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von Reinhard Mumm |
„Zu Gottes Ehre!” Mit diesem Wort schließt die Regula des Ordo Crucis, der im April 1983 in Oslo seines Beginns vor 50 Jahren gedachte. Nicht zufällig folgte so bald auf die Halbjahrhundertfeier der Michaelsbruderschaft und des Berneuchener Dienstes ein ähnliches Gedenken in Norwegen; denn schon früh hatte es mannigfache Beziehungen hin und her gegeben. Alt-Bischof Alexander Johnson weiß zu berichten, wie er bei Wilhelm Stählin in Münster studiert und Karl Bernhard Ritter in Marburg kennengelernt hat. Der Gründer des Ordo Crucis, Professor Dr. Hans Ording († 1952), hat Wilhelm Stählin nach Norwegen eingeladen und ihn nach dem Krieg in Oldenburg besucht. Odd Godal und seine Frau Randi kamen 1933 in Wien durch Herbert Krimm mit dem Berneuchener Kreis in Berührung. Die freundschaftlichen Beziehungen der Anfänge wurden in den letzten zehn Jahren neu aufgenommen. An den Festtagen vom 15. bis 17. April 1983 nahmen seitens der Michaelsbruderschaft Peter Schmutz und seine Frau und ich teil. Zur Eröffnung sprach der Leiter der norwegischen Bruderschaft Gunnar Oestenstad über das Thema „Ad fontes (Zu den Quellen) - Ordo Crucis als seelsorgerliche Gemeinschaft in unserer Kirche”. Als Manuskript ist eine Geschichte des Ordo erschienen, verfaßt von dem Stifterbruder Kaare Eide, die der Autor vorstellte. Am Samstag früh hielt Olav Brandt in der Majorstuen-Kirche eine Messe, in der vier Brüder in den Ordo aufgenommen wurden. Dieser Ort war gewählt, weil Hans Ording 1933 in der zu dieser Kirche gehörenden Kapella Johannea sich mit einer kleinen Schar junger Brüder zum Orden des Kreuzes zusammengeschlossen hatte, ein Vorgang, der uns an die Stiftung der Michaelsbruderschaft 1931 in der Kreuzkapelle der Marburger Universitätskirche erinnert. Im Hinblick auf anderthalb Jahre wurden wir als „ältere Brüder” begrüßt. Die Verwandtschaft mit den Anfängen der Michaelsbruderschaft kam auf mannigfache Weise zum Ausdruck. Wie einst bei uns nahmen an der Aufnahmefeier nur die Brüder teil, dazu wir beiden deutschen Gäste und als naher Freund des Ordo der alte orthodoxe Bischof Terapon. Zwei Pfarrer und zwei Laien traten vor den Altar, vernahmen die Regula (s. Quatember 1975 S.43-46; vgl. 1979 S. 170-172 und 1980 S. 236 f.), die der frühere Leiter des Ordo Notto Norman Thelle verlas, und empfingen nach ihrer Novizenzeit kniend das Kreuz. Die Feier der Eucharistie vollzog sich nach der heute in der Kirche von Norwegen geltenden Ordnung mit den wesentlichen klassischen Stücken der Messe. Die Kelchkommunion erfolgte nach der in Skandinavien verbreiteten Art mit vielen kleinen Einzelkelchen, die aus dem Altarkelch gefüllt werden, eine Form, die wir nicht nachahmen wollen, die aber hier würdig ausgeführt wurde. Auch traten wir an die Gräber der frühen Leiter des Ordo Crucis, Hans Ording, Arne Fjellberg und Odd Godal, zu Andachten des Gedenkens und begegneten ihren Witwen, unter ihnen die 93jährige Frau Ording, die aus Deutschland stammt. Der vierte Akt im Verlauf der Feiertage war ein festliches Abendessen im Haus der Militär-Gesellschaft. Umgeben von Gemälden der Könige und Generäle saßen wohl zweihundert Gäste an den Tischen im Licht vieler Kerzen. Wir hörten machtvolle Sologesänge eines Ordo-Bruders. Mendelssohn, Grieg, überhaupt das 19. Jahrhundert standen im Vordergrund. Der gemeinsame Gesang von Chorälen war kräftig und herzhaft. Bei den Reden wurde viel gelacht. Nach einem längeren Vortrag von Professor Per Loenning, der jetzt am Ökumenischen Institut des Lutherischen Weltbundes in Straßburg tätig ist und wiederholt in Kirchberg war, fand ich Gelegenheit, die Grüße der Michaelsbruderschaft auszurichten und zu neuen Gemeinsamkeiten einzuladen. Unser Geschenk, die Schriftenreihe „Kirche zwischen Planen und Hoffen”, will den Ordo-Brüdern teilgeben an der geistigen Weiterentwicklung in der Michaelsbruderschaft. - Aus allem war eine herzliche, familiäre Gemeinschaft zu spüren. Der Abend verlief festlich, aber gar nicht steif. Der Ordo Crucis ist stärker eingebunden in die Kirche, das Volk und Land Norwegen, als dies in unseren Verhältnissen vorstellbar wäre. Michaelsbrüder gehören verschiedenen Konfessionen und Landeskirchen an, auch verschiedenen Völkern und Staaten. Wir haben in Mitteleuropa eine vielfältig gebrochene Geschichte hinter uns und müssen in einem geteilten Europa leben. In Norwegen sind Nation und Kirche weitgehend deckungsgleich; von daher ergibt sich eine unkomplizierte Gemeinschaft auch im Ordo Crucis. Andreas Aarflot, der gegenwärtige Bischof von Oslo, sprach warmherzig davon, wie wichtig für die Kirche und das Volk eine solche geistliche Gemeinschaft ist, wie sie der Ordo Crucis darstellt. Am Sonntag Misercordias Domini fand sich die Gemeinde des Ordo in der Schloßkirche der Festung Akerhus ein, die über der Hauptstadt thront und in der die Könige dieses Jahrhunderts begraben liegen, mit weitem Blick über den Oslofjord. Andreas Mikal Holen aus Trondheim hielt die Predigt, und wir begegneten dem gleichen Bild vom guten Hirten, das uns - trotz aller Änderungen in den Ordnungen der Perikopen - miteinander verbindet. Der Jugendchor Con Spirito, dirigiert von dem Solosänger und Ordo-Bruder Helge Birkeland, wirkte mit. Das Laudamus wurde beschwingt gesungen. Dieser Gottesdienst ließ die innerste Freude aufleuchten. Tief gegründete schlichte Frömmigkeit verband sich mit den festlichen Gesängen in ungekünstelter Selbstverständlichkeit. Die Ordo-Brüder am Altar trugen die altkirchlichen Gewänder. Vermittelt durch Randi Bojer-Godal unternahmen Gunnar Oestenstad mit meiner Frau und mir am Tag darauf eine Fahrt in das noch winterliche verschneite Bergland. Durch Wälder und an Seen vorbei gelangten wir in den kleinen Ort Hager bei Reinsvollen, etwa 120 km nördlich von Oslo. Auf den Höhen sieht man stattliche Bauernhöfe verstreut liegen, mit der eigentümlich roten Farbe ihrer Scheunen. Hier leben seit kurzer Zeit zwei Frauen in kommunitärer Gemeinschaft, die Lehrerin Tordis Oedegaard und die Pastorin Karin Sissel Solberg. Sie sind beide in einem psychiatrischen Krankenhaus tätig und haben auf ihrem Grundstück ein kleines sehr einladendes Retraite-Haus errichtet mit einem Stille ausstrahlenden Andachtsraum auf dem Dachboden. Der Blick geht hinaus in die Weite des Landes. Sie gebrauchen eine handgeschriebene Agende mit Gebeten aus der „Eucharistischen Feier” von K. B. Ritter, ins Norwegische übersetzt. Beide Schwestern sprechen gut deutsch. Mit einigen Freunden begingen sie die heilige Woche und die Feier der Osternacht. Nun sind sie bereit, neue Gäste zu empfangen, vielleicht auch aus Deutschland und anderen Ländern? Ein Bruder des Ordo Crucis hat die Kapelle geweiht. Die norwegischen Brüder könnten hier ein Einkehrhaus finden, das ihnen bis jetzt noch fehlt. „Til Guds Aere” heißt es in der Regel des Ordens. Zu Gottes Ehre wurde einst der Ordo ins Leben gerufen. Nun steht er vor der Aufgabe, Schritte nach vorn zu tun im Geist des Anfangs. Gleicherweise ist uns in der Evangelischen Michaelsbruderschaft und im Berneuchener Dienst die Aufgabe gestellt, Kontinuität und Wandel, Treue und Aufbruch als eine lebendige Spannung anzunehmen, die uns vorwärts weist. Wir sind froh zu sehen, daß derselbe eine Geist unsere Väter vor einem halben Jahrhundert verbunden hat, über weite Entfernungen und nationale Grenzen hinweg, und erkennen mit Freude, wie der gleiche Geist uns heute leitet und zusammenführt trotz aller erschütternden Erfahrungen im letzten Krieg. Wir verleugnen nicht die Unterschiede unserer Herkunft und Geschichte, nehmen aber dankbar an, was uns über alle Unterschiede hinweg gemeinsam gegeben ist: das Leben aus dem Wort der Schrift und das tägliche Gebet, die Feier der Eucharistie und die Meditation, die Seelsorge und die Beichte, die Bereitschaft zum Dienst in der Kirche für das Heil der Menschen und die gesamte Schöpfung. In der Mitte von diesem allen steht der gekreuzigte und auferstandene Herr, an den wir glauben und von dessen Gaben wir leben. Quatember 1983, S. 170-173 |
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