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von Hans Mayr |
Fährt man von Zürich nach Süden, dem Vierwaldstätter See zu, und nimmt man den Weg über den Albispaß, gelangt man kurz nach Überschreiten der Paßhöhe nach Kappel am Albis. Dort ist, im Jahre 1531, in der Schlacht bei Kappel zwischen den reformierten Zürichern und den katholischen innerschweizerischen Kantonen, Ulrich Zwingli gefallen. Und dort, an einer Grenze zwischen evangelischer und katholischer Schweiz, steht auch das „Haus der Stille”, eine Einrichtung der Züricher evangelischen Kirche. Der Ökumenische und der Theologische Arbeitskreis der Michaelsbruderschaft haben sich, nachdem sie sich in den vorangegangenen Jahren mit der Kirche Englands und der Theologie Luthers befaßt hatten (siehe Quatember Jg. 45/1981, S. 173 und Jg. 46/1982, S. 173), im Geburtsjahr Luthers bewußt an diesem Ort versammelt, wo schon der genius loci an Zwinglis Reformation gemahnt. Das „Haus der Stille”, ehemals Zisterzienserkloster, erprobt heute einen geistlichen Tagesablauf, der von Eucharistiefeier und Stundengebet im reformierten Rahmen geprägt ist. Mit Heinrich Bullinger, der seit 1523 dort lehrte, hatte die Reformation Einzug gehalten. Im 19. Jahrhundert war das Haus ein Alten- und Pflegeheim. Jetzt wächst es, denkmalpflegerisch hervorragend restauriert in seine neue Aufgabe hinein. So gab es den denkbar besten Raum für die theologischen Gespräche ab. Ein Sonntagnachmittagsspaziergang führte die ökumenische und Internationale Gruppe (Schweiz, Österreich, Bundesrepublik, Deutsche Demokratische Republik, Irland) in Schnee, Sonne und Wind zum Zwinglistein. „Zusammen mit Martin Luther” habe er die Kirche erneuert, steht auf dem Stein geschrieben, und seine letzten Worte seien gewesen: „Den Leib können sie töten, aber die Seele können sie nicht nehmen!” Und die Gruppe sang Luthers Lied: „Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren. Es streit' für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. . .”. Eine halbe Stunde weiter findet man den „Milchsuppenstein”: Zeichen politischer und ökumenischer Versöhnung. Hier aßen zum Zeichen des Friedensschlusses die Züricher und die Männer aus der Innerschweiz aus einer großen Schüssel zusammen eine Suppe, zu der nach der Überlieferung die Innerschweizer die Milch, die Züricher aber das Brot beigesteuert hatten. Jeder bringt sein Eigenstes, und alle sind Gäste an einem Tisch. Tiefster und erneut bestätigter Eindruck: Die Ökumene lebt, wie die Kirche überhaupt, im Gottesdienst. Welche Vielfalt in der Einheit: Abendmahl nach reformierter Ordnung, reformierter Predigt-Gemeindegottesdienst, Stundengebet mit den vierstimmigen Chorälen des Schweizerischen Gesangbuchs, moderne Formen, Eucharistiefeier nach der Ordnung von Lima 1982, Komplet nach Berneuchener Weise im dunklen Kapitelsaal, Reisesegen im hohen, kühlen, lichten Chor der Zisterzienserkirche: Ecclesia catholica et semper reformanda. Quatember 1983, S. 106-108 Kloster Kappel |
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