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Streichhölzchen
von Hans Carl von Haebler

LeerDem Jahrgang, der mit diesem Heft beginnt, liegt kein fester Plan zugrunde. Quatember soll offen bleiben für Fragen, die auf uns zukommen. Die kirchlichen Jahreszeiten, denen er seinen Namen verdankt, haben nicht nur ihren Eigenwert im Kreislauf des natürlichen Jahres, sondern spiegeln auch die Heilsgeschichte wider, die es in dem turbulenten Verlauf der Weltgeschichte zu erkennen gilt, von der Menschwerdung Jesu Christi bis hin zum Jüngsten Gericht. Sie haben eine geschichtliche Dimension. Naturgeschichte, Menschheitsgeschichte, Heilsgeschichte - das ist der unermeßliche Raum, in dem wir uns zurechtfinden und einrichten müssen und in dem wir doch nur hie und da ein Streichhölzchen aufleuchten lassen können. Trotzdem wäre es unvernünftig, von den Streichhölzchen keinen Gebrauch zu machen.

LeerDem Verhältnis zwischen der Menschheits- und der Heilsgeschichte entsprechen die Begriffe Sakral-Profan, die Wilhelm Stählin in diesem Heft untersucht. Die Sakralisierung des Profanen war der Irrtum des Mittelalters. Die Profanisierung des Sakralen scheint unser Irrtum zu sein. Wir haben dafür das Wort Säkularisierung. Von dem Problem der Säkularisierung werden noch weitere Aufsätze dieses Jahrgangs handeln. Hier nur eine kurze Vorbemerkung, die bei der schillernden Bedeutung, die unser Wort heute hat, angebracht erscheint. Der Historiker bezeichnet damit die Überführung von geistlichem in weltlichen Besitz, wie sie zu Napoleons Zeiten unter großen Härten durchgeführt wurde und damals Hunderte von Klöstern traf. In einem weiteren Sinn verstehen wir unter Säkularisierung die Verweltlichung einer ursprünglich religiösen Kultur, angefangen bei der Sprache und bei der Kunst. Säkularisierung kann aber auch positiv verstanden werden als ein Prozeß, in welchem die Menschen sich von religiösen Tabus und Vorstellungen befreien, die einer als notwendig erkannten Entwickelung im Wege stehen. Man braucht dabei nicht nur an die heiligen Kühe der Hindus zu denken, deren Unterhaltung auf Kosten der Volksernährung geht. Auch unsere religiösen Einwände gegen die Geburtenbeschränkung gehören wohl hierher. Doch hat auch dieser Säkularisierungsprozeß seine Gefahren, und wir müssen auf der Hut sein, daß wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und womöglich säkulare Tabus schaffen.

LeerHans Dombois' Aufsatz geht weit über das hinaus, was der Titel andeutet. Mönchtum und Reformation sind nur zwei Phänomene, die sich als Ausgangspunkt für eine komplementäre christliche Ethik anbieten. Die Lektüre stellt erhebliche Ansprüche an den Leser, aber wir werden nicht umhin können, uns mit diesen Gedankengängen bekannt zu machen, wenn wir dem Teufelskreis eines Entweder-Oder-Denkens entrinnen wollen.

LeerDer Aufsatz über die Beziehungen zwischen Wort und Bild geht auf Vorträge zurück, die ich im Jahre 1962 in Kirchberg hielt. Ich bringe ihn auf Anregung meiner damaligen Hörer. Obwohl ich die Probleme nur skizziert habe, die mit der Entmythologisierung und mit der Frage nach der Erlaubtheit des Bildes in der Kirche zusammenhängen, war mir eine kürzere Darstellung nicht möglich, so daß der Aufsatz auf dieses und das nächste Heft verteilt werden mußte.

LeerDie Bilder dieses Jahrgangs zeigen mittelalterliche Plastik. Unser Titelbild erfüllt drei Aufgaben: Es erinnert an die kirchliche Jahreszeit, es illustriert eine Stelle in meinem Aufsatz, und es hat auch etwas mit dem Kirchenschema des römischen Konzils zu tun, indem es dazu einlädt, die Mutter Gottes unter dem ekklesiologischen Gesichtspunkt zu betrachten.

Quatember 1964, S. 48

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-27
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