalen, bis schließlich der Waagebalken - bricht.

LeerJede weitere Umdrehung der Rüstungsspirale gefährdet mit Gewißheit unsere Sicherheit eher, als sie zu stärken. Selbst eine so besonnene und ausgewogene Arbeit wie die Friedensdenkschrift der EKD aus dem vorigen Jahr spricht das klar aus (S. 53). Und um das ökumenische Gleichgewicht zu wahren, sei noch eine katholische Stimme zitiert: das Votum des Primas der katholischen Kirche Österreichs, Kardinal König / Wien vom Herbst 1981: „Wir sitzen auf einem Pulverfaß. Jeder Narr, jeder Verbrecher kann zünden. Was tun wir? Wir haben Angst, aber wir schaufeln immer noch mehr Pulver in dieses Faß. Wir haben Angst und wollen mit noch mehr Rüstung unsere Angst vertreiben. Aber Angst kann man nicht wegrüsten. Wir reden von Sicherheit und schaufeln immer noch mehr Pulver in das Faß. Aber Sicherheit kann man nicht errüsten. Wir reden von Sicherheit und meinen unsere Sicherheit. Wir reden von Abrüstung und meinen die Abrüstung der anderen. Aber die Sicherheit ist immer auch die Sicherheit des anderen und die Abrüstung auch immer unsere eigene. Es geht hier nicht um Theorien und um Strategien, nicht um Ausgewogenheit und Gleichgewicht, es geht ums Leben, um unser aller Leben. Es gibt keinen Atomkrieg, es gäbe nur die allgemeine Vernichtung” (FAZ vom 3. 3. 1982).

LeerEs gibt nur eines: daß wir alle und besonders die Großmächte diesen Weg verlassen, ehe eine der nächsten Krisen zur Katastrophe eskaliert. Carl-Friedrich von Weizsäcker, gewiß auch ein unabhängiger und sachkundiger Mann, schreibt in einem Beitrag in den „Evangelischen Kommentaren” vom Februar 1981: „Die Meinung, die Drohung mit den Kernwaffen werde uns Menschen auf die Dauer von ihrem Gebrauch abschrecken, war immer eine Illusion. Was die Abschreckungsstrategie uns gewährt hat, war eine Atempause von ein paar Jahrzehnten. ...Vielleicht erhöht nicht jeder denkbare Rüstungswettlauf die akute Kriegsgefahr; der für die 80er Jahre anstehende wirkliche Rüstungswettlauf aber tut es. Es ist die Pflicht der Kirche, auf diese Gefahr hinzuweisen.”

2. Rüstung und Hunger

LeerMir als Christenmenschen sind aber zwei andere Erwägungen noch wichtiger: in einer Weltwirtschaft, die mehr und mehr stagniert, floriert ein Geschäft: die Rüstungsindustrie. Daß jährlich auf unserer Erde 25 bis 30 Millionen Menschen verhungern, daß mindestens 500 Millionen Menschen durch ständigen Hunger und Mangel zeitlebens geschädigt bleiben, ist Schuld dieser heillosen Sucht nach immer mehr Waffen!

LeerMit einem Zehntel dessen, was die Völker (auch die Entwicklungsländer, die freilich durch uns in diesen Teufelskreis hineingezogen und von uns ausgiebigst beliefert werden!) in diese Rüstung stecken, wäre der größten Not bereits abzuhelfen. Aber es geschieht nicht! Schon im „Frieden” töten so unsere Waffen Jahr um Jahr viele Millionen Menschen. Der „Dritte Weltkrieg” ist so schon im Gang, längst ehe er „erklärt” ist!

LeerSollte Christus einst sagen müssen: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir - Waffen gegeben!”?

LeerUnd glauben wir im Ernst, wir könnten in einer Welt, die im Chaos versinkt, hier auf einer Insel des Friedens und Wohlstands leben? Noch einmal Weizsäcker: „Während diese Schachpartie zwischen den Großmächten gespielt wird, ist die Dritte Welt in unvermeidlicher, ständig wachsender Gärung. Wir wissen noch nicht, wo das Zündholz aufleuchten wird, das dieses Weltsystem in Brand setzt.”

3. Rüstung und Ökologie

LeerWir alle hören jetzt viel von dem in Gang befindlichen „Waldsterben”. Aber das ist nur die Spitze eines furchtbaren „Eisbergs”. Das Sterben der Wälder (ja nicht nur bei uns!) zeigt, daß sich eine weltweite Umweltkatastrophe anbahnt. Rasch schwinden, aus unterschiedlichen Gründen, die letzten großen tropischen Regenwälder am Amazonas in Südamerika und in den afrikanischen Äquatorialzonen dahin. Und das bedeutet, daß in wenigen Jahrzehnten, wenn überhaupt noch soviel Zeit ist, der Wasser- und Klimahaushalt unserer Erde in eine nicht mehr umkehrbare Krise kommt. Die Regierungen wollen das nicht wahrhaben, eifersüchtig wachen sie über ihrer Souveränität, das heißt ihrem Recht, kurzfristig zum eigenen Nutzen langfristig zum Schaden aller zu handeln und zu unterlassen.

LeerDoch was hier heraufkommt, wird sich nicht um Staatsgrenzen und Regierungsformen kümmern. Ständig schwinden schon die Wälder und die Wüsten breiten sich aus. Die erforderlichen Mittel, um hier gegenzusteuern, sind so riesig (Umrüstung unserer Kraftwerke, unserer Heizsysteme, unserer Kraftfahrzeuge - um nur unsere Probleme zu nennen!), daß sie nur durch eine schrittweise, aber alsbald beginnende und rasche weltweite Auflösung der Rüstungsetats aufzubringen wären, denn anderswo sind Beträge dieser Größe überhaupt nicht freizumachen. Jeder aber sieht auch, daß nichts ferner liegt und schwerer ansuchen scheint als dies. Es sieht aus, als ob sich bereits der Wahnsinn jeglicher Vernunft bemächtigt hätte und die Menschheit in dunklem Drang zum kollektiven Selbstmord eher entschlossen sei als zur Umkehr. Es gibt dafür eine biblische Kategorie, sie heißt: Verblendung.

LeerNoch einmal Barnaby: „In Wirklichkeit ist das nukleare Wettrüsten der Kontrolle der politischen Instanzen bereits völlig entglitten. Und das gilt für die Sowjetunion ebenso wie für die Vereinigten Staaten. Das unkontrollierte nukleare Wettrüsten stellt zweifellos die größte Gefahr für das Überleben der Menschheit dar. Die Entgegensätzlichkeit der Militärtechnologie ist es, die uns einem atomaren Weltkrieg entgegentreibt. Ich will damit nicht sagen, irgendeine verschwörerische Organisation plane unsere Vernichtung. Aber ich will damit sagen, daß wir womöglich nicht intelligent genug sind, um politische und soziale Institutionen zu schaffen, die imstande wären, die Militärtechnologie in den Griff zu bekommen. Soweit ich sehe, treiben wir auf eine Katastrophe zu, nicht weil die Politiker die Augen verschließen oder weil sie die Katastrophe willentlich herbeiführen. Blindheit scheint in der Natur des Menschen zu liegen” (a. a. O., S. 287).

LeerWir brauchen gar nicht mehr den großen Krieg, vor dem sich alle fürchten. Diese Rüstung, in dem Ausmaß wie jetzt noch eine Generation lang fortgeführt, wird uns erwürgen, sie wird uns strangulieren, auch ohne Krieg. Als ehemaliger Naturwissenschaftler kann ich nur mit größtem Ernst sagen: es gibt Prozesse, die von einem bestimmten kritischen Punkt (den man meist erst hinterher erkennt, wenn es bereits zu spät ist!) an nicht mehr umkehrbar sind.. .was hier durch uns Menschen angestoßen und in Gang gehalten läuft, ist ein solcher Prozeß! Und was wir jetzt, 1982, versäumt haben, werden wir im Jahr 2000 nicht wiedergutmachen können! Das ist für mich als Christen das Schrecklichste: daß die von uns selber in Gang gesetzten „Sachzwänge”, daß gerade auch unser Rüstungs- und Sicherheitswahn drohen, die Schöpfung Gottes, soweit er als Erde sie uns anvertraut hat, zu verderben.

4. Alternative?

LeerIch kehre noch einmal zu unserem speziellen „Sicherheits”-Problem zurück: wenn es jetzt noch nicht möglich erscheint, „Frieden schaffen ohne Waffen” zu realisieren und - was gewiß not täte - „Schwerter zu Pflugscharen” umzuschmieden, so sollten wir uns überlegen, ob es nicht besser und gehorsamer sein könnte, statt einer immer höher getriebenen atomaren Raketenrüstung, die beim ersten Defekt zum Selbstmordinstrument zu werden droht, uns als Westdeutsche eine glaubhaft defensive wirkungsvolle Verteidigungsrüstung aufzubauen. Es gibt ja durchaus solche Überlegungen, etwa ein Arrangement „intelligenter” mobiler panzerbrechender Waffen, das vermutlich eher zu finanzieren wäre als manches jetzt in Aussicht Genommene unserer Waffenpalette (vgl. Jochen Löser, „Weder rot noch tot” - eine sicherheitspolitische Alternative, München 1981).

LeerDie Atomwaffenpolitik der Großmächte aber wird mehr und mehr zum „Babylonischen Turm”. Was aber dann, wenn eines Tages „die Abschreckung bricht”? Unsere derzeitige Sicherheitspolitik nimmt doch immer mehr den Charakter eines Hasardspiels an. Das „Abschreckungsdilemma” muß bei der Gebrechlichkeit unseres Menschseins früher oder später scheitern. Denn Abschreckung funktioniert ja doch nur, wenn der Gegner auch glaubt, daß ich diese Waffen auch einsetzen werde. Nur vorgezeigte Waffen schrecken nicht ab. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann bei der immer weitergetriebenen Treffsicherheit und Schnelligkeit der kommenden Systeme in einer Situation der explosiven Ungewißheit die Angst zum Präventivschlag zwingt, da man ja nicht weiß, ob der Gegner nicht eben jetzt schon ihn auslöst.

Zum Schluß:

LeerSelbst wenn wir nur auf den „Verteidigungsfall” abstellen, ist die bis jetzt von uns aufrechterhaltene Option auf den eventuellen nuklearen „Erstschlag” geradezu gotteslästerlich. Denn wir sind nicht berechtigt, um der Verteidigung unseres Gesellschaftssystems willen den Weltbrand, die Zerstörung der Schöpfung - abgesehen von unserem eigenen Untergang, der eine solche „Verteidigung” ja ohnehin zur Perversion macht! - in Kauf zu nehmen. Auch die Kirche in der DDR ist eine lutherische Kirche. So sollten wir westdeutschen Lutheraner gut achten auf die Stimme von drüben, wie sie Bischof Krusche auf der Synode in Halle vor wenigen Wochen formuliert hat: „Diese Logik wird auch nicht so sehr durch aggressive politische Zielstellungen belebt, als vielmehr durch den im System gegenseitiger Abschreckungen liegenden Zwang, immer neue Ängste zu erzeugen.

LeerAngst und Angsterzeugung wirken heute als irrationale, das Blickfeld der Vernunft einengende Triebkräfte des Rüstungswettlaufs. Während Angst beim Tier Schutzreaktionen auslöst, kann die nicht mehr instinktgebundene Angst beim Menschen dazu führen, daß er noch gar nicht existierende Gefahren in seiner Vorstellung vorwegnimmt, um für die Abwehr solcher phantasierter Gefahren seine Vorkehrungen zu treffen. Eine von Ängsten gesteuerte Vorstellungskraft kann schließlich bewirken, daß der Mensch sich in einer irrationalen Welt bewegt und die wirklich drohenden Gefahren vernachlässigt. So werden über der Spannung zwischen Ost und West die Gefahren, die aus dem Wohlstands-Armut-Gefälle entstehen, vernachlässigt, das Gewicht der ökologischen Fragen übersehen. Unsere Situation hat heute Züge einer solchen seelischen Krankheit. Daß dies vor allem junge Menschen spüren, daß sie aus diesem Kreislauf des Unheils ausbrechen wollen, ist nicht nur verständlich, sondern verheißungsvoll und verdient volle Aufmerksamkeit.

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LeerDas System gegenseitiger Abschreckung bedroht mit totaler Vernichtung und beschränkt sich nicht auf die Abwehr militärischer Maßnahmen des Gegners. Eine Absage an dieses System darf nicht gleichgesetzt werden mit einer Absage an vernünftige Verteidungsbereitschaft. Es wird notwendig sein, daß wir das Abschreckungsdenken als einen Mißbrauch des jedem Lande zustehenden Rechts auf Verteidigung durchschauen. Unsere Kirchen haben berechtigte Sicherheitsinteressen unseres Staates und anderer Staaten nicht in Frage gestellt, sondern anerkannt. Das sollte und braucht nicht zurückgenommen werden, wenn wir zu der Erkenntnis kommen, daß der Geist des Abschreckungssystems nur verworfen werden kann” (nach DAS vom 3.10. 1982).

LeerEs kann doch wohl nicht angehen, daß Gottes Wille eine Funktion der militärgeographischen Lage sein kann, je nachdem ob eine Kirche im NATO-Bereich oder im Bereich des Warschauer Pakts liegt!

LeerAber, so werden wir fragen, ist dies alles nicht eine Schau völliger Hoffnungslosigkeit? Ja und nein: wenn wir Menschen, Völker und Staaten, den jetzigen Weg des Todes nicht verlassen, gibt es in der Tat keine Hoffnung mehr. Nur wenn wir alle noch die Kraft finden, umzukehren, den Weg des Lebens zu suchen, wird Gnade uns den Anfang gewähren. Das gilt nach dem Zeugnis der Schrift nicht nur für einzelne, sondern auch für die ganze Menschheitsfamilie. Und die Frist ist kurz, und zusehends fast verkürzt sie sich immer rascher.

LeerEin altes jüdisches Weisheitswort sagt: „Durch zwei Dinge wird die Welt gerettet: durch Umkehr und Gebet.” Das ist eine Verheißung, aber keine Garantie. Und ohne Umkehr ist auch keine Hoffnung. Und wenn es zum Letzten, zum Äußersten, zum Ende kommt? Als Mitarbeiter in vielen Rüstzeiten der Militärseelsorge seit ihren Anfängen bis 1972 bin ich oft auf den Schwanberg, die Tagungsstätte der Communität Casteller Ring, in Unterfranken gekommen. Dort stand und steht noch an einer Wand ein Wort, das mich damals schon gefesselt hat, dessen Aktualität aber gewiß heute noch dringlicher und tröstlicher ist: „Seid ohne Furcht, wenn eines Tages die Kraft der Atome den kreisenden Erdball zersprengen sollte, dann wird sie doch nichts sein gegen jene Gewalt, die den Stein vom Grabe wälzte. Christus hat einmal den Tod besiegt, alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag und jede Vernichtung ist eingeschlossen in seine und unsere Auferstehung.”

Quatember 1983, S. 26-32

Leserbrief Friedrich Wilhelm Effey - „Angst um den Frieden”

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-02
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