Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1996
Autoren
Themen
Stichworte

Beobachtungen in der Johanneskirche im Kloster Kirchberg
von Harald Erichsen

LeerDer Umbau der Johanneskirche um 1688 hat zur Folge, daß auch die Kirchenbänke neu gestaltet wurden. Pfarrer Oskar Plank hat in seinem Kirchbergführer die Doggen oder Wangen der Kirchenbänke recht genau beschrieben. Die Kirche wurde nach dem Großbrand des Konventsgebäudes am 18. Mai 1979 renoviert. Das geschah im Jahre 1980. Der damalige Baurat Sahl vom Staatlichen Hochbauamt Rottweil hat die Doggen fotografisch festgehalten, damit keine Verwechslungen vorkommen. Er hat die Bänke numeriert. Ich halte mich an seine Ordnung. Die Zählung beginnt von Westen nach Osten. Es wird zwischen Norden und Süden unterschieden. Die erste Bank, die jetzt beschrieben wird, ist, vom Westeingang der Kirche, diejenige, die an der Kanzelseite steht. Wir beginnen unsere Betrachtung in Richtung Altar.

LeerBankwange

Von den Doggen ist jeweils die obere Hälfte besonders verziert. In den unteren Hälften, also ab Sitzplatzhöhe nach unten, winden sich Ranken mit Blattwerk. Im oberen Teil ist auch Blattwerk dargestellt. Am unteren westlichen Eck kriecht eine Schnecke Richtung Osten. Die Schnecke gilt als Symbol der Auferstehung, da sie im Frühjahr den Deckel ihres Gehäuses sprengt.
LeerBankwange

Die nächste Bank zeigt offensichtlich den Bernsteiner Mönch, der die Doggen geschnitzt hat. Bernstein ist das männliche Pendant zu den Kirchberger Nonnen. Bruder Oskar Plank hat dieses Bild so gut beschrieben, das dem nichts hinzugefügt werden muß. Nur eines ist beachtenswert. Der Mönch schaut nach Westen. Er interessiert sich weder für das, was am Altar geschieht, noch für das, was von der Kanzel gepredigt wird. Da ihm der Brotkorb zu hoch gehängt wurde, wehrt er mit der rechten Hand alles ab. Es scheint ihn alles kalt zu lassen.
LeerBankwange

Die dritte Bank zeigt uns einen Bären, der eine Sonnenblume im Maul trägt. Er trägt die Sonnenblume, sie steht als Symbol der Gottesliebe, Symbol der Seele, der Gedanken und Gefühle unablässig auf Gott richtet; insofern ist sie auch Symbol des Gebetes. Der Bär trägt die Sonnenblume in Richtung Westen. Dies hat eine Bedeutung, die wir noch besprechen werden.
LeerBankwange

Die vierte Bankreihe zeigt uns einen Bauern, der eine Weinrebe an einem Stock trägt. Die Sonnenblume über ihm hängt in einer Metallschlaufe, die am oberen Rand der Schnitzarbeit hängt. Der Landmann geht nach Westen. Sein überdimensionaler Hut schützt ihn vor der Ostsonne.

LeerBankwange

Die fünfte Reihe zeigt einen Jüngling, der sich ausruht, sein Hut liegt neben ihm, er schaut zu einem Vogel, der von Westen auf ihn zufliegt. Der Vogel bringt ihm eine Blume. Eine Knospe ist in voller Blüte, die andere ist noch verschlossen. Der linke Arm des Mannes streckt sich dem Vogel entgegen. Der Jüngling möchte die Blume ergreifen. Er erwartet die Übergabe. Ist es vielleicht die Blume der Erkenntnis?
LeerBankwange

Auf der sechsten Bank springt ein Schwein, an einem Baum vorbei, nach Westen. Oben hängt wieder eine Blume in der Metallschlaufe. Das Schwein läuft auf einen Baum zu, dessen Stamm stark beschnitten ist. Es wachsen aber neue Äste aus dem Baum.
LeerBankwange

Direkt unter der Kanzel ist ein Hirsch dargestellt, der aus einem Brunnen Wasser trinkt. Das Wasser wird ihm gereicht. Es ist ein Eimer dargestellt, der über eine Winde nach oben gezogen wurde. Wir werden an das Psalmwort erinnert: Wie der Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott! Meine Seele dürstet nach Gott, dem lebendigen Gott: wann werde ich dahin kommen, daß ich erscheine vor Gottes Angesicht? (Psalm 42)

LeerWir sollten hier ein wenig innehalten. Diese Bankreiche befindet sich direkt unter der Kanzel. Unter dem Wort ereignet es sich, daß ein Richtungswechsel eintritt. Der Hirsch kommt von Westen, geht aber nach Osten. Bislang bewegten sich alle Kreaturen nach Westen - bis auf die Schnecke (Auferstehung): Bei der Verkündigung des Wortes Gottes wird der Mensch verwandelt. Er ändert seine Richtung.
LeerBankwange

So ist es auch bei der nächsten Bankreihe. Der Mönch aus Bernstein liest im Buch. Sein Gesicht ist gegen Osten gewendet. Er schaut wie der Hirsch nach Osten, also zum Altar. Das Kloster Kirchberg war ein Dominikanerkloster, also ein Ort der Predigt. Die Südseite der Kirchen waren immer die bevorzugte Seite des Schmuckes (Glasfenster oder der Malerei). Neben der Kanzel ist noch ein Überrest einer Wandmalerei zu erkennen. Diese Bankreihen sind also besonders hervorgehoben. Sie sind reich verziert und erzählen uns, wie das Wort Gottes den Menschen ändert. Dies geschieht von der Verkündigung her.

LeerBankwange

Die letzte Bank hat nun eine besondere Verzierung. Zwei Vögel haben je eine Blume durch ein verziertes Quadrat gezogen. Das Quadrat steht unter anderem für alle vier Himmelsrichtungen. Das kann bedeuten: Für die ganze Welt. Es ist ein Sinnbild für die Welt. Im unteren Teil der Dogge ist ein Engelsköpfchen dargestellt, das nach unten und nach Westen schaut.
LeerBankwange

Wenden wir uns zu der anderen Kirchenseite, also nach Norden. Wir fangen wieder im Westen an.

LeerWieder ist ein Tier dargestellt. Es ist ein Vogel, der, wen sollte es wundern, nach Westen geht. Er hat in seinem Schnabel eine Blume. Sein rechter Fuß trägt ebenfalls eine Blume. Die beiden nachfolgenden Bankreihen sind ohne figürlichen Schmuck.
LeerBankwange

Die vierte Bank zeigt uns einen Jäger, der ein Rad zum Schmied rollt. Es soll wohl beschlagen werden. Dies ist alles sehr fein angedeutet. Der Schmied verbirgt sich hinter einer Dogge, sein Amboß schaut aber hervor. Diese Dogge entspricht auf der gegenüberliegenden Seite dem Landmann, der die Weinrebe trägt. Es könnte die arbeitende Landbevölkerung gemeint sein, also die Laien. Die Bewegung des Mannes mit dem Rad, das ist die beherrschende Bewegung, ist nach Osten gerichtet, also zur Kanzel hin. Der dargestellte Baum ist fast ganz kahl. Alle Äste sind abgeschnitten. Rechts oben sitzt ein Eichhörnchen. Für das Symboldenken des Mittelalters galt es, wegen seiner blitzschnellen Gewandtheit und seiner feuerroten Farbe, als Symbol des Teufels. Das untere Teil wird durch einen Blumenkorb verziert.
LeerBankwange

Die nächste Bank steht wohl im direkten Bezug zu der vorigen. Ein Hase wird von einem Hund gehetzt. Gehört der Hund zu dem Jäger? Wird er zur Strecke gebracht?
LeerBankwange

Die nächste Bank könnte diese Vermutung bestätigen. Hier sind alles Todessymbole zusammengefaßt: Das Stundenglas, der Totenschädel, der geknickte Leuchter, die Axt, die an die Wurzel gelegt wird und die abgebrochene Blume.
LeerBankwange

In der siebten Bankreihe ist Dominikus dargestellt. Sie entspricht, auf der anderen Seite, dem Brunnen mit dem Hirsch. Der Hund, der die Fackel trägt, ist zu seiner Rechten. Dominikus weist auf das Herrenhaus mit seinem rechten Arm hin. Zu seiner Linken befindet sich das Konventsgebäude. Hinter ihm wächst ein eigenartiger Baum auf, der von einem Wappen in seiner Krone geschmückt ist. Dominikus blickt nach Osten. Diese Geste entspricht der Bank auf der gegenüberliegenden Seite. Wir erinnern uns, daß der Hirsch nach Osten schaut.

LeerBankwange

Die nächste Bankreihe zeigt uns ein Lamm, das an einen Pflock gebunden ist. Zwei Hunde bekläffen es. Das Lamm schaut nach oben. Dort ist eine Axt zu sehen, die in einen Holzklotz geschlagen ist, darüber eine Hand, die auf ein brennendes Herz hinweist. Das Osterlamm schaut in Richtung Altar, aber eben nach oben. Ich glaube, hier bedarf es keiner besonderen Auslegung.
LeerBankwange

Die letzte Reihe ist im oberen Feld schmucklos, im unteren Bereich ist wieder das Köpfchen des Engels zu sehen.

LeerDiese Art der Darstellung ist wohl einmalig.

Quatember 1996, S. 240-242

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-01
Haftungsausschluss
TOP