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Möllenbeck - ein evangelisches Kloster
von Nicolaus Heutger

LeerAm Waldrand in den Weserauen bei Rinteln an der Weser liegt das in seinem spätgotischen Baubestand unberührt erhaltene mächtige Kloster Möllenbeck Die Edelfrau Hildburg gründete es im Jahre 896 und stiftete ihm sieben Eigenkirchen. Durch neue Ausgrabungen wurde das Kloster aus seiner Einsamkeit gerissen. Unter der 1503 errichteten Klosterkirche wurden die Reste einer 60 m langen kreuzförmigen Basilika mit einem dreitürmigen Westwerk entdeckt. In einer mystisch-dämmrigen Krypta wurde ein wuchtiger, aber asketisch schlichter Sarkophag mit den Gebeinen der Stifterin aufgefunden, der etwa aus der Zeit um 900 stammt. Ein romanisches Tumbafragment edelster figürlicher Arbeit konnte diesem Grab der Stifterin zugeordnet werden.

LeerIm Anschluß an diese Grabungen, die die Frühzeit des Klosters aufklärten, wurde die reiche schriftliche Tradition des Klosters durchforscht. Das kirchengeschichtlich wichtigste Resultat dieser Arbeiten ist der Nachweis eines blühenden, bewußt evangelischen Klosterlebens im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. Im Jahre 1441 hatte der Reformator vieler niedersächsischer Klöster, der Augustinerprior Johannes Busch, das Kloster der Windsheimer Kongregation zugeführt, die den von Luther später so hochgeschätzten „Brüdern vom gemeinsamen Leben” in Zwolle und Deventer mit ihrer Imitatio-Frömmigkeit, ihrem Bibelstudium und ihrer Liebe zu Augustin nahestanden. Diese Augustiner erstellten 1503 einen gewaltigen Klosterneubau in quadratischer Form und bezogen zwei romanische Türme in das Bauwerk ein, die noch heute das Wahrzeichen der Gottesburg an der Weser sind.

LeerBei den theologischen Voraussetzungen der Windsheimer Kongregation - Thomas von Kempen ist einer ihrer Lehrer - war zu erwarten, daß reformatorische Gedanken bald in Möllenbeck Heimatrecht fanden. Die Situation dieses Klosters in der Reformation wird schon daraus erhellt, daß der Pater Antonius Held als Pfarrer im benachbarten Eisbergen 1540 heiratete, dem Kloster aber weiter herzlich verbunden blieb und wöchentlich zu Besuch kam - obgleich er lutherisch predigte. 1558 wurde die Grafschaft Schaumburg offiziell evangelisch und der Prior des Klosters, Pater Hermann Wenig, trat freudig mit dem ganzen Konvent zum Luthertum über. Niemand trat aus. Reibungslos vollzog sich der theologische und liturgische Übergang: deutsche Gesänge erfüllten jetzt den weiten lichten Raum der Klosterkirche mit ihren edlen, schlanken Pfeilern. Prozessionen, Heiligenkult und die Stücke der Messe, die den Opfergedanken enthalten, wurden abgeschafft.

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LeerAusdrücklich. beibehalten wurden die klösterliche Ordnung, die Ordenskleidung, das Chorgebet - mit deutschen Gesängen - sowie die Messe mit aller liturgischen Pracht. Getreu dem Willen Luthers, daß die Klöster gute Prediger ausbilden sollten, wurde eine theologische Schule in dem Kloster eröffnet, die bald blühte und erlesene humanistische Geister anzog. Jetzt traten aus der evangelischen Grafschaft Schaumburg die ersten Novizen ein, während vor der Reformation alle Kleriker aus Holland geschickt wurden. Viele Pfarrer der Gegend erhielten in Möllenbeck ihre Ausbildung. Mit dem Lande verwurzelte das Kloster in Freud und Leid; man holte sich Rat beim „Prior der Brüder des Klosters Möllenbeck”, wie sich Prior Stucken 1591 an seinem Rintelner Stadthaus nennt. Erlesene Kunstwerke schmückten das Kloster, wie wir aus neuesten Funden und aufgefundenen Texten wissen.

LeerEiner der bedeutendsten Geister der Schule war der Subprior Conrad Hoyer, der 1583 sogar vom Kaiser zum „poeta laureatus” gekrönt wurde. Neben mehreren theologischen Werken, etwa Katechismusauslegungen, die eben genauer durchforscht werden, publizierte Hoyer 1623 in der Rintelner Universitätspresse unter dem Titel „De fundatione Monastrii Mollenbeccensis” eine glanzvolle Apologie des evangelischen Ordenslebens in historischen Gewande, die bei kritischer Verwertung einen Einblick in das vielseitige Streben des MölIenbecker evangelischen Konvents gewährt. Das in manchen Stücken renaissancehaft emphatische Werke enthält auch interessante Durchblicke auf das späte Mittelalter, wie den Hinweis, daß Bibelkenntnis in den Klöstern vor der Reformation nicht so selten war, wie die lutherische Orthodoxie glauben machen wollte - etwa in der Legende vom Kampf Luthers um die Bibel im Kloster. Hoyer ist aber guter Lutheraner und polemisiert gegen den Papst. Das hindert ihn nicht, dem vorreformatorischen Klosterleben der devotio modema gerecht zu werden.

Leer1626 ging das evangelische Kloster Möllenbeck in den Stürmen des dreißigjährigen Krieges seinem Ende entgegen. Eine Glosse Hoyers in einem Bande der Bremer Staatsbibliothek kündigt es an. Hoyer kämpfte verzweifelt um den Bestand seines Klosters. 1675 starb in Möllenbeck der letzte evangelische Mönch, der Klosterprediger Pater Petrus Grener. Eine fast siebenhundertjährige Tradition war abgebrochen. Neueste Forschungen ergaben eine Fülle lutherischer Mannsklöster, besonders in Niedersachsen, die alle eine Schule hatten, wie Luther das von evangelischen Klöstern verlangte. Es scheint aber nunmehr die Zeit gekommen, das Phänomen des evangelischen Ordenslebens in der Reformationszeit aus dem Dämmern der Quellen herauszuheben.

Anm. d. Vfs.: Der Verfasser ist dankbar für Nachweisungen ähnlicher Konvente in der Nachreformationszeit, da es ihm eine lohnende Aufgabe zu sein scheint, die Fortexistenz mittelalterlicher Klöster über die Reformation hinaus einer umfassenderen Betrachtung zu unterziehen.
Quatember 1955, S. 159-160
© Prof. Dr. Dr. Nicolaus Heutger, Hannover

[Siehe auch: Die evangelischen Klöster und Stifte in Niedersachsen (1988)
Biographie und Bibliographie (bis 2007) - Nicolas Heutger, Viola Heutger (Hg.) - Niedersächsische Ordenshäuser und Stifte - Berlin 2009]

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-19
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